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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.

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Da die zum Theil sehr merkwürdigen Erzählungen von Nachtwandlern in sehr vielen Schriften zerstreut liegen, ohne daß man grade daraus Folgerungen für die Seelenlehre gezogen und nach den Gesetzen unsrer Vorstellungen beleuchtet hätte, so werde ich nach und nach die wichtigsten Phänomene dieser Art sammeln und erläutern, und mit neuern Beobachtungen über jenen merkwürdigen Zustand der menschlichen Seele vermehren. Aus den Factis wird sichs selbst am deutlichsten ergeben, daß das Nachtwandeln aus einer Art wachenden Traume besteht, und sich genau nach den Erinnerungsgesetzen der Empfindungen richtet, die sich die Seele während des Wachens erworben hatte, daß sie aber auch hierbei mit einer größern Ordnung, als gewöhnlich im Traume zu Werke gehe, weil nicht die Einbildungskraft allein die Sensationen der Seele beim Nachtwandeln aneinander reihet.


Eins der merkwürdigsten Beispiele dieser Art befindet sich in den Act. Vratislav. 1725 Decemb. Class. IV.art. 7, welches mir um so viel wichtiger scheint, weil es den unwillkührlichen Mechanismus unsrer Jdeenverbindungen auch in dieser Art des Träumens sehr deutlich an den Tag legt, und es außer allen Zweifel setzt, daß der Nachtwandler nicht schläft,


Da die zum Theil sehr merkwuͤrdigen Erzaͤhlungen von Nachtwandlern in sehr vielen Schriften zerstreut liegen, ohne daß man grade daraus Folgerungen fuͤr die Seelenlehre gezogen und nach den Gesetzen unsrer Vorstellungen beleuchtet haͤtte, so werde ich nach und nach die wichtigsten Phaͤnomene dieser Art sammeln und erlaͤutern, und mit neuern Beobachtungen uͤber jenen merkwuͤrdigen Zustand der menschlichen Seele vermehren. Aus den Factis wird sichs selbst am deutlichsten ergeben, daß das Nachtwandeln aus einer Art wachenden Traume besteht, und sich genau nach den Erinnerungsgesetzen der Empfindungen richtet, die sich die Seele waͤhrend des Wachens erworben hatte, daß sie aber auch hierbei mit einer groͤßern Ordnung, als gewoͤhnlich im Traume zu Werke gehe, weil nicht die Einbildungskraft allein die Sensationen der Seele beim Nachtwandeln aneinander reihet.


Eins der merkwuͤrdigsten Beispiele dieser Art befindet sich in den Act. Vratislav. 1725 Decemb. Class. IV.art. 7, welches mir um so viel wichtiger scheint, weil es den unwillkuͤhrlichen Mechanismus unsrer Jdeenverbindungen auch in dieser Art des Traͤumens sehr deutlich an den Tag legt, und es außer allen Zweifel setzt, daß der Nachtwandler nicht schlaͤft,

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[85/0087] Da die zum Theil sehr merkwuͤrdigen Erzaͤhlungen von Nachtwandlern in sehr vielen Schriften zerstreut liegen, ohne daß man grade daraus Folgerungen fuͤr die Seelenlehre gezogen und nach den Gesetzen unsrer Vorstellungen beleuchtet haͤtte, so werde ich nach und nach die wichtigsten Phaͤnomene dieser Art sammeln und erlaͤutern, und mit neuern Beobachtungen uͤber jenen merkwuͤrdigen Zustand der menschlichen Seele vermehren. Aus den Factis wird sichs selbst am deutlichsten ergeben, daß das Nachtwandeln aus einer Art wachenden Traume besteht, und sich genau nach den Erinnerungsgesetzen der Empfindungen richtet, die sich die Seele waͤhrend des Wachens erworben hatte, daß sie aber auch hierbei mit einer groͤßern Ordnung, als gewoͤhnlich im Traume zu Werke gehe, weil nicht die Einbildungskraft allein die Sensationen der Seele beim Nachtwandeln aneinander reihet. Eins der merkwuͤrdigsten Beispiele dieser Art befindet sich in den Act. Vratislav. 1725 Decemb. Class. IV.art. 7, welches mir um so viel wichtiger scheint, weil es den unwillkuͤhrlichen Mechanismus unsrer Jdeenverbindungen auch in dieser Art des Traͤumens sehr deutlich an den Tag legt, und es außer allen Zweifel setzt, daß der Nachtwandler nicht schlaͤft,

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/87>, abgerufen am 06.05.2024.