Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite


du ihn darin hältst, wirst du an deinen Sohn nicht denken! Jch erwachte sogleich, und dachte darüber nach, was mein Smaragd mit dem Nichtdenken an meinen Sohn für eine Verbindung haben könne; -- ich that es, und was unglaublich scheinen mögte, ich vergaß alles, was meinen Sohn betraf, theils damals, als ich wieder in Schlaf kam, theils in dem darauf folgenden ganzen Jahre und einem halben. Jnzwischen, wenn ich aß, oder öffentliche Vorlesungen hielt, und ich dann den wohlthätigen Smaragd nicht gebrauchen konnte, wurd' ich bis zum Todesschweiß gequält."

Jn der Nacht vor dem 13ten August 1572 hörte ich von der rechten Seite her ein entsetzliches Geräusch. Jch hatte Licht angezündet, wachte, und es war nicht weit von der zweiten Nachtstunde. Es kam mir so vor, als wenn ein Wagen mit Brettern abgeladen würde. Jch sehe mich um, es war im Eingange meines Schlafgemachs, wo ein Knabe schlief. Die Thür stand offen, und ich sehe auf einmal einen Bauer hereinkommen -- blicke ihn scharf an, und -- höre von ihm folgende Worte: Te sin casa. Worauf er sogleich verschwand. Jch kannte weder die Sprache, noch sein Gesicht, noch verstand auch, was obige Worte sagen wollten.

Jm Monat April 1570 trug sich folgendes zu. Als ich eben ein Gutachten für meinen Patron den


du ihn darin haͤltst, wirst du an deinen Sohn nicht denken! Jch erwachte sogleich, und dachte daruͤber nach, was mein Smaragd mit dem Nichtdenken an meinen Sohn fuͤr eine Verbindung haben koͤnne; — ich that es, und was unglaublich scheinen moͤgte, ich vergaß alles, was meinen Sohn betraf, theils damals, als ich wieder in Schlaf kam, theils in dem darauf folgenden ganzen Jahre und einem halben. Jnzwischen, wenn ich aß, oder oͤffentliche Vorlesungen hielt, und ich dann den wohlthaͤtigen Smaragd nicht gebrauchen konnte, wurd' ich bis zum Todesschweiß gequaͤlt.«

Jn der Nacht vor dem 13ten August 1572 hoͤrte ich von der rechten Seite her ein entsetzliches Geraͤusch. Jch hatte Licht angezuͤndet, wachte, und es war nicht weit von der zweiten Nachtstunde. Es kam mir so vor, als wenn ein Wagen mit Brettern abgeladen wuͤrde. Jch sehe mich um, es war im Eingange meines Schlafgemachs, wo ein Knabe schlief. Die Thuͤr stand offen, und ich sehe auf einmal einen Bauer hereinkommen — blicke ihn scharf an, und — hoͤre von ihm folgende Worte: Te sin casa. Worauf er sogleich verschwand. Jch kannte weder die Sprache, noch sein Gesicht, noch verstand auch, was obige Worte sagen wollten.

Jm Monat April 1570 trug sich folgendes zu. Als ich eben ein Gutachten fuͤr meinen Patron den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0100" n="100"/><lb/>
du ihn darin                         ha&#x0364;ltst, wirst du an deinen Sohn nicht denken! Jch erwachte sogleich, und                         dachte daru&#x0364;ber nach, was mein Smaragd mit dem Nichtdenken an meinen Sohn fu&#x0364;r                         eine Verbindung haben ko&#x0364;nne; &#x2014; ich that es, und was unglaublich scheinen                         mo&#x0364;gte, ich vergaß alles, was meinen Sohn betraf, theils damals, als ich                         wieder in Schlaf kam, theils in dem darauf folgenden ganzen Jahre und einem                         halben. Jnzwischen, wenn ich aß, oder o&#x0364;ffentliche Vorlesungen hielt, und ich                         dann den wohltha&#x0364;tigen Smaragd nicht gebrauchen konnte, wurd' ich bis zum                         Todesschweiß gequa&#x0364;lt.«</p>
            <p>Jn der Nacht vor dem 13ten August 1572 ho&#x0364;rte ich von der rechten Seite her                         ein entsetzliches Gera&#x0364;usch. Jch hatte Licht angezu&#x0364;ndet, wachte, und es war                         nicht weit von der zweiten Nachtstunde. Es kam mir so vor, als wenn ein                         Wagen mit Brettern abgeladen wu&#x0364;rde. Jch sehe mich um, es war im Eingange                         meines Schlafgemachs, wo ein Knabe schlief. Die Thu&#x0364;r stand offen, und ich                         sehe auf einmal einen Bauer hereinkommen &#x2014; blicke ihn scharf an, und &#x2014; ho&#x0364;re                         von ihm folgende Worte: <hi rendition="#aq">Te sin casa.</hi> Worauf er                         sogleich verschwand. Jch kannte weder die Sprache, noch sein Gesicht, noch                         verstand auch, was obige Worte sagen wollten.</p>
            <p>Jm Monat April 1570 trug sich folgendes zu. Als ich eben ein Gutachten fu&#x0364;r                         meinen Patron den<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0100] du ihn darin haͤltst, wirst du an deinen Sohn nicht denken! Jch erwachte sogleich, und dachte daruͤber nach, was mein Smaragd mit dem Nichtdenken an meinen Sohn fuͤr eine Verbindung haben koͤnne; — ich that es, und was unglaublich scheinen moͤgte, ich vergaß alles, was meinen Sohn betraf, theils damals, als ich wieder in Schlaf kam, theils in dem darauf folgenden ganzen Jahre und einem halben. Jnzwischen, wenn ich aß, oder oͤffentliche Vorlesungen hielt, und ich dann den wohlthaͤtigen Smaragd nicht gebrauchen konnte, wurd' ich bis zum Todesschweiß gequaͤlt.« Jn der Nacht vor dem 13ten August 1572 hoͤrte ich von der rechten Seite her ein entsetzliches Geraͤusch. Jch hatte Licht angezuͤndet, wachte, und es war nicht weit von der zweiten Nachtstunde. Es kam mir so vor, als wenn ein Wagen mit Brettern abgeladen wuͤrde. Jch sehe mich um, es war im Eingange meines Schlafgemachs, wo ein Knabe schlief. Die Thuͤr stand offen, und ich sehe auf einmal einen Bauer hereinkommen — blicke ihn scharf an, und — hoͤre von ihm folgende Worte: Te sin casa. Worauf er sogleich verschwand. Jch kannte weder die Sprache, noch sein Gesicht, noch verstand auch, was obige Worte sagen wollten. Jm Monat April 1570 trug sich folgendes zu. Als ich eben ein Gutachten fuͤr meinen Patron den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/100
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/100>, abgerufen am 28.04.2024.