Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 2. Berlin, 1789.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0035" n="35"/><lb/> und jeder dem er unbekannt ist, fuͤr sich einzunehmen weiß. Die Miene der Ehrbarkeit und wirklicher Rechtschaffenheit; sich mit einer Art von Wuͤrde in fremde Angelegenheiten zu mischen, sich hier und da bei Leuten nothwendig zu machen, ist eine Kunst, die er gruͤndlich studirt hat. An Beredsamkeit und rednerischen Wendungen ist er ausnehmend reich, und weiß sich dergestalt aus seinen verwickelsten Haͤndeln zu schwatzen, daß man in Zweifel geraͤth, ob er Engelrein oder schwarz wie das Haupt aller Lasterhaftigkeit sey. Den Obrigkeitlichen Personen hat er bereits manche Last gemacht. Jn seinem gemeinen Leben ist ihm Schande aller Art eine reiche Ehrenernte, und er bruͤstet sich wirklich mit Lastern, die der halbgesittete ohne zu erroͤthen nicht hoͤren kann. Es ist ihm sichtbare Freude, sich uͤber alle Scham so weit erhoben zu fuͤhlen, daß er schon mit ihr unbekannt geworden ist. Die schaͤndlichsten Thaten von ihm begangen sind in seinen Augen Heldenthaten, wenn er Parthey nimmt, macht er sich eine Ehre daraus, durch seine Eidschwuͤre die Sache seines Klienten durchsetzen zu helfen, und ist ihm in dem Fall eine Freude, wenn er wie angebothner Zeuge vor Gericht als ein solcher mitagiren und seiner Parthey dienen kann. Bei aller Gelegenheit ruͤhmt er seine Talente zu Lasterthaten, spricht von seinen genoßnen Lasterfreuden mit einer Ruhe und Delicatesse, und seine Seelenheiterkeit ist dabei so groß, daß mans ihm wirklich zuglauben sollte, er sey ohne alle Moralitaͤt<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [35/0035]
und jeder dem er unbekannt ist, fuͤr sich einzunehmen weiß. Die Miene der Ehrbarkeit und wirklicher Rechtschaffenheit; sich mit einer Art von Wuͤrde in fremde Angelegenheiten zu mischen, sich hier und da bei Leuten nothwendig zu machen, ist eine Kunst, die er gruͤndlich studirt hat. An Beredsamkeit und rednerischen Wendungen ist er ausnehmend reich, und weiß sich dergestalt aus seinen verwickelsten Haͤndeln zu schwatzen, daß man in Zweifel geraͤth, ob er Engelrein oder schwarz wie das Haupt aller Lasterhaftigkeit sey. Den Obrigkeitlichen Personen hat er bereits manche Last gemacht. Jn seinem gemeinen Leben ist ihm Schande aller Art eine reiche Ehrenernte, und er bruͤstet sich wirklich mit Lastern, die der halbgesittete ohne zu erroͤthen nicht hoͤren kann. Es ist ihm sichtbare Freude, sich uͤber alle Scham so weit erhoben zu fuͤhlen, daß er schon mit ihr unbekannt geworden ist. Die schaͤndlichsten Thaten von ihm begangen sind in seinen Augen Heldenthaten, wenn er Parthey nimmt, macht er sich eine Ehre daraus, durch seine Eidschwuͤre die Sache seines Klienten durchsetzen zu helfen, und ist ihm in dem Fall eine Freude, wenn er wie angebothner Zeuge vor Gericht als ein solcher mitagiren und seiner Parthey dienen kann. Bei aller Gelegenheit ruͤhmt er seine Talente zu Lasterthaten, spricht von seinen genoßnen Lasterfreuden mit einer Ruhe und Delicatesse, und seine Seelenheiterkeit ist dabei so groß, daß mans ihm wirklich zuglauben sollte, er sey ohne alle Moralitaͤt
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