Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite


eine sichre Folge, sobald man der Wahrheit um ihrer selbst willen näher zu kommen sucht. --

Durch solche Revisionen aber, wie die obigen, wird dies Werk zu einer blos moralischen Schrift, wo gegen dasjenige im eigentlichen Sinn geeifert wird, wovon man glaubt, daß der Glaube daran den Menschen schädlich seyn könne. --

Es giebt eine Sucht, viele Dinge leicht erklärlich zu finden, eben so wie es eine Sucht giebt, viele Dinge unerklärlich zu finden -- und man fällt sehr leicht von einem Extrem aufs andere. --

Freilich muß am Ende sich alles natürlich erklären lassen, weil es nicht wohl anders, als natürlich seyn kann, aber welcher einzelne Mensch umfaßt die Natur mit seinen Gedanken, die von aller Menschen Gedanken noch nicht umfaßt worden ist?

Der zu schnelle Ausruf, bei irgend einer sonderbaren psychologischen Erscheinung: das läßt sich ja ganz natürlich erklären! ist immer schon verdächtig, weil der Erklärer seiner Sache zu gewiß ist, und fest zu glauben scheint, daß seinem alleserforschenden schnellen Blick kein wichtiger Umstand entgehen könne. --

Die Revisionen über die gesammleten Fakta in einem Magazin zur Erfahrungsseelenkunde sind nicht dazu, um diese Fakta nur größtentheils als leere Einbildungen kurz abzufertigen, damit ja dem Aberglauben entgegen gearbeitet werde. Das ge-


eine sichre Folge, sobald man der Wahrheit um ihrer selbst willen naͤher zu kommen sucht. —

Durch solche Revisionen aber, wie die obigen, wird dies Werk zu einer blos moralischen Schrift, wo gegen dasjenige im eigentlichen Sinn geeifert wird, wovon man glaubt, daß der Glaube daran den Menschen schaͤdlich seyn koͤnne. —

Es giebt eine Sucht, viele Dinge leicht erklaͤrlich zu finden, eben so wie es eine Sucht giebt, viele Dinge unerklaͤrlich zu finden — und man faͤllt sehr leicht von einem Extrem aufs andere. —

Freilich muß am Ende sich alles natuͤrlich erklaͤren lassen, weil es nicht wohl anders, als natuͤrlich seyn kann, aber welcher einzelne Mensch umfaßt die Natur mit seinen Gedanken, die von aller Menschen Gedanken noch nicht umfaßt worden ist?

Der zu schnelle Ausruf, bei irgend einer sonderbaren psychologischen Erscheinung: das laͤßt sich ja ganz natuͤrlich erklaͤren! ist immer schon verdaͤchtig, weil der Erklaͤrer seiner Sache zu gewiß ist, und fest zu glauben scheint, daß seinem alleserforschenden schnellen Blick kein wichtiger Umstand entgehen koͤnne. —

Die Revisionen uͤber die gesammleten Fakta in einem Magazin zur Erfahrungsseelenkunde sind nicht dazu, um diese Fakta nur groͤßtentheils als leere Einbildungen kurz abzufertigen, damit ja dem Aberglauben entgegen gearbeitet werde. Das ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0004" n="4"/><lb/>
eine sichre <hi rendition="#b">Folge,</hi> sobald man der Wahrheit <hi rendition="#b">um ihrer selbst willen</hi> na&#x0364;her zu kommen sucht. &#x2014;</p>
          <p>Durch solche Revisionen aber, wie die obigen, wird dies Werk zu einer blos                         moralischen Schrift, wo gegen dasjenige im eigentlichen Sinn geeifert wird,                         wovon man glaubt, daß der Glaube daran den Menschen scha&#x0364;dlich seyn ko&#x0364;nne.                         &#x2014;</p>
          <p>Es giebt eine Sucht, viele Dinge leicht erkla&#x0364;rlich zu finden, eben so wie es                         eine Sucht giebt, viele Dinge unerkla&#x0364;rlich zu finden &#x2014; und man fa&#x0364;llt sehr                         leicht von einem Extrem aufs andere. &#x2014;</p>
          <p>Freilich muß am Ende sich alles natu&#x0364;rlich erkla&#x0364;ren lassen, weil es nicht wohl                         anders, als <hi rendition="#b">natu&#x0364;rlich</hi> seyn kann, aber welcher                         einzelne Mensch umfaßt die Natur mit seinen Gedanken, die von aller Menschen                         Gedanken noch nicht umfaßt worden ist?</p>
          <p>Der zu schnelle Ausruf, bei irgend einer sonderbaren psychologischen                         Erscheinung: <hi rendition="#b">das la&#x0364;ßt sich ja ganz natu&#x0364;rlich                             erkla&#x0364;ren!</hi> ist immer schon verda&#x0364;chtig, weil der Erkla&#x0364;rer seiner                         Sache zu gewiß ist, und fest zu glauben scheint, daß seinem                         alleserforschenden schnellen Blick kein wichtiger Umstand entgehen ko&#x0364;nne.                         &#x2014;</p>
          <p>Die Revisionen u&#x0364;ber die gesammleten Fakta in einem Magazin zur                         Erfahrungsseelenkunde sind nicht dazu, um diese Fakta nur gro&#x0364;ßtentheils als                         leere Einbildungen kurz abzufertigen, damit ja dem Aberglauben entgegen                         gearbeitet werde. Das ge-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4/0004] eine sichre Folge, sobald man der Wahrheit um ihrer selbst willen naͤher zu kommen sucht. — Durch solche Revisionen aber, wie die obigen, wird dies Werk zu einer blos moralischen Schrift, wo gegen dasjenige im eigentlichen Sinn geeifert wird, wovon man glaubt, daß der Glaube daran den Menschen schaͤdlich seyn koͤnne. — Es giebt eine Sucht, viele Dinge leicht erklaͤrlich zu finden, eben so wie es eine Sucht giebt, viele Dinge unerklaͤrlich zu finden — und man faͤllt sehr leicht von einem Extrem aufs andere. — Freilich muß am Ende sich alles natuͤrlich erklaͤren lassen, weil es nicht wohl anders, als natuͤrlich seyn kann, aber welcher einzelne Mensch umfaßt die Natur mit seinen Gedanken, die von aller Menschen Gedanken noch nicht umfaßt worden ist? Der zu schnelle Ausruf, bei irgend einer sonderbaren psychologischen Erscheinung: das laͤßt sich ja ganz natuͤrlich erklaͤren! ist immer schon verdaͤchtig, weil der Erklaͤrer seiner Sache zu gewiß ist, und fest zu glauben scheint, daß seinem alleserforschenden schnellen Blick kein wichtiger Umstand entgehen koͤnne. — Die Revisionen uͤber die gesammleten Fakta in einem Magazin zur Erfahrungsseelenkunde sind nicht dazu, um diese Fakta nur groͤßtentheils als leere Einbildungen kurz abzufertigen, damit ja dem Aberglauben entgegen gearbeitet werde. Das ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/4
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 3. Berlin, 1789, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0703_1789/4>, abgerufen am 22.11.2024.