Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.
"Simmen ward von seiner Schwägerin willig und freundlich aufgenommen, ohne auf den Gedanken zu kommen, daß sie einen Erbitterten einlasse, der mit Hülfe der Nacht ihr Mörder werden könnte; noch mehr, sie bietet ihm zu essen an, und nimmt ein Licht, um ihm noch um Mitternacht Sauerkraut aus dem Keller zu holen, davon er, wie sie wußte, ein Liebhaber war. Der unempfindliche Mörder legte bald darauf seine eben angebrannte Tabackspfeife wieder hin, -- schleicht ihr nach, -- nimmt ihr das geholte Sauerkraut ab, das sich nachher noch in der Stube fand, -- giebt ihr aber zugleich unversehens mit einem dazu mitgenommenen und unter dem Rock verborgenen Knittel noch in dem Keller, als sie eben im Begriff ist, wieder herauszugehen, auf der untersten Stufe einen schweren Schlag auf den Kopf. Sie behält noch so viel Bewußtseyn, daß sie ihm zuruft:
»Simmen ward von seiner Schwaͤgerin willig und freundlich aufgenommen, ohne auf den Gedanken zu kommen, daß sie einen Erbitterten einlasse, der mit Huͤlfe der Nacht ihr Moͤrder werden koͤnnte; noch mehr, sie bietet ihm zu essen an, und nimmt ein Licht, um ihm noch um Mitternacht Sauerkraut aus dem Keller zu holen, davon er, wie sie wußte, ein Liebhaber war. Der unempfindliche Moͤrder legte bald darauf seine eben angebrannte Tabackspfeife wieder hin, — schleicht ihr nach, — nimmt ihr das geholte Sauerkraut ab, das sich nachher noch in der Stube fand, — giebt ihr aber zugleich unversehens mit einem dazu mitgenommenen und unter dem Rock verborgenen Knittel noch in dem Keller, als sie eben im Begriff ist, wieder herauszugehen, auf der untersten Stufe einen schweren Schlag auf den Kopf. Sie behaͤlt noch so viel Bewußtseyn, daß sie ihm zuruft: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0046" n="44"/><lb/> verblendet, so verduͤstert, wie schon gedacht. Er fand noch Licht im Hause, und klopfte, wie er es erzaͤhlte, leise an. Seine Schwaͤgerin sahe heraus, fragte ihn, auf seinen Gruß und Bitte, eingelassen zu werden, wo er so spaͤt herkomme? glaubte seinem Vorwande, uͤber Feld herzukommen, ließ ihn ein, und fuͤhrte ihn in die Stube, wo er seinen spaͤt heimgekommenen Schwager im Bette, wie man sagt, etwas berauscht, aber noch nicht voͤllig eingeschlafen fand. — Alles also so leicht, so bequem. Nun ward sein Entschluß fest.« —</p> <p>»<hi rendition="#b">Simmen</hi> ward von seiner Schwaͤgerin willig und freundlich aufgenommen, ohne auf den Gedanken zu kommen, daß sie einen Erbitterten einlasse, der mit Huͤlfe der Nacht ihr Moͤrder werden koͤnnte; noch mehr, sie bietet ihm zu essen an, und nimmt ein Licht, um ihm noch um Mitternacht Sauerkraut aus dem Keller zu holen, davon er, wie sie wußte, ein Liebhaber war. Der unempfindliche Moͤrder legte bald darauf seine eben angebrannte Tabackspfeife wieder hin, — schleicht ihr nach, — nimmt ihr das geholte Sauerkraut ab, das sich nachher noch in der Stube fand, — giebt ihr aber zugleich unversehens mit einem dazu mitgenommenen und unter dem Rock verborgenen Knittel noch in dem Keller, als sie eben im Begriff ist, wieder herauszugehen, auf der untersten Stufe einen schweren Schlag auf den Kopf. Sie behaͤlt noch so viel Bewußtseyn, daß sie ihm zuruft:<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [44/0046]
verblendet, so verduͤstert, wie schon gedacht. Er fand noch Licht im Hause, und klopfte, wie er es erzaͤhlte, leise an. Seine Schwaͤgerin sahe heraus, fragte ihn, auf seinen Gruß und Bitte, eingelassen zu werden, wo er so spaͤt herkomme? glaubte seinem Vorwande, uͤber Feld herzukommen, ließ ihn ein, und fuͤhrte ihn in die Stube, wo er seinen spaͤt heimgekommenen Schwager im Bette, wie man sagt, etwas berauscht, aber noch nicht voͤllig eingeschlafen fand. — Alles also so leicht, so bequem. Nun ward sein Entschluß fest.« —
»Simmen ward von seiner Schwaͤgerin willig und freundlich aufgenommen, ohne auf den Gedanken zu kommen, daß sie einen Erbitterten einlasse, der mit Huͤlfe der Nacht ihr Moͤrder werden koͤnnte; noch mehr, sie bietet ihm zu essen an, und nimmt ein Licht, um ihm noch um Mitternacht Sauerkraut aus dem Keller zu holen, davon er, wie sie wußte, ein Liebhaber war. Der unempfindliche Moͤrder legte bald darauf seine eben angebrannte Tabackspfeife wieder hin, — schleicht ihr nach, — nimmt ihr das geholte Sauerkraut ab, das sich nachher noch in der Stube fand, — giebt ihr aber zugleich unversehens mit einem dazu mitgenommenen und unter dem Rock verborgenen Knittel noch in dem Keller, als sie eben im Begriff ist, wieder herauszugehen, auf der untersten Stufe einen schweren Schlag auf den Kopf. Sie behaͤlt noch so viel Bewußtseyn, daß sie ihm zuruft:
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/46>, abgerufen am 27.07.2024. |