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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.

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wie zu Anfange. Als diese Zufälle kaum eine Viertelstunde gedauert hatten, kam sie wieder zu sich, als aus einem tiefen Schlafe erwachend, und erkannte an dem Aussehen der Umstehenden, daß sie wieder müßte ihre Zufälle gehabt haben, die man ihr vorhin erzählet hatte; ward darüber so beschämt, daß sie den Rest des Tages geweinet; wuste aber von dem allen nichts, was indessen ihr geschehen war. Zu Ende des Maies verlohren sich diese Zufälle, ohne daß man solches den gebrauchten Mitteln zuschreiben konnte. Die Ader war ihr einmal am Arme, mehrmal am Fuße und siebenmal am Halse geöfnet worden. Sie hatte fünf bis sechs Abführungen aus dem Unterleibe gehabt; Man hatte ihr Opiata für den Magen gereicht, mit China, Zinnober u.s.w. Bei gelinderm Wetter hatte sie wohl zwanzigmal, mehr in kaltem als laulichtem Wasser, gebadet, und endlich viele aus Eisen bereitete Mittel gebraucht. Jch glaubte, daß sie gesund geworden, weil ich sie nicht wieder gesehen, bis den 10ten Hornung 1745, da hörte ich, daß sie alle Winter wieder solchen Schlafwanderungen unterworfen gewesen, doch ohne allemal mit verknüpften Erstarrungen und Unbeweglichkeit, noch gänzlicher Fühllosigkeit in ihren Bewegungen befallen zu werden. So war sie einmal auf einer Brücke von ihrer Noth befallen worden, und man hörte sie reden mit ihrem Bilde, das sie im Wasser erblicket hatte. Ein andermal hatte sie in den lezten


wie zu Anfange. Als diese Zufaͤlle kaum eine Viertelstunde gedauert hatten, kam sie wieder zu sich, als aus einem tiefen Schlafe erwachend, und erkannte an dem Aussehen der Umstehenden, daß sie wieder muͤßte ihre Zufaͤlle gehabt haben, die man ihr vorhin erzaͤhlet hatte; ward daruͤber so beschaͤmt, daß sie den Rest des Tages geweinet; wuste aber von dem allen nichts, was indessen ihr geschehen war. Zu Ende des Maies verlohren sich diese Zufaͤlle, ohne daß man solches den gebrauchten Mitteln zuschreiben konnte. Die Ader war ihr einmal am Arme, mehrmal am Fuße und siebenmal am Halse geoͤfnet worden. Sie hatte fuͤnf bis sechs Abfuͤhrungen aus dem Unterleibe gehabt; Man hatte ihr Opiata fuͤr den Magen gereicht, mit China, Zinnober u.s.w. Bei gelinderm Wetter hatte sie wohl zwanzigmal, mehr in kaltem als laulichtem Wasser, gebadet, und endlich viele aus Eisen bereitete Mittel gebraucht. Jch glaubte, daß sie gesund geworden, weil ich sie nicht wieder gesehen, bis den 10ten Hornung 1745, da hoͤrte ich, daß sie alle Winter wieder solchen Schlafwanderungen unterworfen gewesen, doch ohne allemal mit verknuͤpften Erstarrungen und Unbeweglichkeit, noch gaͤnzlicher Fuͤhllosigkeit in ihren Bewegungen befallen zu werden. So war sie einmal auf einer Bruͤcke von ihrer Noth befallen worden, und man hoͤrte sie reden mit ihrem Bilde, das sie im Wasser erblicket hatte. Ein andermal hatte sie in den lezten

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[85/0085] wie zu Anfange. Als diese Zufaͤlle kaum eine Viertelstunde gedauert hatten, kam sie wieder zu sich, als aus einem tiefen Schlafe erwachend, und erkannte an dem Aussehen der Umstehenden, daß sie wieder muͤßte ihre Zufaͤlle gehabt haben, die man ihr vorhin erzaͤhlet hatte; ward daruͤber so beschaͤmt, daß sie den Rest des Tages geweinet; wuste aber von dem allen nichts, was indessen ihr geschehen war. Zu Ende des Maies verlohren sich diese Zufaͤlle, ohne daß man solches den gebrauchten Mitteln zuschreiben konnte. Die Ader war ihr einmal am Arme, mehrmal am Fuße und siebenmal am Halse geoͤfnet worden. Sie hatte fuͤnf bis sechs Abfuͤhrungen aus dem Unterleibe gehabt; Man hatte ihr Opiata fuͤr den Magen gereicht, mit China, Zinnober u.s.w. Bei gelinderm Wetter hatte sie wohl zwanzigmal, mehr in kaltem als laulichtem Wasser, gebadet, und endlich viele aus Eisen bereitete Mittel gebraucht. Jch glaubte, daß sie gesund geworden, weil ich sie nicht wieder gesehen, bis den 10ten Hornung 1745, da hoͤrte ich, daß sie alle Winter wieder solchen Schlafwanderungen unterworfen gewesen, doch ohne allemal mit verknuͤpften Erstarrungen und Unbeweglichkeit, noch gaͤnzlicher Fuͤhllosigkeit in ihren Bewegungen befallen zu werden. So war sie einmal auf einer Bruͤcke von ihrer Noth befallen worden, und man hoͤrte sie reden mit ihrem Bilde, das sie im Wasser erblicket hatte. Ein andermal hatte sie in den lezten

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/85>, abgerufen am 01.05.2024.