Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.
Wenn er am Morgen aufgestanden und sein Gebet gethan, ging er mit einiger Bekümmerniß an seine Arbeit, und sorgte, wie er die den vorigen Tag gemachten Poesien noch verbessern und die Lücken derselben ausfüllen möchte. Sobald er aber vom Schreibtische kam und alles dieses, ja was noch mehr, mit seiner eigenen Hand schon bewerkstelligt sah, erstarrte er, gleich einem, der vom Blitz gerührt worden, und bekümmerte sich im rechten Ernst darüber, ob solches ein guter oder böser Geist gethan. Wenn seine Freunde über sein Bezeigen lachten, so bat er sie mit Thränen, ihn, wo es möglich wäre, von diesem Jrrthum zu befreien. Weil er aber, indem sie dasjenige, was sich mit ihm in der Nacht zugetragen, und was sie wachend mit angesehen hatten, erzählten, ihnen keinen Glauben zustellen wollte, so brachten sie ihn die folgende Nacht, da er es wiederum eben so gemacht, in ein ander Bette, und legten ihn mit seinem Nachtkleide, welches er von ungefähr anbehalten hatte, verkehrt in dasselbe, so daß er mit dem Kopfe da lag, wo man sonst die Füße hinzulegen pflegte, ließen ihn auch so lange liegen, bis er am hellen Tage von selbst erwachte. Ob er nun gleich abermals läugnen wollte, daß er dieselbe Nacht aufgestanden sey, gelesen, geschrieben, auch dieß und jenes ver-
Wenn er am Morgen aufgestanden und sein Gebet gethan, ging er mit einiger Bekuͤmmerniß an seine Arbeit, und sorgte, wie er die den vorigen Tag gemachten Poesien noch verbessern und die Luͤcken derselben ausfuͤllen moͤchte. Sobald er aber vom Schreibtische kam und alles dieses, ja was noch mehr, mit seiner eigenen Hand schon bewerkstelligt sah, erstarrte er, gleich einem, der vom Blitz geruͤhrt worden, und bekuͤmmerte sich im rechten Ernst daruͤber, ob solches ein guter oder boͤser Geist gethan. Wenn seine Freunde uͤber sein Bezeigen lachten, so bat er sie mit Thraͤnen, ihn, wo es moͤglich waͤre, von diesem Jrrthum zu befreien. Weil er aber, indem sie dasjenige, was sich mit ihm in der Nacht zugetragen, und was sie wachend mit angesehen hatten, erzaͤhlten, ihnen keinen Glauben zustellen wollte, so brachten sie ihn die folgende Nacht, da er es wiederum eben so gemacht, in ein ander Bette, und legten ihn mit seinem Nachtkleide, welches er von ungefaͤhr anbehalten hatte, verkehrt in dasselbe, so daß er mit dem Kopfe da lag, wo man sonst die Fuͤße hinzulegen pflegte, ließen ihn auch so lange liegen, bis er am hellen Tage von selbst erwachte. Ob er nun gleich abermals laͤugnen wollte, daß er dieselbe Nacht aufgestanden sey, gelesen, geschrieben, auch dieß und jenes ver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0120" n="118"/><lb/> wurde. Da er denn von allem, was er in der Nacht gethan, nichts wußte.</p> <p>Wenn er am Morgen aufgestanden und sein Gebet gethan, ging er mit einiger Bekuͤmmerniß an seine Arbeit, und sorgte, wie er die den vorigen Tag gemachten Poesien noch verbessern und die Luͤcken derselben ausfuͤllen moͤchte. Sobald er aber vom Schreibtische kam und alles dieses, ja was noch mehr, mit seiner eigenen Hand schon bewerkstelligt sah, erstarrte er, gleich einem, der vom Blitz geruͤhrt worden, und bekuͤmmerte sich im rechten Ernst daruͤber, ob solches ein guter oder boͤser Geist gethan. Wenn seine Freunde uͤber sein Bezeigen lachten, so bat er sie mit Thraͤnen, ihn, wo es moͤglich waͤre, von diesem Jrrthum zu befreien. Weil er aber, indem sie dasjenige, was sich mit ihm in der Nacht zugetragen, und was sie wachend mit angesehen hatten, erzaͤhlten, ihnen keinen Glauben zustellen wollte, so brachten sie ihn die folgende Nacht, da er es wiederum eben so gemacht, in ein ander Bette, und legten ihn mit seinem Nachtkleide, welches er von ungefaͤhr anbehalten hatte, verkehrt in dasselbe, so daß er mit dem Kopfe da lag, wo man sonst die Fuͤße hinzulegen pflegte, ließen ihn auch so lange liegen, bis er am hellen Tage von selbst erwachte. Ob er nun gleich abermals laͤugnen wollte, daß er dieselbe Nacht aufgestanden sey, gelesen, geschrieben, auch dieß und jenes ver-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [118/0120]
wurde. Da er denn von allem, was er in der Nacht gethan, nichts wußte.
Wenn er am Morgen aufgestanden und sein Gebet gethan, ging er mit einiger Bekuͤmmerniß an seine Arbeit, und sorgte, wie er die den vorigen Tag gemachten Poesien noch verbessern und die Luͤcken derselben ausfuͤllen moͤchte. Sobald er aber vom Schreibtische kam und alles dieses, ja was noch mehr, mit seiner eigenen Hand schon bewerkstelligt sah, erstarrte er, gleich einem, der vom Blitz geruͤhrt worden, und bekuͤmmerte sich im rechten Ernst daruͤber, ob solches ein guter oder boͤser Geist gethan. Wenn seine Freunde uͤber sein Bezeigen lachten, so bat er sie mit Thraͤnen, ihn, wo es moͤglich waͤre, von diesem Jrrthum zu befreien. Weil er aber, indem sie dasjenige, was sich mit ihm in der Nacht zugetragen, und was sie wachend mit angesehen hatten, erzaͤhlten, ihnen keinen Glauben zustellen wollte, so brachten sie ihn die folgende Nacht, da er es wiederum eben so gemacht, in ein ander Bette, und legten ihn mit seinem Nachtkleide, welches er von ungefaͤhr anbehalten hatte, verkehrt in dasselbe, so daß er mit dem Kopfe da lag, wo man sonst die Fuͤße hinzulegen pflegte, ließen ihn auch so lange liegen, bis er am hellen Tage von selbst erwachte. Ob er nun gleich abermals laͤugnen wollte, daß er dieselbe Nacht aufgestanden sey, gelesen, geschrieben, auch dieß und jenes ver-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |