Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788.
"Zu andern Eigenheiten meiner Natur gehört auch die, daß mein Fleisch bisweilen wie Schwefel und Weihrauch riecht." "Auch dies war sonderbar an mir, daß ich, da ich frei von Sorgen war, selbst mit Beihülfe meiner Lehrer, weder den Archimedes noch Ptolomäus verstehn konnte; im hohen Alter hingegen, dreissig Jahre darnach, von Geschäften umringt, von Sorgen gehindert, hab' ich beide, ohne andre Beihülfe, deutlich verstehn können." Es wird selten ein großer Mann ohne einen kleinen Aberglauben irgend einer Art gefunden wer-
»Zu andern Eigenheiten meiner Natur gehoͤrt auch die, daß mein Fleisch bisweilen wie Schwefel und Weihrauch riecht.« »Auch dies war sonderbar an mir, daß ich, da ich frei von Sorgen war, selbst mit Beihuͤlfe meiner Lehrer, weder den Archimedes noch Ptolomaͤus verstehn konnte; im hohen Alter hingegen, dreissig Jahre darnach, von Geschaͤften umringt, von Sorgen gehindert, hab' ich beide, ohne andre Beihuͤlfe, deutlich verstehn koͤnnen.« Es wird selten ein großer Mann ohne einen kleinen Aberglauben irgend einer Art gefunden wer- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0078" n="78"/><lb/> nen ich das Haus gemiethet hatte, und schriee laut aus (indem ich wohl wußte, wie sehr ich meinem Sohn helfen konnte, wenn er sein Verbrechen nicht eingestehn, oder gar daran unschuldig seyn wuͤrde,): <hi rendition="#b">»Ach! weil er sich des Todes seiner Frau bewußt ist, und ihn nun bekannt hat, so wird er zum Tode verdammt und mit dem Beil hingerichtet werden.«</hi> Jch kleidete mich sogleich an und ging auf den Markt, wo ich meinen Schwiegersohn sehr traurig fand. Wo wollen Sie hin? fragt' er. Jch besorge, war meine Antwort, daß mein Sohn alles bekannt hat. So ist's, erwiederte er, er hat eben alles bekannt; ich hatte jemand ausgeschickt, der horchen sollte, und dieser hat mir den ganzen Verlauf der Sache erzaͤhlt.«</p> <p>»Zu andern Eigenheiten meiner Natur gehoͤrt auch die, daß mein Fleisch bisweilen wie Schwefel und Weihrauch riecht.«</p> <p>»Auch dies war sonderbar an mir, daß ich, <choice><corr>da ich</corr><sic>da</sic></choice> frei von Sorgen war, selbst mit Beihuͤlfe meiner Lehrer, weder den Archimedes noch Ptolomaͤus verstehn konnte; im hohen Alter hingegen, dreissig Jahre darnach, von Geschaͤften umringt, von Sorgen gehindert, hab' ich beide, ohne andre Beihuͤlfe, deutlich verstehn koͤnnen.«</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Es wird selten ein großer Mann ohne einen kleinen Aberglauben irgend einer Art gefunden wer-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0078]
nen ich das Haus gemiethet hatte, und schriee laut aus (indem ich wohl wußte, wie sehr ich meinem Sohn helfen konnte, wenn er sein Verbrechen nicht eingestehn, oder gar daran unschuldig seyn wuͤrde,): »Ach! weil er sich des Todes seiner Frau bewußt ist, und ihn nun bekannt hat, so wird er zum Tode verdammt und mit dem Beil hingerichtet werden.« Jch kleidete mich sogleich an und ging auf den Markt, wo ich meinen Schwiegersohn sehr traurig fand. Wo wollen Sie hin? fragt' er. Jch besorge, war meine Antwort, daß mein Sohn alles bekannt hat. So ist's, erwiederte er, er hat eben alles bekannt; ich hatte jemand ausgeschickt, der horchen sollte, und dieser hat mir den ganzen Verlauf der Sache erzaͤhlt.«
»Zu andern Eigenheiten meiner Natur gehoͤrt auch die, daß mein Fleisch bisweilen wie Schwefel und Weihrauch riecht.«
»Auch dies war sonderbar an mir, daß ich, da ich frei von Sorgen war, selbst mit Beihuͤlfe meiner Lehrer, weder den Archimedes noch Ptolomaͤus verstehn konnte; im hohen Alter hingegen, dreissig Jahre darnach, von Geschaͤften umringt, von Sorgen gehindert, hab' ich beide, ohne andre Beihuͤlfe, deutlich verstehn koͤnnen.«
Es wird selten ein großer Mann ohne einen kleinen Aberglauben irgend einer Art gefunden wer-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/78 |
Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/78>, abgerufen am 16.02.2025. |