Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.
Rüdgerodt war durch eine höchstfehlerhafte Erziehung, durch ein natürlich feindseliges Gemüth, durch eine Fühllosigkeit gegen alle moralische Principien schon früh ein Bösewicht geworden -- er verrichtete seine erschrecklichen Handlungen aus einer Art von Jnstinkt; sie waren ihm zur andern Natur geworden, -- seine Seele hatte einmal keine andre Richtung mehr, -- als die zum Laster. -- Allein ganz anders war der Fall bei Simmen. Dieser Mensch, an dessen vortreflichen, ehrlichen, großen und denkenden Gesicht die weissagende Phy-
Ruͤdgerodt war durch eine hoͤchstfehlerhafte Erziehung, durch ein natuͤrlich feindseliges Gemuͤth, durch eine Fuͤhllosigkeit gegen alle moralische Principien schon fruͤh ein Boͤsewicht geworden — er verrichtete seine erschrecklichen Handlungen aus einer Art von Jnstinkt; sie waren ihm zur andern Natur geworden, — seine Seele hatte einmal keine andre Richtung mehr, — als die zum Laster. — Allein ganz anders war der Fall bei Simmen. Dieser Mensch, an dessen vortreflichen, ehrlichen, großen und denkenden Gesicht die weissagende Phy- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0071" n="69"/><lb/> ten der Nacht; schuf sich durchs Verschließen seiner Fensterladen den Mittag in Mitternacht um; verriegelte sein Haus; sein Haus, ein Abgrund von Diebstahl und Mord, Mordgewehr, Diebswerkzeugen. — Lichtscheu, Menschenscheu, allein in sich vermauert, grub er in die Erde, in tiefe Kellermauern, in Dielen und Felder seine erstohlnen und erworbenen Schaͤtze; beschauete und zaͤhlte sie in einsamen Mitternaͤchten, wo ihn der Schlaf floh, das Gewissen die letzten Warnungen vergeblich noch versuchte. Mit dem Blicke der Unschuld bespritzt, tanzte er lachend am Hochzeittage der Frau, die er hernach am Grabe, da sie sich selbst, auf sein Geheiß, in seiner Gegenwart, unwissend bereitete, todtschlug. Er blieb gelassen bei den schrecklichsten Erwartungen und laͤchelte uͤber die Bosheiten, um derer Willen er sein verruchtes Leben auf dem Rade endigen mußte u.s.w.</p> <p><hi rendition="#b">Ruͤdgerodt</hi> war durch eine hoͤchstfehlerhafte Erziehung, durch ein natuͤrlich feindseliges Gemuͤth, durch eine Fuͤhllosigkeit gegen alle moralische Principien schon <hi rendition="#b">fruͤh</hi> ein Boͤsewicht geworden — er verrichtete seine erschrecklichen Handlungen aus einer Art von Jnstinkt; sie waren ihm zur andern Natur geworden, — seine Seele hatte einmal keine andre Richtung mehr, — als die zum Laster. — Allein ganz anders war der Fall bei <hi rendition="#b">Simmen.</hi> Dieser Mensch, an dessen vortreflichen, ehrlichen, großen und denkenden Gesicht die weissagende Phy-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [69/0071]
ten der Nacht; schuf sich durchs Verschließen seiner Fensterladen den Mittag in Mitternacht um; verriegelte sein Haus; sein Haus, ein Abgrund von Diebstahl und Mord, Mordgewehr, Diebswerkzeugen. — Lichtscheu, Menschenscheu, allein in sich vermauert, grub er in die Erde, in tiefe Kellermauern, in Dielen und Felder seine erstohlnen und erworbenen Schaͤtze; beschauete und zaͤhlte sie in einsamen Mitternaͤchten, wo ihn der Schlaf floh, das Gewissen die letzten Warnungen vergeblich noch versuchte. Mit dem Blicke der Unschuld bespritzt, tanzte er lachend am Hochzeittage der Frau, die er hernach am Grabe, da sie sich selbst, auf sein Geheiß, in seiner Gegenwart, unwissend bereitete, todtschlug. Er blieb gelassen bei den schrecklichsten Erwartungen und laͤchelte uͤber die Bosheiten, um derer Willen er sein verruchtes Leben auf dem Rade endigen mußte u.s.w.
Ruͤdgerodt war durch eine hoͤchstfehlerhafte Erziehung, durch ein natuͤrlich feindseliges Gemuͤth, durch eine Fuͤhllosigkeit gegen alle moralische Principien schon fruͤh ein Boͤsewicht geworden — er verrichtete seine erschrecklichen Handlungen aus einer Art von Jnstinkt; sie waren ihm zur andern Natur geworden, — seine Seele hatte einmal keine andre Richtung mehr, — als die zum Laster. — Allein ganz anders war der Fall bei Simmen. Dieser Mensch, an dessen vortreflichen, ehrlichen, großen und denkenden Gesicht die weissagende Phy-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/71>, abgerufen am 28.07.2024. |