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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791.

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berichtigen gelernt hat, hält ihn für würklich gebrochen, er betrügt sich also hierin. Nachdem aber ihm dieser Betrug entdeckt wird (durch Vorzeigung desselben ausser dem Wasser, oder Erklärung dieser Erscheinung nach den Gesetzen der Optik) so wird derselbe sogleich vernichtet. Er wird nicht mehr glauben daß der Stock im Wasser gebrochen sey, sondern daß er blos gebrochen zu seyn scheine.

Das durch einen Hohlspiegel in der Luft hervorgebrachte Bild eines Gegenstandes scheint der Gegenstand selbst zu seyn. Derjenige der entweder von dem Daseyn des Hohlspiegels oder von seinen Eigenschaften aus der Optik nichts weiß, wird das Bild für den Gegenstand selbst halten. Man kann ihn aber seines Jrrthums überführen wenn man ihn dasselbe befühlen läßt u.d.gl. mehr. Dieß sind Beispiele eines zu entdeckenden Betrugs, nicht aber der Täuschung. Was ist also Täuschung? Um diese Frage auflösen zu können sehe ich mich also gezwungen etwas weit auszuhohlen.

Jch habe schon bemerckt daß der Begriff eines besondern Objekts worauf sich die Vorstellung als Merkmaal beziehet, das sich aber selbst auf nichts ausser sich beziehet, eine Würkung der Association der Einbildungskraft ist, die verschiedene sinnliche Vorstellungen, wegen ihrer Verknüpfung in Zeit und Raum in ein einziges Objekt verknüpft; woraus nothwendig folgt, daß, indem Zeit und Raum das Band oder die Einheit dieses Mannig-


berichtigen gelernt hat, haͤlt ihn fuͤr wuͤrklich gebrochen, er betruͤgt sich also hierin. Nachdem aber ihm dieser Betrug entdeckt wird (durch Vorzeigung desselben ausser dem Wasser, oder Erklaͤrung dieser Erscheinung nach den Gesetzen der Optik) so wird derselbe sogleich vernichtet. Er wird nicht mehr glauben daß der Stock im Wasser gebrochen sey, sondern daß er blos gebrochen zu seyn scheine.

Das durch einen Hohlspiegel in der Luft hervorgebrachte Bild eines Gegenstandes scheint der Gegenstand selbst zu seyn. Derjenige der entweder von dem Daseyn des Hohlspiegels oder von seinen Eigenschaften aus der Optik nichts weiß, wird das Bild fuͤr den Gegenstand selbst halten. Man kann ihn aber seines Jrrthums uͤberfuͤhren wenn man ihn dasselbe befuͤhlen laͤßt u.d.gl. mehr. Dieß sind Beispiele eines zu entdeckenden Betrugs, nicht aber der Taͤuschung. Was ist also Taͤuschung? Um diese Frage aufloͤsen zu koͤnnen sehe ich mich also gezwungen etwas weit auszuhohlen.

Jch habe schon bemerckt daß der Begriff eines besondern Objekts worauf sich die Vorstellung als Merkmaal beziehet, das sich aber selbst auf nichts ausser sich beziehet, eine Wuͤrkung der Association der Einbildungskraft ist, die verschiedene sinnliche Vorstellungen, wegen ihrer Verknuͤpfung in Zeit und Raum in ein einziges Objekt verknuͤpft; woraus nothwendig folgt, daß, indem Zeit und Raum das Band oder die Einheit dieses Mannig-

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[42/0042] berichtigen gelernt hat, haͤlt ihn fuͤr wuͤrklich gebrochen, er betruͤgt sich also hierin. Nachdem aber ihm dieser Betrug entdeckt wird (durch Vorzeigung desselben ausser dem Wasser, oder Erklaͤrung dieser Erscheinung nach den Gesetzen der Optik) so wird derselbe sogleich vernichtet. Er wird nicht mehr glauben daß der Stock im Wasser gebrochen sey, sondern daß er blos gebrochen zu seyn scheine. Das durch einen Hohlspiegel in der Luft hervorgebrachte Bild eines Gegenstandes scheint der Gegenstand selbst zu seyn. Derjenige der entweder von dem Daseyn des Hohlspiegels oder von seinen Eigenschaften aus der Optik nichts weiß, wird das Bild fuͤr den Gegenstand selbst halten. Man kann ihn aber seines Jrrthums uͤberfuͤhren wenn man ihn dasselbe befuͤhlen laͤßt u.d.gl. mehr. Dieß sind Beispiele eines zu entdeckenden Betrugs, nicht aber der Taͤuschung. Was ist also Taͤuschung? Um diese Frage aufloͤsen zu koͤnnen sehe ich mich also gezwungen etwas weit auszuhohlen. Jch habe schon bemerckt daß der Begriff eines besondern Objekts worauf sich die Vorstellung als Merkmaal beziehet, das sich aber selbst auf nichts ausser sich beziehet, eine Wuͤrkung der Association der Einbildungskraft ist, die verschiedene sinnliche Vorstellungen, wegen ihrer Verknuͤpfung in Zeit und Raum in ein einziges Objekt verknuͤpft; woraus nothwendig folgt, daß, indem Zeit und Raum das Band oder die Einheit dieses Mannig-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 3. Berlin, 1791, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0803_1791/42>, abgerufen am 26.04.2024.