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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.

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siognomik einen gewaltigen Schiffbruch leiden mußte, hatte von frühern Jahren an selbst in einem Stande, wo so leicht Ausschweifungen vorfallen, -- als Soldat, ein ehrbares, wenigstens nicht äußerlich schlechtes, Leben geführt. Er hatte sich als ein ehrlicher Bürger zu nähren gesucht, er hatte seinen Kindern eine gute moralische Erziehung geben lassen, er war der gefälligste Vater und Gatte gewesen, man konnte ihn keiner mit Wissen und Willen begangenen boshaften Handlung beschuldigen. -- Ein einziger Umstand erweckt in seiner sonst stillen Seele den schwarzen Keim zu einer schwarzen That. Das, was wir für eine Kleinigkeit halten würden, was aber dem ehrgeitzigen, lebenssatten Simmen wie ein Gebirge vorkam, über welches er nicht hinwegzusteigen vermochte.

Sein Schwager befindet sich in bessern äußern Umständen, wie er, -- dieß scheint die Anlage seines ganzen mörderischen Entschlusses gewesen zu seyn. -- Der Gedanke, daß er sich durch Arbeitsamkeit und Jndustrie auch wieder hinaufschwingen könne, kömmt ihm nicht in Sinn; -- du bist herabgesunken von deinem sonst etwas glänzenden Standpunkt -- bleibt immer der Hauptgedanke, dem er nicht mehr ausweichen kann, an diesen heften sich alle übrigen schwarzen Bilder seiner Seele an, und vermehren den Sturm seiner Leidenschaften. -- Am Ende wird die erstaunliche Kleinigkeit, eben dem gehaßten Schwager einige Thaler


siognomik einen gewaltigen Schiffbruch leiden mußte, hatte von fruͤhern Jahren an selbst in einem Stande, wo so leicht Ausschweifungen vorfallen, — als Soldat, ein ehrbares, wenigstens nicht aͤußerlich schlechtes, Leben gefuͤhrt. Er hatte sich als ein ehrlicher Buͤrger zu naͤhren gesucht, er hatte seinen Kindern eine gute moralische Erziehung geben lassen, er war der gefaͤlligste Vater und Gatte gewesen, man konnte ihn keiner mit Wissen und Willen begangenen boshaften Handlung beschuldigen. — Ein einziger Umstand erweckt in seiner sonst stillen Seele den schwarzen Keim zu einer schwarzen That. Das, was wir fuͤr eine Kleinigkeit halten wuͤrden, was aber dem ehrgeitzigen, lebenssatten Simmen wie ein Gebirge vorkam, uͤber welches er nicht hinwegzusteigen vermochte.

Sein Schwager befindet sich in bessern aͤußern Umstaͤnden, wie er, — dieß scheint die Anlage seines ganzen moͤrderischen Entschlusses gewesen zu seyn. — Der Gedanke, daß er sich durch Arbeitsamkeit und Jndustrie auch wieder hinaufschwingen koͤnne, koͤmmt ihm nicht in Sinn; — du bist herabgesunken von deinem sonst etwas glaͤnzenden Standpunkt — bleibt immer der Hauptgedanke, dem er nicht mehr ausweichen kann, an diesen heften sich alle uͤbrigen schwarzen Bilder seiner Seele an, und vermehren den Sturm seiner Leidenschaften. — Am Ende wird die erstaunliche Kleinigkeit, eben dem gehaßten Schwager einige Thaler

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[70/0072] siognomik einen gewaltigen Schiffbruch leiden mußte, hatte von fruͤhern Jahren an selbst in einem Stande, wo so leicht Ausschweifungen vorfallen, — als Soldat, ein ehrbares, wenigstens nicht aͤußerlich schlechtes, Leben gefuͤhrt. Er hatte sich als ein ehrlicher Buͤrger zu naͤhren gesucht, er hatte seinen Kindern eine gute moralische Erziehung geben lassen, er war der gefaͤlligste Vater und Gatte gewesen, man konnte ihn keiner mit Wissen und Willen begangenen boshaften Handlung beschuldigen. — Ein einziger Umstand erweckt in seiner sonst stillen Seele den schwarzen Keim zu einer schwarzen That. Das, was wir fuͤr eine Kleinigkeit halten wuͤrden, was aber dem ehrgeitzigen, lebenssatten Simmen wie ein Gebirge vorkam, uͤber welches er nicht hinwegzusteigen vermochte. Sein Schwager befindet sich in bessern aͤußern Umstaͤnden, wie er, — dieß scheint die Anlage seines ganzen moͤrderischen Entschlusses gewesen zu seyn. — Der Gedanke, daß er sich durch Arbeitsamkeit und Jndustrie auch wieder hinaufschwingen koͤnne, koͤmmt ihm nicht in Sinn; — du bist herabgesunken von deinem sonst etwas glaͤnzenden Standpunkt — bleibt immer der Hauptgedanke, dem er nicht mehr ausweichen kann, an diesen heften sich alle uͤbrigen schwarzen Bilder seiner Seele an, und vermehren den Sturm seiner Leidenschaften. — Am Ende wird die erstaunliche Kleinigkeit, eben dem gehaßten Schwager einige Thaler

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/72>, abgerufen am 06.05.2024.