Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite


hinter dem Hauptküssen werfen, darüber sie bei wachendem Zustande würde erschrocken seyn und gezittert haben. Aber jezt merkte sie nichts von allen weil sie nicht das geringste Zeichen gab, daß sie etwas davon vernommen hatte. Jch goß ihr in die Augen und in den Mund Franzbrantewein, und den Geist von Salmiack; in ihre Nase blies ich starken Spaniol; ich stach sie mit Stecknadeln; drehete ihr die Finger u.s.w. welches sie alles, als eine unbelebte Maschine oder Marionettenpuppe litte. Endlich berührte ich auch ihren Augapfel mit der Fahne einer Feder, und gar mit der Spitze des Fingers, ohne die geringste Anzeige einer Empfindung dadurch zu erhalten.

Da sie noch munterer und heftiger zu reden begann, sagten die, welche sie vorhin beobachtet hatten, nun würde sie bald singen und springen. Und in der That sang sie bald darauf, lachte überlaut, bemühete sich aus dem Bette zu kommen, sprang endlich heraus, und machte ein Freudengeschrei. Jch fürchtete, sie würde sich an die Bettstellen in dem Raume stoßen; allein sie hielt die Zwischengänge so gut, als ob sie wachte, vermied den Anstoß an Stühle und Bettstädte u.s.w. wandte geschikt um nach den andern Gängen zwischen den Bettstellen, und verschlagenen Kämmerlein, ohn alles Tappen oder Betasten der Oerter. Nachdem sie herum war, kehrte sie wieder zu ihrem Bette, legte sich, deckte sich zu, und erstarrete dann wieder,


hinter dem Hauptkuͤssen werfen, daruͤber sie bei wachendem Zustande wuͤrde erschrocken seyn und gezittert haben. Aber jezt merkte sie nichts von allen weil sie nicht das geringste Zeichen gab, daß sie etwas davon vernommen hatte. Jch goß ihr in die Augen und in den Mund Franzbrantewein, und den Geist von Salmiack; in ihre Nase blies ich starken Spaniol; ich stach sie mit Stecknadeln; drehete ihr die Finger u.s.w. welches sie alles, als eine unbelebte Maschine oder Marionettenpuppe litte. Endlich beruͤhrte ich auch ihren Augapfel mit der Fahne einer Feder, und gar mit der Spitze des Fingers, ohne die geringste Anzeige einer Empfindung dadurch zu erhalten.

Da sie noch munterer und heftiger zu reden begann, sagten die, welche sie vorhin beobachtet hatten, nun wuͤrde sie bald singen und springen. Und in der That sang sie bald darauf, lachte uͤberlaut, bemuͤhete sich aus dem Bette zu kommen, sprang endlich heraus, und machte ein Freudengeschrei. Jch fuͤrchtete, sie wuͤrde sich an die Bettstellen in dem Raume stoßen; allein sie hielt die Zwischengaͤnge so gut, als ob sie wachte, vermied den Anstoß an Stuͤhle und Bettstaͤdte u.s.w. wandte geschikt um nach den andern Gaͤngen zwischen den Bettstellen, und verschlagenen Kaͤmmerlein, ohn alles Tappen oder Betasten der Oerter. Nachdem sie herum war, kehrte sie wieder zu ihrem Bette, legte sich, deckte sich zu, und erstarrete dann wieder,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0084" n="84"/><lb/>
hinter dem Hauptku&#x0364;ssen werfen, daru&#x0364;ber sie bei                         wachendem Zustande wu&#x0364;rde erschrocken seyn und gezittert haben. Aber jezt                         merkte sie nichts von allen weil sie nicht das geringste Zeichen gab, daß                         sie etwas davon vernommen hatte. Jch goß ihr in die Augen und in den Mund                         Franzbrantewein, und den Geist von Salmiack; in ihre Nase blies ich starken                         Spaniol; ich stach sie mit Stecknadeln; drehete ihr die Finger u.s.w.                         welches sie alles, als eine unbelebte Maschine oder Marionettenpuppe litte.                         Endlich beru&#x0364;hrte ich auch ihren Augapfel mit der Fahne einer Feder, und gar                         mit der Spitze des Fingers, ohne die geringste Anzeige einer Empfindung                         dadurch zu erhalten.</p>
            <p>Da sie noch munterer und heftiger zu reden begann, sagten die, welche sie                         vorhin beobachtet hatten, nun wu&#x0364;rde sie bald singen und springen. Und in der                         That sang sie bald darauf, lachte u&#x0364;berlaut, bemu&#x0364;hete sich aus dem Bette zu                         kommen, sprang endlich heraus, und machte ein Freudengeschrei. Jch                         fu&#x0364;rchtete, sie wu&#x0364;rde sich an die Bettstellen in dem Raume stoßen; allein sie                         hielt die Zwischenga&#x0364;nge so gut, als ob sie wachte, vermied den Anstoß an                         Stu&#x0364;hle und Bettsta&#x0364;dte u.s.w. wandte geschikt um nach den andern Ga&#x0364;ngen                         zwischen den Bettstellen, und verschlagenen Ka&#x0364;mmerlein, ohn alles Tappen                         oder Betasten der Oerter. Nachdem sie herum war, kehrte sie wieder zu ihrem                         Bette, legte sich, deckte sich zu, und erstarrete dann wieder,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0084] hinter dem Hauptkuͤssen werfen, daruͤber sie bei wachendem Zustande wuͤrde erschrocken seyn und gezittert haben. Aber jezt merkte sie nichts von allen weil sie nicht das geringste Zeichen gab, daß sie etwas davon vernommen hatte. Jch goß ihr in die Augen und in den Mund Franzbrantewein, und den Geist von Salmiack; in ihre Nase blies ich starken Spaniol; ich stach sie mit Stecknadeln; drehete ihr die Finger u.s.w. welches sie alles, als eine unbelebte Maschine oder Marionettenpuppe litte. Endlich beruͤhrte ich auch ihren Augapfel mit der Fahne einer Feder, und gar mit der Spitze des Fingers, ohne die geringste Anzeige einer Empfindung dadurch zu erhalten. Da sie noch munterer und heftiger zu reden begann, sagten die, welche sie vorhin beobachtet hatten, nun wuͤrde sie bald singen und springen. Und in der That sang sie bald darauf, lachte uͤberlaut, bemuͤhete sich aus dem Bette zu kommen, sprang endlich heraus, und machte ein Freudengeschrei. Jch fuͤrchtete, sie wuͤrde sich an die Bettstellen in dem Raume stoßen; allein sie hielt die Zwischengaͤnge so gut, als ob sie wachte, vermied den Anstoß an Stuͤhle und Bettstaͤdte u.s.w. wandte geschikt um nach den andern Gaͤngen zwischen den Bettstellen, und verschlagenen Kaͤmmerlein, ohn alles Tappen oder Betasten der Oerter. Nachdem sie herum war, kehrte sie wieder zu ihrem Bette, legte sich, deckte sich zu, und erstarrete dann wieder,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/84
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0702_1789/84>, abgerufen am 01.05.2024.