Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Er setzte diese neue Lektüre nun fleißig fort, und befand sich sehr wohl dabei, denn er machte sich nach derselben die feste Regel: in seinem leidenden Zustande weder die Geduld zu verlieren, noch seine Kräfte, sich daraus zu reißen, sinken zu lassen.

Aber das Unterscheidungsvermögen, welches ihn einen Unterschied zwischen der vorherigen und nunmehrigen Lektüre hatte bemerken lassen, ließ ihn nach gerade auch einen Unterschied in Ansehung der verschiedenen Materien dieser neuen Lektüre verspüren.

Er glaubte nehmlich eine gewisse Schwäche der Schreibart zu bemerken, wenn von theologischen Dingen die Rede darin war, und hingegen eine gewisse Kraft, wenn andere Dinge die Gegenstände waren.

Er las nun mehrere dieser Art Schriften, und bekam unter andern auch Gellerts Fabeln, und nach diesen desselben geistliche Oden in die Hände. Auch in Ansehung dieser glaubte er die nehmliche Bemerkung zu machen, indem seinem Gefühle nach, in Betracht der letztern, ein gewisser Mangel von einleuchtender Wahrheit herrschte.

Aber nun kam es bei ihm darauf an, was das einzige Wahre denn eigentlich sey; denn er glaubte doch nun einmal etwas haben zu müssen, welches vor allen Dingen werth wäre, daß man alle Gedanken und sein ganzes Bestreben darauf richte.



Er setzte diese neue Lektuͤre nun fleißig fort, und befand sich sehr wohl dabei, denn er machte sich nach derselben die feste Regel: in seinem leidenden Zustande weder die Geduld zu verlieren, noch seine Kraͤfte, sich daraus zu reißen, sinken zu lassen.

Aber das Unterscheidungsvermoͤgen, welches ihn einen Unterschied zwischen der vorherigen und nunmehrigen Lektuͤre hatte bemerken lassen, ließ ihn nach gerade auch einen Unterschied in Ansehung der verschiedenen Materien dieser neuen Lektuͤre verspuͤren.

Er glaubte nehmlich eine gewisse Schwaͤche der Schreibart zu bemerken, wenn von theologischen Dingen die Rede darin war, und hingegen eine gewisse Kraft, wenn andere Dinge die Gegenstaͤnde waren.

Er las nun mehrere dieser Art Schriften, und bekam unter andern auch Gellerts Fabeln, und nach diesen desselben geistliche Oden in die Haͤnde. Auch in Ansehung dieser glaubte er die nehmliche Bemerkung zu machen, indem seinem Gefuͤhle nach, in Betracht der letztern, ein gewisser Mangel von einleuchtender Wahrheit herrschte.

Aber nun kam es bei ihm darauf an, was das einzige Wahre denn eigentlich sey; denn er glaubte doch nun einmal etwas haben zu muͤssen, welches vor allen Dingen werth waͤre, daß man alle Gedanken und sein ganzes Bestreben darauf richte.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0077" n="77"/><lb/>
            <p>Er setzte diese neue Lektu&#x0364;re nun fleißig fort, und befand sich sehr wohl                         dabei, denn er machte sich nach derselben die feste Regel: in seinem                         leidenden Zustande weder die Geduld zu verlieren, noch seine Kra&#x0364;fte, sich                         daraus zu reißen, sinken zu lassen.</p>
            <p>Aber das Unterscheidungsvermo&#x0364;gen, welches ihn einen Unterschied zwischen der                         vorherigen und nunmehrigen Lektu&#x0364;re hatte bemerken lassen, ließ ihn nach                         gerade auch einen Unterschied in Ansehung der verschiedenen Materien dieser                         neuen Lektu&#x0364;re verspu&#x0364;ren. </p>
            <p>Er glaubte nehmlich eine gewisse Schwa&#x0364;che der Schreibart zu bemerken, wenn                         von theologischen Dingen die Rede darin war, und hingegen eine gewisse                         Kraft, wenn andere Dinge die Gegensta&#x0364;nde waren. </p>
            <p>Er las nun mehrere dieser Art Schriften, und bekam unter andern auch Gellerts                         Fabeln, und nach diesen desselben geistliche Oden in die Ha&#x0364;nde. Auch in                         Ansehung dieser glaubte er die nehmliche Bemerkung zu machen, indem seinem                         Gefu&#x0364;hle nach, in Betracht der letztern, ein gewisser Mangel von                         einleuchtender Wahrheit herrschte. </p>
            <p>Aber nun kam es bei ihm darauf an, was das einzige Wahre denn eigentlich sey;                         denn er glaubte doch nun einmal etwas haben zu mu&#x0364;ssen, welches vor allen                         Dingen werth wa&#x0364;re, daß man alle Gedanken und sein ganzes Bestreben darauf                         richte. </p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0077] Er setzte diese neue Lektuͤre nun fleißig fort, und befand sich sehr wohl dabei, denn er machte sich nach derselben die feste Regel: in seinem leidenden Zustande weder die Geduld zu verlieren, noch seine Kraͤfte, sich daraus zu reißen, sinken zu lassen. Aber das Unterscheidungsvermoͤgen, welches ihn einen Unterschied zwischen der vorherigen und nunmehrigen Lektuͤre hatte bemerken lassen, ließ ihn nach gerade auch einen Unterschied in Ansehung der verschiedenen Materien dieser neuen Lektuͤre verspuͤren. Er glaubte nehmlich eine gewisse Schwaͤche der Schreibart zu bemerken, wenn von theologischen Dingen die Rede darin war, und hingegen eine gewisse Kraft, wenn andere Dinge die Gegenstaͤnde waren. Er las nun mehrere dieser Art Schriften, und bekam unter andern auch Gellerts Fabeln, und nach diesen desselben geistliche Oden in die Haͤnde. Auch in Ansehung dieser glaubte er die nehmliche Bemerkung zu machen, indem seinem Gefuͤhle nach, in Betracht der letztern, ein gewisser Mangel von einleuchtender Wahrheit herrschte. Aber nun kam es bei ihm darauf an, was das einzige Wahre denn eigentlich sey; denn er glaubte doch nun einmal etwas haben zu muͤssen, welches vor allen Dingen werth waͤre, daß man alle Gedanken und sein ganzes Bestreben darauf richte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/77
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0802_1791/77>, abgerufen am 22.11.2024.