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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788.

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Menschen suchen sich gar zu gern die Beweise von einer sie bewachenden göttlichen Providenz so anschaulich als möglich zu machen, und es ist den meisten leichter, sich in Gedanken einen gewissen Schutzgeist zu wählen, der alle ihre Angelegenheiten auf göttliche Veranlassung besorgt, als sich die Harmonie des Ganzen, worin die Schicksale eines jeden einzelnen weislich mit eingeschlossen sind, in Beziehung auf sich, deutlich vorzustellen. Jeder Mensch ist überdem geneigt, entweder, weil er sich für ein sehr wichtiges Jndividuum hält, oder weil er sehr sonderbare Phänomene an sich wirklich, wenigstens in gewissen Zeiten, zu bemerken glaubt, sich leicht in eine nähere Verbindung mit der Gottheit hineinzuträumen, und gleichsam durch ein Zwischensubject die Lücke auszufüllen, die zwischen ihm und der Gottheit ist. Jn dieser Jdee wird er nun durch eine Menge von Umständen bestärkt, die selbst ein philosophisches Raisonnement über die Kette aller Wesen, vom Wurm bis zur Gottheit hinan, so sehr dies auch noch bloße Hypothese seyn mag, zu bestätigen sucht. Es kommt ihm sehr natürlich vor, daß mit dem Menschen die Grade der Erkenntniß und Geistesvollkommenheit noch nicht aufhören, sondern von Stuffe zu Stuffe in Wesen ausser uns, immer weiter vorrücken müßten. Da diese Wesen, insofern sie sich nicht durch Sinne und Erfahrungen deutlich beweisen lassen, immer idealische Geschöpfe


Menschen suchen sich gar zu gern die Beweise von einer sie bewachenden goͤttlichen Providenz so anschaulich als moͤglich zu machen, und es ist den meisten leichter, sich in Gedanken einen gewissen Schutzgeist zu waͤhlen, der alle ihre Angelegenheiten auf goͤttliche Veranlassung besorgt, als sich die Harmonie des Ganzen, worin die Schicksale eines jeden einzelnen weislich mit eingeschlossen sind, in Beziehung auf sich, deutlich vorzustellen. Jeder Mensch ist uͤberdem geneigt, entweder, weil er sich fuͤr ein sehr wichtiges Jndividuum haͤlt, oder weil er sehr sonderbare Phaͤnomene an sich wirklich, wenigstens in gewissen Zeiten, zu bemerken glaubt, sich leicht in eine naͤhere Verbindung mit der Gottheit hineinzutraͤumen, und gleichsam durch ein Zwischensubject die Luͤcke auszufuͤllen, die zwischen ihm und der Gottheit ist. Jn dieser Jdee wird er nun durch eine Menge von Umstaͤnden bestaͤrkt, die selbst ein philosophisches Raisonnement uͤber die Kette aller Wesen, vom Wurm bis zur Gottheit hinan, so sehr dies auch noch bloße Hypothese seyn mag, zu bestaͤtigen sucht. Es kommt ihm sehr natuͤrlich vor, daß mit dem Menschen die Grade der Erkenntniß und Geistesvollkommenheit noch nicht aufhoͤren, sondern von Stuffe zu Stuffe in Wesen ausser uns, immer weiter vorruͤcken muͤßten. Da diese Wesen, insofern sie sich nicht durch Sinne und Erfahrungen deutlich beweisen lassen, immer idealische Geschoͤpfe

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[107/0107] Menschen suchen sich gar zu gern die Beweise von einer sie bewachenden goͤttlichen Providenz so anschaulich als moͤglich zu machen, und es ist den meisten leichter, sich in Gedanken einen gewissen Schutzgeist zu waͤhlen, der alle ihre Angelegenheiten auf goͤttliche Veranlassung besorgt, als sich die Harmonie des Ganzen, worin die Schicksale eines jeden einzelnen weislich mit eingeschlossen sind, in Beziehung auf sich, deutlich vorzustellen. Jeder Mensch ist uͤberdem geneigt, entweder, weil er sich fuͤr ein sehr wichtiges Jndividuum haͤlt, oder weil er sehr sonderbare Phaͤnomene an sich wirklich, wenigstens in gewissen Zeiten, zu bemerken glaubt, sich leicht in eine naͤhere Verbindung mit der Gottheit hineinzutraͤumen, und gleichsam durch ein Zwischensubject die Luͤcke auszufuͤllen, die zwischen ihm und der Gottheit ist. Jn dieser Jdee wird er nun durch eine Menge von Umstaͤnden bestaͤrkt, die selbst ein philosophisches Raisonnement uͤber die Kette aller Wesen, vom Wurm bis zur Gottheit hinan, so sehr dies auch noch bloße Hypothese seyn mag, zu bestaͤtigen sucht. Es kommt ihm sehr natuͤrlich vor, daß mit dem Menschen die Grade der Erkenntniß und Geistesvollkommenheit noch nicht aufhoͤren, sondern von Stuffe zu Stuffe in Wesen ausser uns, immer weiter vorruͤcken muͤßten. Da diese Wesen, insofern sie sich nicht durch Sinne und Erfahrungen deutlich beweisen lassen, immer idealische Geschoͤpfe

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/107>, abgerufen am 27.11.2024.