Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.
"Anderthalb Stunden brauchte der Unglückliche, nach seinem eigenen Bekenntniß, zu einem ihm höchst bekannten Wege, von einer kleinen halben Stunde; ein Umstand, der nicht zu erklären steht, wenn wir uns nicht vorstellen, daß ihn der Sturm seiner Affecten und der Kampf in seiner Seele mehrmals aufgehalten und zum Stillstehen gebracht habe. Sehr sonderbar ist folgendes Geständniß des unglücklichen Mannes: Jch würde, sagte er, wenigstens diesmal, vielleicht aber auch aufs künftige, mich bedacht haben, und von meinem Vorhaben abgestanden seyn, wenn mir jemand beim Weggehen aus meinem Hause, oder ein Wächter auf der Straße begegnet wäre, oder ich bei der Einlassung in das Mordhaus einige Schwierigkeiten gefunden hätte. Aber selbst den Zufall, daß ihm nichts hinderlich gewesen sey, nahm der Unglückliche als ein Kennzeichen an, daß sein Vorhaben ein Verhängniß sey, ja noch damals, wie ich ihn dieses habe erzählen hören, suchte er darin eine heimliche Entschuldigung seines Verbrechens, die mir bedenklich war." "Simmen taumelte aber nun dahin, wo er die Verbrechen begehen wollte, so schwankend, so
»Anderthalb Stunden brauchte der Ungluͤckliche, nach seinem eigenen Bekenntniß, zu einem ihm hoͤchst bekannten Wege, von einer kleinen halben Stunde; ein Umstand, der nicht zu erklaͤren steht, wenn wir uns nicht vorstellen, daß ihn der Sturm seiner Affecten und der Kampf in seiner Seele mehrmals aufgehalten und zum Stillstehen gebracht habe. Sehr sonderbar ist folgendes Gestaͤndniß des ungluͤcklichen Mannes: Jch wuͤrde, sagte er, wenigstens diesmal, vielleicht aber auch aufs kuͤnftige, mich bedacht haben, und von meinem Vorhaben abgestanden seyn, wenn mir jemand beim Weggehen aus meinem Hause, oder ein Waͤchter auf der Straße begegnet waͤre, oder ich bei der Einlassung in das Mordhaus einige Schwierigkeiten gefunden haͤtte. Aber selbst den Zufall, daß ihm nichts hinderlich gewesen sey, nahm der Ungluͤckliche als ein Kennzeichen an, daß sein Vorhaben ein Verhaͤngniß sey, ja noch damals, wie ich ihn dieses habe erzaͤhlen hoͤren, suchte er darin eine heimliche Entschuldigung seines Verbrechens, die mir bedenklich war.« »Simmen taumelte aber nun dahin, wo er die Verbrechen begehen wollte, so schwankend, so <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0045" n="43"/><lb/> Bildes erzaͤhlte, gegen eilf Uhr ploͤtzlich und <hi rendition="#b">voll von einer Wuth auf, die ihn so gedraͤngt, daß er sich nicht zu helfen gewußt haͤtte, und wie verduͤstert zur Ausfuͤhrung fortgegangen sey.</hi>« </p> <p>»Anderthalb Stunden brauchte der Ungluͤckliche, nach seinem eigenen Bekenntniß, zu einem ihm hoͤchst bekannten Wege, von einer kleinen halben Stunde; ein Umstand, der nicht zu erklaͤren steht, wenn wir uns nicht vorstellen, daß ihn der Sturm seiner Affecten und der Kampf in seiner Seele mehrmals aufgehalten und zum Stillstehen gebracht habe. Sehr sonderbar ist folgendes Gestaͤndniß des ungluͤcklichen Mannes: <hi rendition="#b">Jch wuͤrde,</hi> sagte er, <hi rendition="#b">wenigstens diesmal, vielleicht aber auch aufs kuͤnftige, mich bedacht haben, und von meinem Vorhaben abgestanden seyn, wenn mir jemand beim Weggehen aus meinem Hause, oder ein Waͤchter auf der Straße begegnet waͤre, oder ich bei der Einlassung in das Mordhaus einige Schwierigkeiten gefunden haͤtte.</hi> Aber selbst den Zufall, daß ihm nichts hinderlich gewesen sey, nahm der Ungluͤckliche als ein Kennzeichen an, daß sein Vorhaben ein Verhaͤngniß sey, ja noch damals, wie ich ihn dieses habe erzaͤhlen hoͤren, suchte er darin eine heimliche Entschuldigung seines Verbrechens, die mir bedenklich war.«</p> <p>»<hi rendition="#b">Simmen</hi> taumelte aber nun dahin, wo er die Verbrechen begehen wollte, so schwankend, so<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [43/0045]
Bildes erzaͤhlte, gegen eilf Uhr ploͤtzlich und voll von einer Wuth auf, die ihn so gedraͤngt, daß er sich nicht zu helfen gewußt haͤtte, und wie verduͤstert zur Ausfuͤhrung fortgegangen sey.«
»Anderthalb Stunden brauchte der Ungluͤckliche, nach seinem eigenen Bekenntniß, zu einem ihm hoͤchst bekannten Wege, von einer kleinen halben Stunde; ein Umstand, der nicht zu erklaͤren steht, wenn wir uns nicht vorstellen, daß ihn der Sturm seiner Affecten und der Kampf in seiner Seele mehrmals aufgehalten und zum Stillstehen gebracht habe. Sehr sonderbar ist folgendes Gestaͤndniß des ungluͤcklichen Mannes: Jch wuͤrde, sagte er, wenigstens diesmal, vielleicht aber auch aufs kuͤnftige, mich bedacht haben, und von meinem Vorhaben abgestanden seyn, wenn mir jemand beim Weggehen aus meinem Hause, oder ein Waͤchter auf der Straße begegnet waͤre, oder ich bei der Einlassung in das Mordhaus einige Schwierigkeiten gefunden haͤtte. Aber selbst den Zufall, daß ihm nichts hinderlich gewesen sey, nahm der Ungluͤckliche als ein Kennzeichen an, daß sein Vorhaben ein Verhaͤngniß sey, ja noch damals, wie ich ihn dieses habe erzaͤhlen hoͤren, suchte er darin eine heimliche Entschuldigung seines Verbrechens, die mir bedenklich war.«
»Simmen taumelte aber nun dahin, wo er die Verbrechen begehen wollte, so schwankend, so
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/45>, abgerufen am 27.07.2024. |