Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.
"An einem unglücklichen Sonntage durchbrach der Damm seiner Verzweiflung und Wuth. Simmen besuchte früh den Gottesdienst in der Stadt, und man will bemerkt haben, daß er, wie es geschienen, einer ernsthaften Predigt aufmerksam zugehört habe. Den Nachmittag ging er über Feld, einiger Geschäfte wegen, und auch da noch einmal in die Kirche." "Am Abend kam er wieder nach Hause, und brachte noch einige Stunden bei einem Bekannten in der Nachbarschaft zu, wie ich glaube, den Gedanken, mit denen er sich trug, und wie ich vermuthe, wohl noch selbst seinem bösen Vorhaben zu entgehn: denn es zog ihn wohl das innere Gefühl noch zurück. Aber sein Herz hing schon zu sehr auf die böse Seite, und wandte nicht Ernst und Kraft genug an, zu widerstehen. Er klagte beim Weggehen von seinem Besuch und bei seiner Wiederkunft zu Hause, daß er nicht recht wohl sey, und ging, zu seinem Verderben, auf das zweite Stockwerk, allein zu schlafen. Der Vorsatz, die Mordthat zu verüben, drang sich immer mehr in seiner Seele vor; er faßte den Entschluß, und machte Anstalten dazu, doch alles noch mit innerlichem Widerspruch und Widerstreben. Er gerieth darüber in einen Schlummer, fuhr aber aus demselben, wie er es bei der Abzeichnung seines
»An einem ungluͤcklichen Sonntage durchbrach der Damm seiner Verzweiflung und Wuth. Simmen besuchte fruͤh den Gottesdienst in der Stadt, und man will bemerkt haben, daß er, wie es geschienen, einer ernsthaften Predigt aufmerksam zugehoͤrt habe. Den Nachmittag ging er uͤber Feld, einiger Geschaͤfte wegen, und auch da noch einmal in die Kirche.« »Am Abend kam er wieder nach Hause, und brachte noch einige Stunden bei einem Bekannten in der Nachbarschaft zu, wie ich glaube, den Gedanken, mit denen er sich trug, und wie ich vermuthe, wohl noch selbst seinem boͤsen Vorhaben zu entgehn: denn es zog ihn wohl das innere Gefuͤhl noch zuruͤck. Aber sein Herz hing schon zu sehr auf die boͤse Seite, und wandte nicht Ernst und Kraft genug an, zu widerstehen. Er klagte beim Weggehen von seinem Besuch und bei seiner Wiederkunft zu Hause, daß er nicht recht wohl sey, und ging, zu seinem Verderben, auf das zweite Stockwerk, allein zu schlafen. Der Vorsatz, die Mordthat zu veruͤben, drang sich immer mehr in seiner Seele vor; er faßte den Entschluß, und machte Anstalten dazu, doch alles noch mit innerlichem Widerspruch und Widerstreben. Er gerieth daruͤber in einen Schlummer, fuhr aber aus demselben, wie er es bei der Abzeichnung seines <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0044" n="42"/><lb/> schwermuͤthigen Affecten war, endlich zu fuͤrchten schien.«</p> <p>»An einem ungluͤcklichen Sonntage durchbrach der Damm seiner Verzweiflung und Wuth. <hi rendition="#b">Simmen</hi> besuchte fruͤh den Gottesdienst in der Stadt, und man will bemerkt haben, daß er, wie es geschienen, einer ernsthaften Predigt aufmerksam zugehoͤrt habe. Den Nachmittag ging er uͤber Feld, einiger Geschaͤfte wegen, und auch da noch einmal in die Kirche.«</p> <p>»Am Abend kam er wieder nach Hause, und brachte noch einige Stunden bei einem Bekannten in der Nachbarschaft zu, wie ich glaube, den Gedanken, mit denen er sich trug, und wie ich vermuthe, wohl noch selbst seinem boͤsen Vorhaben zu entgehn: denn es zog ihn wohl das innere Gefuͤhl noch zuruͤck. Aber sein Herz hing schon zu sehr auf die boͤse Seite, und wandte nicht Ernst und Kraft genug an, zu widerstehen. Er klagte beim Weggehen von seinem Besuch und bei seiner Wiederkunft zu Hause, daß er nicht recht wohl sey, und ging, zu seinem Verderben, auf das zweite Stockwerk, <hi rendition="#b">allein zu schlafen.</hi> Der Vorsatz, die Mordthat zu veruͤben, drang sich immer mehr in seiner Seele vor; er faßte den Entschluß, und machte Anstalten dazu, doch alles noch mit innerlichem Widerspruch und Widerstreben. Er gerieth daruͤber in einen Schlummer, fuhr aber aus demselben, wie er es bei der Abzeichnung seines<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [42/0044]
schwermuͤthigen Affecten war, endlich zu fuͤrchten schien.«
»An einem ungluͤcklichen Sonntage durchbrach der Damm seiner Verzweiflung und Wuth. Simmen besuchte fruͤh den Gottesdienst in der Stadt, und man will bemerkt haben, daß er, wie es geschienen, einer ernsthaften Predigt aufmerksam zugehoͤrt habe. Den Nachmittag ging er uͤber Feld, einiger Geschaͤfte wegen, und auch da noch einmal in die Kirche.«
»Am Abend kam er wieder nach Hause, und brachte noch einige Stunden bei einem Bekannten in der Nachbarschaft zu, wie ich glaube, den Gedanken, mit denen er sich trug, und wie ich vermuthe, wohl noch selbst seinem boͤsen Vorhaben zu entgehn: denn es zog ihn wohl das innere Gefuͤhl noch zuruͤck. Aber sein Herz hing schon zu sehr auf die boͤse Seite, und wandte nicht Ernst und Kraft genug an, zu widerstehen. Er klagte beim Weggehen von seinem Besuch und bei seiner Wiederkunft zu Hause, daß er nicht recht wohl sey, und ging, zu seinem Verderben, auf das zweite Stockwerk, allein zu schlafen. Der Vorsatz, die Mordthat zu veruͤben, drang sich immer mehr in seiner Seele vor; er faßte den Entschluß, und machte Anstalten dazu, doch alles noch mit innerlichem Widerspruch und Widerstreben. Er gerieth daruͤber in einen Schlummer, fuhr aber aus demselben, wie er es bei der Abzeichnung seines
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