Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.
Freudeträhnen rollten dem guten Mann die Wangen herab. Nur einen Blik in die Zukunft,
Freudetraͤhnen rollten dem guten Mann die Wangen herab. Nur einen Blik in die Zukunft, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0095" n="95"/><lb/> schienen, als den ihm seine Geburt, und sein Stand anwiesen. Er schikte ihn also aufs hiesige Gymnasium, besuchte diesen seinen Liebling oft, und das Herz im Leibe lachte dem wakern Manne bey den guten und immer bessern Nachrichten, die er jedesmal von seinem Franz einzog. Weil ich damals schon das Dorf des Paͤchters zu versehen hatte, so kannt ich ihn lange her, und war leider mit eine unschuldige Ursache, warum er seinen Sohn den Studien weihte. Er besuchte mich, so oft er in die Stadt kam, schuͤttelte mir oͤfters die Hand und rief freudetrunken: O wie hat er so wahr gesprochen, liebster Doktor! — der Bube ist unserm Schulmeister schon Tannenhoch uͤber den Kopf gewachsen. Meiner Seel, wenns so fort geht, so wird er ein Kerl leibhaftig wie er. Da frag' er nur, da hoͤr er nur wie der Blizjunge schon schreiben, und lesen, und rechnen, und Figuren machen, und Lateinisch, und Griechisch, und Gott weiß was er alles kann!! Er soll mir aber auch bey meinem Großvater auf die Universitaͤt nach T**. und soll mir ein Geistlicher werden, und predigen lernen, daß es 'ne Lust ist. Was meint er, wenn mein Goldfranz im schwarzen Mantel und Kragen auf der Kanzel perorirt, ob wir da aufpassen wollen? O laß mich der liebe Gott diese Freude auch erleben, eh ich in die Grube fahre!«</p> <p>Freudetraͤhnen rollten dem guten Mann die Wangen herab. Nur einen Blik in die Zukunft,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [95/0095]
schienen, als den ihm seine Geburt, und sein Stand anwiesen. Er schikte ihn also aufs hiesige Gymnasium, besuchte diesen seinen Liebling oft, und das Herz im Leibe lachte dem wakern Manne bey den guten und immer bessern Nachrichten, die er jedesmal von seinem Franz einzog. Weil ich damals schon das Dorf des Paͤchters zu versehen hatte, so kannt ich ihn lange her, und war leider mit eine unschuldige Ursache, warum er seinen Sohn den Studien weihte. Er besuchte mich, so oft er in die Stadt kam, schuͤttelte mir oͤfters die Hand und rief freudetrunken: O wie hat er so wahr gesprochen, liebster Doktor! — der Bube ist unserm Schulmeister schon Tannenhoch uͤber den Kopf gewachsen. Meiner Seel, wenns so fort geht, so wird er ein Kerl leibhaftig wie er. Da frag' er nur, da hoͤr er nur wie der Blizjunge schon schreiben, und lesen, und rechnen, und Figuren machen, und Lateinisch, und Griechisch, und Gott weiß was er alles kann!! Er soll mir aber auch bey meinem Großvater auf die Universitaͤt nach T**. und soll mir ein Geistlicher werden, und predigen lernen, daß es 'ne Lust ist. Was meint er, wenn mein Goldfranz im schwarzen Mantel und Kragen auf der Kanzel perorirt, ob wir da aufpassen wollen? O laß mich der liebe Gott diese Freude auch erleben, eh ich in die Grube fahre!«
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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