Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite


zeugten Buches verbunden ist, -- zogen ihn an, der Auslegung und Deutung desselben alle seine Seelenkräfte zu widmen. Damals hatten wir die treflichen philosophischen Wegweiser zu Erklärung dieser Theosophischen Visionen noch nicht. Das meiste, was darüber geschrieben war, schien mehr gemacht zu seyn, den Forscher in noch dunklere Gewinde des Mysticismus zu verwickeln, als ihn herauszuleiten. Franz las alles, was er über sein Lieblingsthema auftreiben konnte, vernünftelte, sann, hing aller Warnungen seiner Freunde ungeachtet Nächte lang über Folianten, die von Aberwitz und Scholastischen Träumen strozten, und in nicht gar einem Jahre ward der trefliche, vielversprechende Jüngling erst verrükt,-- dann toll;-- dann rasend, und an Ketten gelegt.

Die Grade seiner traurigen Verirrung verlohren sich, wie mir einer seiner Lehrer und theilnehmendsten Freunde schrieb, ganz unmerklich in einander. Mählig wurde der Gedanke an sein Thema in seiner Seele herrschend. Bald wuchs er, gleich einer Eiche über all seine übrige Jdeen, und Vorstellungen empor, und entzog ihnen, mit Shakspear zu reden, die Lebenssäfte zur Entwiklung, daß sie wie Blumen welkten, und vergingen. -- Alles bezog er nun auf die Offenbahrung, wollte alles, am Ende sogar Dinge des gemeinen Lebens daraus erklären, darauf zurükführen, -- darin finden,


zeugten Buches verbunden ist, — zogen ihn an, der Auslegung und Deutung desselben alle seine Seelenkraͤfte zu widmen. Damals hatten wir die treflichen philosophischen Wegweiser zu Erklaͤrung dieser Theosophischen Visionen noch nicht. Das meiste, was daruͤber geschrieben war, schien mehr gemacht zu seyn, den Forscher in noch dunklere Gewinde des Mysticismus zu verwickeln, als ihn herauszuleiten. Franz las alles, was er uͤber sein Lieblingsthema auftreiben konnte, vernuͤnftelte, sann, hing aller Warnungen seiner Freunde ungeachtet Naͤchte lang uͤber Folianten, die von Aberwitz und Scholastischen Traͤumen strozten, und in nicht gar einem Jahre ward der trefliche, vielversprechende Juͤngling erst verruͤkt,— dann toll;— dann rasend, und an Ketten gelegt.

Die Grade seiner traurigen Verirrung verlohren sich, wie mir einer seiner Lehrer und theilnehmendsten Freunde schrieb, ganz unmerklich in einander. Maͤhlig wurde der Gedanke an sein Thema in seiner Seele herrschend. Bald wuchs er, gleich einer Eiche uͤber all seine uͤbrige Jdeen, und Vorstellungen empor, und entzog ihnen, mit Shakspear zu reden, die Lebenssaͤfte zur Entwiklung, daß sie wie Blumen welkten, und vergingen. — Alles bezog er nun auf die Offenbahrung, wollte alles, am Ende sogar Dinge des gemeinen Lebens daraus erklaͤren, darauf zuruͤkfuͤhren, — darin finden,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0098" n="98"/><lb/>
zeugten Buches verbunden ist, &#x2014; zogen ihn an, der Auslegung und Deutung                         desselben alle seine Seelenkra&#x0364;fte zu widmen. Damals hatten wir die                         treflichen philosophischen Wegweiser zu Erkla&#x0364;rung dieser Theosophischen                         Visionen noch nicht. Das meiste, was daru&#x0364;ber geschrieben war, schien mehr                         gemacht zu seyn, den Forscher in noch dunklere Gewinde des Mysticismus zu                         verwickeln, als ihn herauszuleiten. Franz las alles, was er u&#x0364;ber sein                         Lieblingsthema <choice><corr>auftreiben</corr><sic>anftreiben</sic></choice> konnte, vernu&#x0364;nftelte, sann, hing aller                         Warnungen seiner Freunde ungeachtet Na&#x0364;chte lang u&#x0364;ber Folianten, die von                         Aberwitz und Scholastischen Tra&#x0364;umen strozten, und in nicht gar einem Jahre                         ward der trefliche, vielversprechende Ju&#x0364;ngling erst <hi rendition="#b">verru&#x0364;kt,</hi>&#x2014; dann <hi rendition="#b">toll;</hi>&#x2014; dann <hi rendition="#b">rasend,</hi> und <choice><corr>an</corr><sic>am</sic></choice> Ketten gelegt.</p>
            <p>Die Grade seiner traurigen Verirrung verlohren sich, wie mir einer seiner                         Lehrer und theilnehmendsten Freunde schrieb, ganz unmerklich in einander.                         Ma&#x0364;hlig wurde der Gedanke an sein Thema in seiner Seele <hi rendition="#b">herrschend.</hi> Bald wuchs er, gleich einer Eiche u&#x0364;ber all seine                         u&#x0364;brige Jdeen, und Vorstellungen empor, und entzog <choice><corr>ihnen</corr><sic>lhnen</sic></choice>, mit Shakspear zu                         reden, die Lebenssa&#x0364;fte zur Entwiklung, daß sie wie Blumen welkten, und                         vergingen. &#x2014; Alles bezog er nun auf die Offenbahrung, wollte alles, am Ende                         sogar Dinge des gemeinen Lebens daraus erkla&#x0364;ren, darauf zuru&#x0364;kfu&#x0364;hren, &#x2014; darin                         finden,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0098] zeugten Buches verbunden ist, — zogen ihn an, der Auslegung und Deutung desselben alle seine Seelenkraͤfte zu widmen. Damals hatten wir die treflichen philosophischen Wegweiser zu Erklaͤrung dieser Theosophischen Visionen noch nicht. Das meiste, was daruͤber geschrieben war, schien mehr gemacht zu seyn, den Forscher in noch dunklere Gewinde des Mysticismus zu verwickeln, als ihn herauszuleiten. Franz las alles, was er uͤber sein Lieblingsthema auftreiben konnte, vernuͤnftelte, sann, hing aller Warnungen seiner Freunde ungeachtet Naͤchte lang uͤber Folianten, die von Aberwitz und Scholastischen Traͤumen strozten, und in nicht gar einem Jahre ward der trefliche, vielversprechende Juͤngling erst verruͤkt,— dann toll;— dann rasend, und an Ketten gelegt. Die Grade seiner traurigen Verirrung verlohren sich, wie mir einer seiner Lehrer und theilnehmendsten Freunde schrieb, ganz unmerklich in einander. Maͤhlig wurde der Gedanke an sein Thema in seiner Seele herrschend. Bald wuchs er, gleich einer Eiche uͤber all seine uͤbrige Jdeen, und Vorstellungen empor, und entzog ihnen, mit Shakspear zu reden, die Lebenssaͤfte zur Entwiklung, daß sie wie Blumen welkten, und vergingen. — Alles bezog er nun auf die Offenbahrung, wollte alles, am Ende sogar Dinge des gemeinen Lebens daraus erklaͤren, darauf zuruͤkfuͤhren, — darin finden,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/98
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/98>, abgerufen am 03.05.2024.