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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.

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Hildan fort, damals in derselbigen Kammer, und als ich von dem ungewöhnlichen Geräusch und Getöse erwachte, dachte ich gleichsam im Traume bei mir, daß dieser Jüngling in seiner Kindheit oft im Schlafe gegangen. Da nun mein Diener auf Befragen geantwortet, daß der junge Mann sich nicht mehr im Bette befinde, so stand ich augenblicklich auf, und ging auf das Fenster zu, damit ich vielleicht ihn daselbst noch aufhalten und zurückziehen könnte. Aber in demselbigen Augenblick ist er aus dem dritten Stockwerk, vierzehn Ellen hoch, auf das Pflaster hinabgefallen. Doch ohne sonderlichen Schaden.

Der edle Herr Horrizäus hatte dem Hildan erzählt, daß er eine Bäuerin im Basler Gebiete gekannt, welche im Schlafe gewandelt. Dieselbe sey bei Nacht aufgestanden, und habe im Schlafe ihre Hausgeschäfte verrichtet; ja sie sey einmal auf das Feld zu den Schäfern hinausgegangen. Horrizäus betheuert, daß er solches mit eigenen Augen gesehen habe.

Zu Lustrien ohnweit Lausanne war ein Bürger von achtundzwanzig Jahren, der von Jugend auf im Schlafe gewandelt. Als er noch ein Knabe war, stieg er bei Nacht aus dem Bette, wanderte durchs Haus und die Gassen, schrie und redete im Schlafe ganz verständlich. Welches von vielen gesehen und wahrgenommen worden. Er würde


Hildan fort, damals in derselbigen Kammer, und als ich von dem ungewoͤhnlichen Geraͤusch und Getoͤse erwachte, dachte ich gleichsam im Traume bei mir, daß dieser Juͤngling in seiner Kindheit oft im Schlafe gegangen. Da nun mein Diener auf Befragen geantwortet, daß der junge Mann sich nicht mehr im Bette befinde, so stand ich augenblicklich auf, und ging auf das Fenster zu, damit ich vielleicht ihn daselbst noch aufhalten und zuruͤckziehen koͤnnte. Aber in demselbigen Augenblick ist er aus dem dritten Stockwerk, vierzehn Ellen hoch, auf das Pflaster hinabgefallen. Doch ohne sonderlichen Schaden.

Der edle Herr Horrizaͤus hatte dem Hildan erzaͤhlt, daß er eine Baͤuerin im Basler Gebiete gekannt, welche im Schlafe gewandelt. Dieselbe sey bei Nacht aufgestanden, und habe im Schlafe ihre Hausgeschaͤfte verrichtet; ja sie sey einmal auf das Feld zu den Schaͤfern hinausgegangen. Horrizaͤus betheuert, daß er solches mit eigenen Augen gesehen habe.

Zu Lustrien ohnweit Lausanne war ein Buͤrger von achtundzwanzig Jahren, der von Jugend auf im Schlafe gewandelt. Als er noch ein Knabe war, stieg er bei Nacht aus dem Bette, wanderte durchs Haus und die Gassen, schrie und redete im Schlafe ganz verstaͤndlich. Welches von vielen gesehen und wahrgenommen worden. Er wuͤrde

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[115/0117] Hildan fort, damals in derselbigen Kammer, und als ich von dem ungewoͤhnlichen Geraͤusch und Getoͤse erwachte, dachte ich gleichsam im Traume bei mir, daß dieser Juͤngling in seiner Kindheit oft im Schlafe gegangen. Da nun mein Diener auf Befragen geantwortet, daß der junge Mann sich nicht mehr im Bette befinde, so stand ich augenblicklich auf, und ging auf das Fenster zu, damit ich vielleicht ihn daselbst noch aufhalten und zuruͤckziehen koͤnnte. Aber in demselbigen Augenblick ist er aus dem dritten Stockwerk, vierzehn Ellen hoch, auf das Pflaster hinabgefallen. Doch ohne sonderlichen Schaden. Der edle Herr Horrizaͤus hatte dem Hildan erzaͤhlt, daß er eine Baͤuerin im Basler Gebiete gekannt, welche im Schlafe gewandelt. Dieselbe sey bei Nacht aufgestanden, und habe im Schlafe ihre Hausgeschaͤfte verrichtet; ja sie sey einmal auf das Feld zu den Schaͤfern hinausgegangen. Horrizaͤus betheuert, daß er solches mit eigenen Augen gesehen habe. Zu Lustrien ohnweit Lausanne war ein Buͤrger von achtundzwanzig Jahren, der von Jugend auf im Schlafe gewandelt. Als er noch ein Knabe war, stieg er bei Nacht aus dem Bette, wanderte durchs Haus und die Gassen, schrie und redete im Schlafe ganz verstaͤndlich. Welches von vielen gesehen und wahrgenommen worden. Er wuͤrde

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/117>, abgerufen am 04.05.2024.