Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.
"Seine nunmehrige traurige Lage will ich mit des Unglücklichen eigenen Worten beschreiben. Kein Haus! keine Hülfe bei Freunden! keinen Trost! keinen Credit! da mir sonst jeder ein paar hundert Thaler zu borgen bereit war. Hierzu kamen nun noch der Drang von Gläubigern und zu fürchtende Rechtshülfe, auch die Nothwendigkeit, einen Sohn zum Handwerk zu helfen, und das Uebel, dazu kein Mittel zu wissen, und wer weis, was noch mehr, das verborgener ist? Man denke sich hier den Mann, der gewohnt war, seine Rolle mit Ansehn, ja mit einigem Glanz zu spielen, dem es der Stolz unerträglich machte, sich so weit herunter zu lassen, als ihn nun seine Umstände herabzusetzen droheten, der weder die Gründe der Vernunft, noch der Religion so gefaßt, oder im Herzen hatte, daß sie dasselbe hätten beruhigen, aufrichten und bei Muth erhalten können! Wenn er gewohnt war, so wie ers wirklich war, bei dem allem im Resultat zu denken -- und an dem allen ist dein Schwager schuld; so muß man vor dem erzittern, was bei der Unbändigkeit einer solchen Gemüthsart, wie die Simmische, von starken,
»Seine nunmehrige traurige Lage will ich mit des Ungluͤcklichen eigenen Worten beschreiben. Kein Haus! keine Huͤlfe bei Freunden! keinen Trost! keinen Credit! da mir sonst jeder ein paar hundert Thaler zu borgen bereit war. Hierzu kamen nun noch der Drang von Glaͤubigern und zu fuͤrchtende Rechtshuͤlfe, auch die Nothwendigkeit, einen Sohn zum Handwerk zu helfen, und das Uebel, dazu kein Mittel zu wissen, und wer weis, was noch mehr, das verborgener ist? Man denke sich hier den Mann, der gewohnt war, seine Rolle mit Ansehn, ja mit einigem Glanz zu spielen, dem es der Stolz unertraͤglich machte, sich so weit herunter zu lassen, als ihn nun seine Umstaͤnde herabzusetzen droheten, der weder die Gruͤnde der Vernunft, noch der Religion so gefaßt, oder im Herzen hatte, daß sie dasselbe haͤtten beruhigen, aufrichten und bei Muth erhalten koͤnnen! Wenn er gewohnt war, so wie ers wirklich war, bei dem allem im Resultat zu denken — und an dem allen ist dein Schwager schuld; so muß man vor dem erzittern, was bei der Unbaͤndigkeit einer solchen Gemuͤthsart, wie die Simmische, von starken, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0043" n="41"/><lb/> Ausbruchs seiner Wuth war unstreitig die, daß er von seinem Schwager einen Vorschuß zu erhalten versuchte, welcher ihm auch vom letztern versprochen wurde; nachmals aber sich von der Erfuͤllung dieses Versprechens wieder ablenken ließ.«</p> <p>»Seine nunmehrige traurige Lage will ich mit des Ungluͤcklichen eigenen Worten beschreiben. Kein Haus! keine Huͤlfe bei Freunden! keinen Trost! keinen Credit! da mir sonst jeder ein paar hundert Thaler zu borgen bereit war. Hierzu kamen nun noch der Drang von Glaͤubigern und zu fuͤrchtende Rechtshuͤlfe, auch die Nothwendigkeit, einen Sohn zum Handwerk zu helfen, und das Uebel, dazu kein Mittel zu wissen, und wer weis, was noch mehr, das verborgener ist? Man denke sich hier den Mann, der gewohnt war, seine Rolle mit Ansehn, ja mit einigem Glanz zu spielen, dem es der Stolz unertraͤglich machte, sich so weit herunter zu lassen, als ihn nun seine Umstaͤnde herabzusetzen droheten, der weder die Gruͤnde der Vernunft, noch der Religion so gefaßt, oder im Herzen hatte, daß sie dasselbe haͤtten beruhigen, aufrichten und bei Muth erhalten koͤnnen! Wenn er gewohnt war, so wie ers wirklich war, bei dem allem im Resultat zu denken — und an dem allen ist dein Schwager schuld; so muß man vor dem erzittern, was bei der Unbaͤndigkeit einer solchen Gemuͤthsart, wie die Simmische, von starken,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [41/0043]
Ausbruchs seiner Wuth war unstreitig die, daß er von seinem Schwager einen Vorschuß zu erhalten versuchte, welcher ihm auch vom letztern versprochen wurde; nachmals aber sich von der Erfuͤllung dieses Versprechens wieder ablenken ließ.«
»Seine nunmehrige traurige Lage will ich mit des Ungluͤcklichen eigenen Worten beschreiben. Kein Haus! keine Huͤlfe bei Freunden! keinen Trost! keinen Credit! da mir sonst jeder ein paar hundert Thaler zu borgen bereit war. Hierzu kamen nun noch der Drang von Glaͤubigern und zu fuͤrchtende Rechtshuͤlfe, auch die Nothwendigkeit, einen Sohn zum Handwerk zu helfen, und das Uebel, dazu kein Mittel zu wissen, und wer weis, was noch mehr, das verborgener ist? Man denke sich hier den Mann, der gewohnt war, seine Rolle mit Ansehn, ja mit einigem Glanz zu spielen, dem es der Stolz unertraͤglich machte, sich so weit herunter zu lassen, als ihn nun seine Umstaͤnde herabzusetzen droheten, der weder die Gruͤnde der Vernunft, noch der Religion so gefaßt, oder im Herzen hatte, daß sie dasselbe haͤtten beruhigen, aufrichten und bei Muth erhalten koͤnnen! Wenn er gewohnt war, so wie ers wirklich war, bei dem allem im Resultat zu denken — und an dem allen ist dein Schwager schuld; so muß man vor dem erzittern, was bei der Unbaͤndigkeit einer solchen Gemuͤthsart, wie die Simmische, von starken,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/43 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/43>, abgerufen am 27.07.2024. |