Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 8, St. 2. Berlin, 1791.
Aber dies geschahe nicht, sondern er hütete sich um so viel mehr vor Fehltritten, da dasjenige, was ihn sonst wieder darüber beruhigen konnte, jetzt von ihm bezweifelt wurde. Auf solche Art lebte er nun wohl ein paar Jahre fort, da er sich denn endlich entschloß, ein gutes moralisches Buch zu lesen, nachdem er vorher noch einen Brief von einem seiner alten mystischen Freunde erhielt, welcher ihm unter andern schrieb: "Jch lebe so in der Stille hin, und gebe mich in Glaubenssachen fast gar nicht bloß. Wenn ich mich aber an die vorigen Zeiten erinnere, so scheinen mir die damaligen Meinungen mehrentheils mit starken Einbildungen verwebt gewesen zu seyn." Derselbe hatte ihm schon einmal wegen eines seiner Söhne geschrieben: "Jhr C.... wird wohl schwerlich in der guten Gesinnung gegen der Madam Guion Schriften (dies waren die erwähnten mystischen Schriften) bleiben, denn man findet jetzt fast gar keine, so etwas davon halten, auch die besten nicht, wenn die Jahre zunehmen, so verändert sich dieses alles." -- Was nun aber seinen Entschluß, ein gutes moralisches Buch zu lesen, betrift, so besaß ein guter Bekannter von ihm einige Bände von einer gesammelten periodischen Schrift, der Mensch betitelt.
Aber dies geschahe nicht, sondern er huͤtete sich um so viel mehr vor Fehltritten, da dasjenige, was ihn sonst wieder daruͤber beruhigen konnte, jetzt von ihm bezweifelt wurde. Auf solche Art lebte er nun wohl ein paar Jahre fort, da er sich denn endlich entschloß, ein gutes moralisches Buch zu lesen, nachdem er vorher noch einen Brief von einem seiner alten mystischen Freunde erhielt, welcher ihm unter andern schrieb: »Jch lebe so in der Stille hin, und gebe mich in Glaubenssachen fast gar nicht bloß. Wenn ich mich aber an die vorigen Zeiten erinnere, so scheinen mir die damaligen Meinungen mehrentheils mit starken Einbildungen verwebt gewesen zu seyn.« Derselbe hatte ihm schon einmal wegen eines seiner Soͤhne geschrieben: »Jhr C.... wird wohl schwerlich in der guten Gesinnung gegen der Madam Guion Schriften (dies waren die erwaͤhnten mystischen Schriften) bleiben, denn man findet jetzt fast gar keine, so etwas davon halten, auch die besten nicht, wenn die Jahre zunehmen, so veraͤndert sich dieses alles.« — Was nun aber seinen Entschluß, ein gutes moralisches Buch zu lesen, betrift, so besaß ein guter Bekannter von ihm einige Baͤnde von einer gesammelten periodischen Schrift, der Mensch betitelt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0075" n="75"/><lb/> koͤnnen, daß es fuͤr ihn und seine Familie weit besser gewesen, wenn er ein Mystiker geblieben waͤre. </p> <p>Aber dies geschahe nicht, sondern er huͤtete sich um so viel mehr vor Fehltritten, da dasjenige, was ihn sonst wieder daruͤber beruhigen konnte, jetzt von ihm bezweifelt wurde. </p> <p>Auf solche Art lebte er nun wohl ein paar Jahre fort, da er sich denn endlich entschloß, ein gutes moralisches Buch zu lesen, nachdem er vorher noch einen Brief von einem seiner alten mystischen Freunde erhielt, welcher ihm unter andern schrieb: »Jch lebe so in der Stille hin, und gebe mich in Glaubenssachen fast gar nicht bloß. Wenn ich mich aber an die vorigen Zeiten erinnere, so scheinen mir die damaligen Meinungen mehrentheils mit starken Einbildungen verwebt gewesen zu seyn.« </p> <p>Derselbe hatte ihm schon einmal wegen eines seiner Soͤhne geschrieben: »Jhr C.... wird wohl schwerlich in der guten Gesinnung gegen der Madam <hi rendition="#b"><persName ref="#ref12"><note type="editorial">Madame Guyon</note>Guion</persName></hi> Schriften (dies waren die erwaͤhnten mystischen Schriften) bleiben, denn man findet jetzt fast gar keine, so etwas davon halten, auch die besten nicht, wenn die Jahre zunehmen, so veraͤndert sich dieses alles.« — </p> <p>Was nun aber seinen Entschluß, ein gutes moralisches Buch zu lesen, betrift, so besaß ein guter Bekannter von ihm einige Baͤnde von einer gesammelten periodischen Schrift, <hi rendition="#b">der Mensch</hi> betitelt. </p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [75/0075]
koͤnnen, daß es fuͤr ihn und seine Familie weit besser gewesen, wenn er ein Mystiker geblieben waͤre.
Aber dies geschahe nicht, sondern er huͤtete sich um so viel mehr vor Fehltritten, da dasjenige, was ihn sonst wieder daruͤber beruhigen konnte, jetzt von ihm bezweifelt wurde.
Auf solche Art lebte er nun wohl ein paar Jahre fort, da er sich denn endlich entschloß, ein gutes moralisches Buch zu lesen, nachdem er vorher noch einen Brief von einem seiner alten mystischen Freunde erhielt, welcher ihm unter andern schrieb: »Jch lebe so in der Stille hin, und gebe mich in Glaubenssachen fast gar nicht bloß. Wenn ich mich aber an die vorigen Zeiten erinnere, so scheinen mir die damaligen Meinungen mehrentheils mit starken Einbildungen verwebt gewesen zu seyn.«
Derselbe hatte ihm schon einmal wegen eines seiner Soͤhne geschrieben: »Jhr C.... wird wohl schwerlich in der guten Gesinnung gegen der Madam Guion Schriften (dies waren die erwaͤhnten mystischen Schriften) bleiben, denn man findet jetzt fast gar keine, so etwas davon halten, auch die besten nicht, wenn die Jahre zunehmen, so veraͤndert sich dieses alles.« —
Was nun aber seinen Entschluß, ein gutes moralisches Buch zu lesen, betrift, so besaß ein guter Bekannter von ihm einige Baͤnde von einer gesammelten periodischen Schrift, der Mensch betitelt.
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