ihn erstaunlich hoch, und seine Schriften verrathen oft eine durchdachte Philosophie, die man in damaligen Zeiten nicht hätte erwarten sollen. Aber bei seinen vortreflichsten Gedanken, sonderlich in der praktischen Philosophie, bei seiner großen Menschenkenntniß, bei seiner reifen Lectüre der Alten sieht man dem ungeachtet immer einen Schwärmer, der sich Dinge erträumte, die nicht waren, und die doch in seinen Augen sonnenklare Wahrheiten zu seyn schienen. Seine Neigung zum Sonderbaren, die in tausend physischen und moralischen Stimmungen seiner Natur ihren Grund haben mogten, hielt ihm sehr oft ein falsches Glas vor, durch welches er anders als andre Menschen sah. Eine stete Aufmerksamkeit auf sich selbst, und die Würkungen seiner Phantasie, ließ ihn Wunderdinge an sich wahrnehmen, die ganz natürlich zugingen, und seine Kränklichkeit des Körpers erzeugte nach und nach in ihm eine Eigenthümlichkeit der Laune, über die er nicht mehr Herr zu werden vermogte. Zugleich lag der Grund zu seinen vielen und sonderbaren Jdeen mit in den Umständen des damaligen Zeitalters, und in der Art, wie man sich damals gelehrte Kenntnisse erwarb. Wer irgend einen Ruf als Gelehrter haben wollte, mußte sich mit auf die Astrologie legen, was sonderlich im sechszehnten Jahrhundert in Jtalien der Fall war. Diese Wissenschaft, welche bei den meisten in eine bloße Sterndeuterei ausartete, verwirrte damals sehr viele Köpfe, und gewöhnte
ihn erstaunlich hoch, und seine Schriften verrathen oft eine durchdachte Philosophie, die man in damaligen Zeiten nicht haͤtte erwarten sollen. Aber bei seinen vortreflichsten Gedanken, sonderlich in der praktischen Philosophie, bei seiner großen Menschenkenntniß, bei seiner reifen Lectuͤre der Alten sieht man dem ungeachtet immer einen Schwaͤrmer, der sich Dinge ertraͤumte, die nicht waren, und die doch in seinen Augen sonnenklare Wahrheiten zu seyn schienen. Seine Neigung zum Sonderbaren, die in tausend physischen und moralischen Stimmungen seiner Natur ihren Grund haben mogten, hielt ihm sehr oft ein falsches Glas vor, durch welches er anders als andre Menschen sah. Eine stete Aufmerksamkeit auf sich selbst, und die Wuͤrkungen seiner Phantasie, ließ ihn Wunderdinge an sich wahrnehmen, die ganz natuͤrlich zugingen, und seine Kraͤnklichkeit des Koͤrpers erzeugte nach und nach in ihm eine Eigenthuͤmlichkeit der Laune, uͤber die er nicht mehr Herr zu werden vermogte. Zugleich lag der Grund zu seinen vielen und sonderbaren Jdeen mit in den Umstaͤnden des damaligen Zeitalters, und in der Art, wie man sich damals gelehrte Kenntnisse erwarb. Wer irgend einen Ruf als Gelehrter haben wollte, mußte sich mit auf die Astrologie legen, was sonderlich im sechszehnten Jahrhundert in Jtalien der Fall war. Diese Wissenschaft, welche bei den meisten in eine bloße Sterndeuterei ausartete, verwirrte damals sehr viele Koͤpfe, und gewoͤhnte
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ihn erstaunlich hoch, und seine Schriften verrathen oft eine durchdachte Philosophie, die man in damaligen Zeiten nicht haͤtte erwarten sollen. Aber bei seinen vortreflichsten Gedanken, sonderlich in der praktischen Philosophie, bei seiner großen Menschenkenntniß, bei seiner reifen Lectuͤre der Alten sieht man dem ungeachtet immer einen <hirendition="#b">Schwaͤrmer,</hi> der sich Dinge ertraͤumte, die nicht waren, und die doch in seinen Augen sonnenklare Wahrheiten zu seyn schienen. Seine Neigung zum Sonderbaren, die in tausend physischen und moralischen Stimmungen seiner Natur ihren Grund haben mogten, hielt ihm sehr oft ein falsches Glas vor, durch welches er <hirendition="#b">anders</hi> als andre Menschen sah. Eine stete Aufmerksamkeit auf sich selbst, und die Wuͤrkungen seiner Phantasie, ließ ihn Wunderdinge an sich wahrnehmen, die ganz natuͤrlich zugingen, und seine Kraͤnklichkeit des Koͤrpers erzeugte nach und nach in ihm eine Eigenthuͤmlichkeit der Laune, uͤber die er nicht mehr Herr zu werden vermogte. Zugleich lag der Grund zu seinen vielen und sonderbaren Jdeen mit in den Umstaͤnden des damaligen Zeitalters, und in der Art, wie man sich damals gelehrte Kenntnisse erwarb. Wer irgend einen Ruf als Gelehrter haben wollte, mußte sich mit auf die Astrologie legen, was sonderlich im sechszehnten Jahrhundert in Jtalien der Fall war. Diese Wissenschaft, welche bei den meisten in eine bloße Sterndeuterei ausartete, verwirrte damals sehr viele Koͤpfe, und gewoͤhnte<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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ihn erstaunlich hoch, und seine Schriften verrathen oft eine durchdachte Philosophie, die man in damaligen Zeiten nicht haͤtte erwarten sollen. Aber bei seinen vortreflichsten Gedanken, sonderlich in der praktischen Philosophie, bei seiner großen Menschenkenntniß, bei seiner reifen Lectuͤre der Alten sieht man dem ungeachtet immer einen Schwaͤrmer, der sich Dinge ertraͤumte, die nicht waren, und die doch in seinen Augen sonnenklare Wahrheiten zu seyn schienen. Seine Neigung zum Sonderbaren, die in tausend physischen und moralischen Stimmungen seiner Natur ihren Grund haben mogten, hielt ihm sehr oft ein falsches Glas vor, durch welches er anders als andre Menschen sah. Eine stete Aufmerksamkeit auf sich selbst, und die Wuͤrkungen seiner Phantasie, ließ ihn Wunderdinge an sich wahrnehmen, die ganz natuͤrlich zugingen, und seine Kraͤnklichkeit des Koͤrpers erzeugte nach und nach in ihm eine Eigenthuͤmlichkeit der Laune, uͤber die er nicht mehr Herr zu werden vermogte. Zugleich lag der Grund zu seinen vielen und sonderbaren Jdeen mit in den Umstaͤnden des damaligen Zeitalters, und in der Art, wie man sich damals gelehrte Kenntnisse erwarb. Wer irgend einen Ruf als Gelehrter haben wollte, mußte sich mit auf die Astrologie legen, was sonderlich im sechszehnten Jahrhundert in Jtalien der Fall war. Diese Wissenschaft, welche bei den meisten in eine bloße Sterndeuterei ausartete, verwirrte damals sehr viele Koͤpfe, und gewoͤhnte
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/80>, abgerufen am 16.02.2025.
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