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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.

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endlich ganz nach. Sie heirathete, gebar drei Kinder, und nachher hat sie nicht das geringste mehr von solchen Anfällen gespürt.

Eigentlich gehört diese Person nicht ganz zur Classe der Nachtwandrer, da sie immer im Bette blieb, und nur durch Stimme und andre körperliche Bewegungen einer Wachenden ähnlich wurde. Jhr Paroxismus fing unstreitig mit krampfhaften Zufällen und einer plötzlich entstandenen Schwächung der Nerven an, wodurch aber zugleich eine größere Reitzbarkeit derselben hervorgebracht wurde. Sonderbar, daß sich bei dieser Person die Seele erst durch allerlei Gebehrden und Pantomimen, die gewisse Leidenschaften ausdrückten, durchzuarbeiten schien, ehe sie in wörtliche Aeußerungen ihrer Jdeen ausbrach, -- und diese Jdeen waren grade wieder die ihr geläufigsten -- und mit dem Character nervenschwacher Menschen am homogensten. Sie gab Ermahnungen, mischte biblische Sprüche unter, tadelte Fehler und predigte vom Himmel. Sehr leicht drücken sich musicalische Accorde in dem Gehirne ab, die Seele kann sie nachstimmen, ohne sich anzustrengen, im Wachen selbst fließen oft gewisse Melodien von unsren Lippen, ohne daß wir daran denken, sondern dabei etwas ganz anderes treiben. Die Seele thut also gleichsam zwei Sachen auf einmal, aber sie hat zu den Tönen keine anstrengende Aufmerksamkeit nöthig;


endlich ganz nach. Sie heirathete, gebar drei Kinder, und nachher hat sie nicht das geringste mehr von solchen Anfaͤllen gespuͤrt.

Eigentlich gehoͤrt diese Person nicht ganz zur Classe der Nachtwandrer, da sie immer im Bette blieb, und nur durch Stimme und andre koͤrperliche Bewegungen einer Wachenden aͤhnlich wurde. Jhr Paroxismus fing unstreitig mit krampfhaften Zufaͤllen und einer ploͤtzlich entstandenen Schwaͤchung der Nerven an, wodurch aber zugleich eine groͤßere Reitzbarkeit derselben hervorgebracht wurde. Sonderbar, daß sich bei dieser Person die Seele erst durch allerlei Gebehrden und Pantomimen, die gewisse Leidenschaften ausdruͤckten, durchzuarbeiten schien, ehe sie in woͤrtliche Aeußerungen ihrer Jdeen ausbrach, — und diese Jdeen waren grade wieder die ihr gelaͤufigsten — und mit dem Character nervenschwacher Menschen am homogensten. Sie gab Ermahnungen, mischte biblische Spruͤche unter, tadelte Fehler und predigte vom Himmel. Sehr leicht druͤcken sich musicalische Accorde in dem Gehirne ab, die Seele kann sie nachstimmen, ohne sich anzustrengen, im Wachen selbst fließen oft gewisse Melodien von unsren Lippen, ohne daß wir daran denken, sondern dabei etwas ganz anderes treiben. Die Seele thut also gleichsam zwei Sachen auf einmal, aber sie hat zu den Toͤnen keine anstrengende Aufmerksamkeit noͤthig;

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[101/0103] endlich ganz nach. Sie heirathete, gebar drei Kinder, und nachher hat sie nicht das geringste mehr von solchen Anfaͤllen gespuͤrt. Eigentlich gehoͤrt diese Person nicht ganz zur Classe der Nachtwandrer, da sie immer im Bette blieb, und nur durch Stimme und andre koͤrperliche Bewegungen einer Wachenden aͤhnlich wurde. Jhr Paroxismus fing unstreitig mit krampfhaften Zufaͤllen und einer ploͤtzlich entstandenen Schwaͤchung der Nerven an, wodurch aber zugleich eine groͤßere Reitzbarkeit derselben hervorgebracht wurde. Sonderbar, daß sich bei dieser Person die Seele erst durch allerlei Gebehrden und Pantomimen, die gewisse Leidenschaften ausdruͤckten, durchzuarbeiten schien, ehe sie in woͤrtliche Aeußerungen ihrer Jdeen ausbrach, — und diese Jdeen waren grade wieder die ihr gelaͤufigsten — und mit dem Character nervenschwacher Menschen am homogensten. Sie gab Ermahnungen, mischte biblische Spruͤche unter, tadelte Fehler und predigte vom Himmel. Sehr leicht druͤcken sich musicalische Accorde in dem Gehirne ab, die Seele kann sie nachstimmen, ohne sich anzustrengen, im Wachen selbst fließen oft gewisse Melodien von unsren Lippen, ohne daß wir daran denken, sondern dabei etwas ganz anderes treiben. Die Seele thut also gleichsam zwei Sachen auf einmal, aber sie hat zu den Toͤnen keine anstrengende Aufmerksamkeit noͤthig;

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/103>, abgerufen am 05.12.2024.