Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.S. 65. (Wenn die Jdeen) Eine ähnliche Empfindung, deren Gegenstand aber ungleich merkwürdiger, ist die, welche eine Dame von vielem Geist oft zu haben versichert, und ich selbst einige mal sehr deutlich gefühlt habe. Es ist als ob ein Vorhang hinter mir rauschte, und mich, in die Vergangenheit zurück, in ein Zeitalter weit vor dem meinigen, versetzte. Wenn ich die Seelenwanderung glaubte, so würde ich überzeugt seyn, an dem Hofe Ludwigs des vierzehnten gelebt zu haben, vielleicht, Ludwig der vierzehnte selbst gewesen zu seyn. Sollte es daher kommen, weil ich so viele Memoires von diesem Hofe gelesen habe? allein, warum kann ich niemals dergleichen Memoires lesen, ohne daß es mir ist, als wäre ich allen diesen Handlungen zugegen gewesen? Jch stelle mir sogleich alle Personen, die Lage des Orts, das Costume u.s.w. auf das Lebhafteste vor. Die la Valcere macht einen ganz anderen Eindruck auf mich, wie Dido. Jch denke mir diese mit Mitleiden, an jene, mit einer Art von Unruhe. S. 67. Die Erinnerung an Farbe vorzugsweise vor andern externis ist nicht allgemein. Mir sind Farben in meiner Kindheit niemals aufgefallen. Jch kann vierzehn Tage lang die nehmliche Person in der nehmlichen Kleidung sehen, ohne S. 65. (Wenn die Jdeen) Eine aͤhnliche Empfindung, deren Gegenstand aber ungleich merkwuͤrdiger, ist die, welche eine Dame von vielem Geist oft zu haben versichert, und ich selbst einige mal sehr deutlich gefuͤhlt habe. Es ist als ob ein Vorhang hinter mir rauschte, und mich, in die Vergangenheit zuruͤck, in ein Zeitalter weit vor dem meinigen, versetzte. Wenn ich die Seelenwanderung glaubte, so wuͤrde ich uͤberzeugt seyn, an dem Hofe Ludwigs des vierzehnten gelebt zu haben, vielleicht, Ludwig der vierzehnte selbst gewesen zu seyn. Sollte es daher kommen, weil ich so viele Memoires von diesem Hofe gelesen habe? allein, warum kann ich niemals dergleichen Memoires lesen, ohne daß es mir ist, als waͤre ich allen diesen Handlungen zugegen gewesen? Jch stelle mir sogleich alle Personen, die Lage des Orts, das Costume u.s.w. auf das Lebhafteste vor. Die la Valcère macht einen ganz anderen Eindruck auf mich, wie Dido. Jch denke mir diese mit Mitleiden, an jene, mit einer Art von Unruhe. S. 67. Die Erinnerung an Farbe vorzugsweise vor andern externis ist nicht allgemein. Mir sind Farben in meiner Kindheit niemals aufgefallen. Jch kann vierzehn Tage lang die nehmliche Person in der nehmlichen Kleidung sehen, ohne <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0060" n="60"/><lb/> <p>S. 65. <hi rendition="#b">(Wenn die Jdeen)</hi> Eine aͤhnliche Empfindung, deren Gegenstand aber ungleich merkwuͤrdiger, ist die, welche eine Dame von vielem Geist oft zu haben versichert, und ich selbst einige mal sehr deutlich gefuͤhlt habe. Es ist als ob ein Vorhang hinter mir rauschte, und mich, in die Vergangenheit zuruͤck, in ein Zeitalter weit vor dem meinigen, versetzte. </p> <p>Wenn ich die Seelenwanderung glaubte, so wuͤrde ich uͤberzeugt seyn, an dem Hofe Ludwigs des vierzehnten gelebt zu haben, vielleicht, Ludwig der vierzehnte selbst gewesen zu seyn. Sollte es daher kommen, weil ich so viele Memoires von diesem Hofe gelesen habe? allein, warum kann ich niemals dergleichen Memoires lesen, ohne daß es mir ist, als waͤre ich allen diesen Handlungen zugegen gewesen? </p> <p>Jch stelle mir sogleich alle Personen, die Lage des Orts, das Costume u.s.w. auf das Lebhafteste vor. Die <hi rendition="#b">la Valcère</hi> macht einen ganz anderen Eindruck auf mich, wie Dido. Jch denke mir diese mit <hi rendition="#b">Mitleiden,</hi> an jene, mit einer Art von <hi rendition="#b">Unruhe.</hi> </p> <p>S. 67. Die Erinnerung an <hi rendition="#b">Farbe</hi> vorzugsweise vor andern <hi rendition="#aq">externis</hi> ist nicht allgemein. Mir sind Farben in meiner Kindheit niemals aufgefallen. Jch kann vierzehn Tage lang die nehmliche Person in der nehmlichen Kleidung sehen, ohne<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [60/0060]
S. 65. (Wenn die Jdeen) Eine aͤhnliche Empfindung, deren Gegenstand aber ungleich merkwuͤrdiger, ist die, welche eine Dame von vielem Geist oft zu haben versichert, und ich selbst einige mal sehr deutlich gefuͤhlt habe. Es ist als ob ein Vorhang hinter mir rauschte, und mich, in die Vergangenheit zuruͤck, in ein Zeitalter weit vor dem meinigen, versetzte.
Wenn ich die Seelenwanderung glaubte, so wuͤrde ich uͤberzeugt seyn, an dem Hofe Ludwigs des vierzehnten gelebt zu haben, vielleicht, Ludwig der vierzehnte selbst gewesen zu seyn. Sollte es daher kommen, weil ich so viele Memoires von diesem Hofe gelesen habe? allein, warum kann ich niemals dergleichen Memoires lesen, ohne daß es mir ist, als waͤre ich allen diesen Handlungen zugegen gewesen?
Jch stelle mir sogleich alle Personen, die Lage des Orts, das Costume u.s.w. auf das Lebhafteste vor. Die la Valcère macht einen ganz anderen Eindruck auf mich, wie Dido. Jch denke mir diese mit Mitleiden, an jene, mit einer Art von Unruhe.
S. 67. Die Erinnerung an Farbe vorzugsweise vor andern externis ist nicht allgemein. Mir sind Farben in meiner Kindheit niemals aufgefallen. Jch kann vierzehn Tage lang die nehmliche Person in der nehmlichen Kleidung sehen, ohne
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/60 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/60>, abgerufen am 23.07.2024. |