Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite


schen sterben gesehn, welche die Todesangst um desto heftiger zerriß, weil sie von dem Zustande, der sie erwartete, mehr zu wissen glaubten, als sie wirklich wußten.

Theokles.

Eine sehr wahre Bemerkung, die Sie da machen! und woraus es sich erklären läßt, daß oft religiöse Menschen, besonders wenn sie mystische Religionsbegriffe haben, grade am unruhigsten sterben.

Damas.

Natürlich; es ist gewissermaßen Vorurtheil, daß der Tugendhafte immer ein sanftes Ende nehme. Es hängt alles von der Reihe der Bilder ab, welche der Seele in der Todesstunde vorschweben; manches auch von momentanen Eindrücken; denn diese können dem edlen Mann so gut, wie dem Bösewichte, den Tod schrecklich machen. Einer meiner geliebtesten Freunde träumte kurz vor seinem Tode, er sey schon in der Hölle, und alles Zureden konnte ihn nicht zu sich selbst bringen. Nachher entdeckte ich, daß die Ursache dieser seiner peinigenden Vorstellung ein Feuer war, welches nicht weit vom Bette im Camine brannte, und wovon die Flamme ihm in die Augen schien. Das Feuer wurde ausgelöscht, und er ward ruhiger. Nach einiger Zeit war der Tocht des Lichts sehr lang geworden; ich putzte das Licht, und es verbreitete sich plötz-


schen sterben gesehn, welche die Todesangst um desto heftiger zerriß, weil sie von dem Zustande, der sie erwartete, mehr zu wissen glaubten, als sie wirklich wußten.

Theokles.

Eine sehr wahre Bemerkung, die Sie da machen! und woraus es sich erklaͤren laͤßt, daß oft religioͤse Menschen, besonders wenn sie mystische Religionsbegriffe haben, grade am unruhigsten sterben.

Damas.

Natuͤrlich; es ist gewissermaßen Vorurtheil, daß der Tugendhafte immer ein sanftes Ende nehme. Es haͤngt alles von der Reihe der Bilder ab, welche der Seele in der Todesstunde vorschweben; manches auch von momentanen Eindruͤcken; denn diese koͤnnen dem edlen Mann so gut, wie dem Boͤsewichte, den Tod schrecklich machen. Einer meiner geliebtesten Freunde traͤumte kurz vor seinem Tode, er sey schon in der Hoͤlle, und alles Zureden konnte ihn nicht zu sich selbst bringen. Nachher entdeckte ich, daß die Ursache dieser seiner peinigenden Vorstellung ein Feuer war, welches nicht weit vom Bette im Camine brannte, und wovon die Flamme ihm in die Augen schien. Das Feuer wurde ausgeloͤscht, und er ward ruhiger. Nach einiger Zeit war der Tocht des Lichts sehr lang geworden; ich putzte das Licht, und es verbreitete sich ploͤtz-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0047" n="47"/><lb/>
schen sterben gesehn,                         welche die Todesangst um desto heftiger zerriß, weil sie von dem Zustande,                         der sie erwartete, mehr zu wissen glaubten, als sie wirklich wußten.</p>
            <p rend="center"> <hi rendition="#b">Theokles.</hi> </p>
            <p>Eine sehr wahre Bemerkung, die Sie da machen! und woraus es                         sich erkla&#x0364;ren la&#x0364;ßt, daß oft religio&#x0364;se Menschen, besonders wenn sie mystische                         Religionsbegriffe haben, grade am unruhigsten sterben.</p>
            <p rend="center"> <hi rendition="#b">Damas.</hi> </p>
            <p>Natu&#x0364;rlich; es ist gewissermaßen Vorurtheil, daß der                         Tugendhafte immer ein sanftes Ende nehme. Es ha&#x0364;ngt alles von der Reihe der                         Bilder ab, welche der Seele in der Todesstunde vorschweben; manches auch von                         momentanen Eindru&#x0364;cken; denn diese ko&#x0364;nnen dem edlen Mann so gut, wie dem                         Bo&#x0364;sewichte, den Tod schrecklich machen. Einer meiner geliebtesten Freunde                         tra&#x0364;umte kurz vor seinem Tode, er sey schon in der Ho&#x0364;lle, und alles Zureden                         konnte ihn nicht zu sich selbst bringen. Nachher entdeckte ich, daß die                         Ursache dieser seiner peinigenden Vorstellung ein Feuer war, welches nicht                         weit vom Bette im Camine brannte, und wovon die Flamme ihm in die Augen                         schien. Das Feuer wurde ausgelo&#x0364;scht, und er ward ruhiger. Nach einiger Zeit                         war der Tocht des Lichts sehr lang geworden; ich putzte das Licht, und es                         verbreitete sich plo&#x0364;tz-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0047] schen sterben gesehn, welche die Todesangst um desto heftiger zerriß, weil sie von dem Zustande, der sie erwartete, mehr zu wissen glaubten, als sie wirklich wußten. Theokles. Eine sehr wahre Bemerkung, die Sie da machen! und woraus es sich erklaͤren laͤßt, daß oft religioͤse Menschen, besonders wenn sie mystische Religionsbegriffe haben, grade am unruhigsten sterben. Damas. Natuͤrlich; es ist gewissermaßen Vorurtheil, daß der Tugendhafte immer ein sanftes Ende nehme. Es haͤngt alles von der Reihe der Bilder ab, welche der Seele in der Todesstunde vorschweben; manches auch von momentanen Eindruͤcken; denn diese koͤnnen dem edlen Mann so gut, wie dem Boͤsewichte, den Tod schrecklich machen. Einer meiner geliebtesten Freunde traͤumte kurz vor seinem Tode, er sey schon in der Hoͤlle, und alles Zureden konnte ihn nicht zu sich selbst bringen. Nachher entdeckte ich, daß die Ursache dieser seiner peinigenden Vorstellung ein Feuer war, welches nicht weit vom Bette im Camine brannte, und wovon die Flamme ihm in die Augen schien. Das Feuer wurde ausgeloͤscht, und er ward ruhiger. Nach einiger Zeit war der Tocht des Lichts sehr lang geworden; ich putzte das Licht, und es verbreitete sich ploͤtz-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/47
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/47>, abgerufen am 08.10.2024.