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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788.

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Sollten Sies wohl glauben, sagte mir H. beim Weggehen, daß dieser Mensch vor sechs Tagen noch auf meinem Zimmer schlief, mit mir aß, spazieren gieng, und über die merkwürdigsten Gegenstände der Litteratur und Philosophie mit voller Gegenwart des Geistes sprach? -- ja daß er neugierige Fremde allein im Hause herumführte, und sie von dem Zustand und der Geschichte der merkwürdigsten Narren unterrichtete? --

Jch. Mein Gott, und wie kam er in so kurzer Zeit in diesen fürchterlichen Zustand? Er scheint mir unter all' ihren traurigen Alumnen der bedaurenswürdigste zu seyn.

H*. Seine Geschichte ist die merkwürdigste aber auch die grauenvollste unter allen, so mir bisher vorgekommen sind. Der Psycholog bleibt entsezt vor seinem Gemählde stehen, der führende Stab entsinkt ihm, und er kann nur ohne Leitgestirn zum Unerforschlichen hinauf staunen.

Nachdem wir im ganzen Hause herum waren, verlohr sich H. mit mir in eine angrenzende Allee, und fuhr fort:

"Der Vater des beweinenswerthen Mannes, von dem wir so eben sprachen, ist ein reicher biederer Pächter der Nachbarschaft. Er entdekte in diesen seinem einzigen Sohn früh schon Anlagen, die ihn in einen größern Würkungskreis zu rufen


Sollten Sies wohl glauben, sagte mir H. beim Weggehen, daß dieser Mensch vor sechs Tagen noch auf meinem Zimmer schlief, mit mir aß, spazieren gieng, und uͤber die merkwuͤrdigsten Gegenstaͤnde der Litteratur und Philosophie mit voller Gegenwart des Geistes sprach? — ja daß er neugierige Fremde allein im Hause herumfuͤhrte, und sie von dem Zustand und der Geschichte der merkwuͤrdigsten Narren unterrichtete? —

Jch. Mein Gott, und wie kam er in so kurzer Zeit in diesen fuͤrchterlichen Zustand? Er scheint mir unter all' ihren traurigen Alumnen der bedaurenswuͤrdigste zu seyn.

H*. Seine Geschichte ist die merkwuͤrdigste aber auch die grauenvollste unter allen, so mir bisher vorgekommen sind. Der Psycholog bleibt entsezt vor seinem Gemaͤhlde stehen, der fuͤhrende Stab entsinkt ihm, und er kann nur ohne Leitgestirn zum Unerforschlichen hinauf staunen.

Nachdem wir im ganzen Hause herum waren, verlohr sich H. mit mir in eine angrenzende Allee, und fuhr fort:

»Der Vater des beweinenswerthen Mannes, von dem wir so eben sprachen, ist ein reicher biederer Paͤchter der Nachbarschaft. Er entdekte in diesen seinem einzigen Sohn fruͤh schon Anlagen, die ihn in einen groͤßern Wuͤrkungskreis zu rufen

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[94/0094] Sollten Sies wohl glauben, sagte mir H. beim Weggehen, daß dieser Mensch vor sechs Tagen noch auf meinem Zimmer schlief, mit mir aß, spazieren gieng, und uͤber die merkwuͤrdigsten Gegenstaͤnde der Litteratur und Philosophie mit voller Gegenwart des Geistes sprach? — ja daß er neugierige Fremde allein im Hause herumfuͤhrte, und sie von dem Zustand und der Geschichte der merkwuͤrdigsten Narren unterrichtete? — Jch. Mein Gott, und wie kam er in so kurzer Zeit in diesen fuͤrchterlichen Zustand? Er scheint mir unter all' ihren traurigen Alumnen der bedaurenswuͤrdigste zu seyn. H*. Seine Geschichte ist die merkwuͤrdigste aber auch die grauenvollste unter allen, so mir bisher vorgekommen sind. Der Psycholog bleibt entsezt vor seinem Gemaͤhlde stehen, der fuͤhrende Stab entsinkt ihm, und er kann nur ohne Leitgestirn zum Unerforschlichen hinauf staunen. Nachdem wir im ganzen Hause herum waren, verlohr sich H. mit mir in eine angrenzende Allee, und fuhr fort: »Der Vater des beweinenswerthen Mannes, von dem wir so eben sprachen, ist ein reicher biederer Paͤchter der Nachbarschaft. Er entdekte in diesen seinem einzigen Sohn fruͤh schon Anlagen, die ihn in einen groͤßern Wuͤrkungskreis zu rufen

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 3. Berlin, 1788, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0603_1788/94>, abgerufen am 25.11.2024.