Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791.Diese lieh er sich, und das war denn seine erste sogenannte moralische Lektüre wieder. Zwar eine Lektüre, die nach seinem sonstigen System verdammlich war, worin er aber jetzt in allem Betrachte weit mehr wieder fand, als er an der vorhergehenden verlohren hatte. Er laß jetzt diese Schriften aber nicht sowohl, um nur Trost und Erquickung in seinem Leiden daraus zu schöpfen, sondern vielmehr um sich daraus zu belehren, was er als ein rechtschaffener Mann dabei zu thun habe. Und dieses Ziels verfehlte er auch nicht. Hierin wurde ihm der Mensch in seiner wahren Gestalt und Würde gezeigt, hieraus lernte er einsehen, daß der Mensch keinesweges ein solches Wesen sey, das Ursache habe sich selber für nichts zu achten. -- Gleich das erste Stück dieser periodischen Schrift enthielt eine allgemeine Betrachtung über den Menschen, und was derselbe vermöge, und wie die Werke des Alterthums in Künsten und Wissenschaften zeigten, daß der Mensch nicht allein selbst seiner vorzüglichen Betrachtung werth, sondern sogar über sich selbst erhaben, ja unsterblich zu nennen sey. Dies war nun auf eine solche einleuchtende und einnehmende Art geschrieben, daß N.... sehr bald einen großen Unterschied zwischen dieser und der vorhergehenden Lektüre fühlen mußte. Diese lieh er sich, und das war denn seine erste sogenannte moralische Lektuͤre wieder. Zwar eine Lektuͤre, die nach seinem sonstigen System verdammlich war, worin er aber jetzt in allem Betrachte weit mehr wieder fand, als er an der vorhergehenden verlohren hatte. Er laß jetzt diese Schriften aber nicht sowohl, um nur Trost und Erquickung in seinem Leiden daraus zu schoͤpfen, sondern vielmehr um sich daraus zu belehren, was er als ein rechtschaffener Mann dabei zu thun habe. Und dieses Ziels verfehlte er auch nicht. Hierin wurde ihm der Mensch in seiner wahren Gestalt und Wuͤrde gezeigt, hieraus lernte er einsehen, daß der Mensch keinesweges ein solches Wesen sey, das Ursache habe sich selber fuͤr nichts zu achten. — Gleich das erste Stuͤck dieser periodischen Schrift enthielt eine allgemeine Betrachtung uͤber den Menschen, und was derselbe vermoͤge, und wie die Werke des Alterthums in Kuͤnsten und Wissenschaften zeigten, daß der Mensch nicht allein selbst seiner vorzuͤglichen Betrachtung werth, sondern sogar uͤber sich selbst erhaben, ja unsterblich zu nennen sey. Dies war nun auf eine solche einleuchtende und einnehmende Art geschrieben, daß N.... sehr bald einen großen Unterschied zwischen dieser und der vorhergehenden Lektuͤre fuͤhlen mußte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0076" n="76"/><lb/> <p>Diese lieh er sich, und das war denn seine erste sogenannte moralische Lektuͤre wieder. Zwar eine Lektuͤre, die nach seinem sonstigen System verdammlich war, worin er aber jetzt in allem Betrachte weit mehr wieder fand, als er an der vorhergehenden verlohren hatte.</p> <p>Er laß jetzt diese Schriften aber nicht sowohl, um nur <hi rendition="#b">Trost</hi> und <hi rendition="#b">Erquickung</hi> in seinem Leiden daraus zu schoͤpfen, sondern vielmehr um sich daraus zu belehren, was er als ein rechtschaffener Mann dabei zu <hi rendition="#b">thun</hi> habe. Und dieses Ziels verfehlte er auch nicht. </p> <p>Hierin wurde ihm der Mensch in seiner wahren Gestalt und Wuͤrde gezeigt, hieraus lernte er einsehen, daß der Mensch keinesweges ein solches Wesen sey, das Ursache habe sich selber fuͤr nichts zu achten. — </p> <p>Gleich das erste Stuͤck dieser periodischen Schrift enthielt eine allgemeine Betrachtung uͤber den Menschen, und was derselbe vermoͤge, und wie die Werke des Alterthums in Kuͤnsten und Wissenschaften zeigten, daß der Mensch nicht allein selbst seiner vorzuͤglichen Betrachtung werth, sondern sogar uͤber sich selbst erhaben, ja unsterblich zu nennen sey. Dies war nun auf eine solche einleuchtende und einnehmende Art geschrieben, daß N.... sehr bald einen großen Unterschied zwischen dieser und der vorhergehenden Lektuͤre fuͤhlen mußte.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [76/0076]
Diese lieh er sich, und das war denn seine erste sogenannte moralische Lektuͤre wieder. Zwar eine Lektuͤre, die nach seinem sonstigen System verdammlich war, worin er aber jetzt in allem Betrachte weit mehr wieder fand, als er an der vorhergehenden verlohren hatte.
Er laß jetzt diese Schriften aber nicht sowohl, um nur Trost und Erquickung in seinem Leiden daraus zu schoͤpfen, sondern vielmehr um sich daraus zu belehren, was er als ein rechtschaffener Mann dabei zu thun habe. Und dieses Ziels verfehlte er auch nicht.
Hierin wurde ihm der Mensch in seiner wahren Gestalt und Wuͤrde gezeigt, hieraus lernte er einsehen, daß der Mensch keinesweges ein solches Wesen sey, das Ursache habe sich selber fuͤr nichts zu achten. —
Gleich das erste Stuͤck dieser periodischen Schrift enthielt eine allgemeine Betrachtung uͤber den Menschen, und was derselbe vermoͤge, und wie die Werke des Alterthums in Kuͤnsten und Wissenschaften zeigten, daß der Mensch nicht allein selbst seiner vorzuͤglichen Betrachtung werth, sondern sogar uͤber sich selbst erhaben, ja unsterblich zu nennen sey. Dies war nun auf eine solche einleuchtende und einnehmende Art geschrieben, daß N.... sehr bald einen großen Unterschied zwischen dieser und der vorhergehenden Lektuͤre fuͤhlen mußte.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/76>, abgerufen am 16.02.2025. |