Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite


chen einer tiefgewurzelten Rechthaberei. Ja sie ist geneigt, dergleichen Personen alle Gottseligkeit abzusprechen, ihnen Bosheit anzudichten: wie schlimm! Zu dem kommt, daß sie die Gelehrten nichts will wissen lassen - ohe jam satis! Da wäre also noch viel zu fragen, ob die Offenbarungen wirklich geschehen, oder erdichtet sind?

Zweitens aber, posito: alles sey geschehen wie es erzählt ist, was ist von diesen Offenbarungen zu halten? Sind sie Wirkungen von aussen, oder Geschöpfe der Einbildungskraft und einer regelwidrigen Circulation?

Sie sollen nach dem Vorgeben d. Fr. B. göttlich gewirkte Erscheinungen und Offenbarungen seyn. Das sind sie nicht, das können sie schlechterdings nicht seyn. Einmal wissen wir aus der Vernunft und Schrift von dergleichen Offenbarungen keinen Vermuthungs- und Erwartungsgrund; nirgend ein Versprechen derselben, eine Anweisung, wie wir uns dabei verhalten, keine, wie wir uns nach Maaßgabe derselben bestimmen sollen. Gott hat sich uns offenbart durch seine Werke, und durch die eingeführten Gesetze der physischen Natur; er hat sich offenbart durch die heil. Schrift. Jst er unveränderlich, so bleibt er bei seiner einmal erklärten Meinung und Anweisung, und kann sich durch neue Offenbarun-


chen einer tiefgewurzelten Rechthaberei. Ja sie ist geneigt, dergleichen Personen alle Gottseligkeit abzusprechen, ihnen Bosheit anzudichten: wie schlimm! Zu dem kommt, daß sie die Gelehrten nichts will wissen lassen – ohe jam satis! Da waͤre also noch viel zu fragen, ob die Offenbarungen wirklich geschehen, oder erdichtet sind?

Zweitens aber, posito: alles sey geschehen wie es erzaͤhlt ist, was ist von diesen Offenbarungen zu halten? Sind sie Wirkungen von aussen, oder Geschoͤpfe der Einbildungskraft und einer regelwidrigen Circulation?

Sie sollen nach dem Vorgeben d. Fr. B. goͤttlich gewirkte Erscheinungen und Offenbarungen seyn. Das sind sie nicht, das koͤnnen sie schlechterdings nicht seyn. Einmal wissen wir aus der Vernunft und Schrift von dergleichen Offenbarungen keinen Vermuthungs- und Erwartungsgrund; nirgend ein Versprechen derselben, eine Anweisung, wie wir uns dabei verhalten, keine, wie wir uns nach Maaßgabe derselben bestimmen sollen. Gott hat sich uns offenbart durch seine Werke, und durch die eingefuͤhrten Gesetze der physischen Natur; er hat sich offenbart durch die heil. Schrift. Jst er unveraͤnderlich, so bleibt er bei seiner einmal erklaͤrten Meinung und Anweisung, und kann sich durch neue Offenbarun-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0048" n="46"/><lb/>
chen                   einer tiefgewurzelten Rechthaberei. Ja sie ist geneigt, dergleichen Personen alle                   Gottseligkeit abzusprechen, ihnen Bosheit anzudichten: wie schlimm! Zu dem kommt,                   daß sie die Gelehrten nichts will wissen lassen &#x2013; <hi rendition="#aq">ohe jam                      satis!</hi> Da wa&#x0364;re also noch viel zu fragen, ob die Offenbarungen wirklich                   geschehen, oder erdichtet sind?</p>
              <p rend="indention4">Zweitens aber, <hi rendition="#aq">posito:</hi> <hi rendition="#b">alles sey geschehen wie es erza&#x0364;hlt ist, was ist von diesen                      Offenbarungen zu halten? Sind sie Wirkungen von aussen, oder Gescho&#x0364;pfe der                      Einbildungskraft und einer regelwidrigen Circulation?</hi></p>
              <p>Sie sollen nach dem Vorgeben d. Fr. B. go&#x0364;ttlich gewirkte                   Erscheinungen und Offenbarungen seyn. Das sind sie nicht, das ko&#x0364;nnen sie                   schlechterdings nicht seyn. Einmal wissen wir aus der Vernunft und Schrift von                   dergleichen Offenbarungen keinen Vermuthungs- und Erwartungsgrund; nirgend ein                   Versprechen derselben, eine Anweisung, wie wir uns dabei verhalten, keine, wie wir                   uns nach Maaßgabe derselben bestimmen sollen. Gott hat sich uns offenbart durch                   seine Werke, und durch die eingefu&#x0364;hrten Gesetze der physischen Natur; er hat sich                   offenbart durch die heil. Schrift. Jst er unvera&#x0364;nderlich, so bleibt er bei seiner                   einmal erkla&#x0364;rten Meinung und Anweisung, und kann sich durch neue Offenbarun-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0048] chen einer tiefgewurzelten Rechthaberei. Ja sie ist geneigt, dergleichen Personen alle Gottseligkeit abzusprechen, ihnen Bosheit anzudichten: wie schlimm! Zu dem kommt, daß sie die Gelehrten nichts will wissen lassen – ohe jam satis! Da waͤre also noch viel zu fragen, ob die Offenbarungen wirklich geschehen, oder erdichtet sind? Zweitens aber, posito: alles sey geschehen wie es erzaͤhlt ist, was ist von diesen Offenbarungen zu halten? Sind sie Wirkungen von aussen, oder Geschoͤpfe der Einbildungskraft und einer regelwidrigen Circulation? Sie sollen nach dem Vorgeben d. Fr. B. goͤttlich gewirkte Erscheinungen und Offenbarungen seyn. Das sind sie nicht, das koͤnnen sie schlechterdings nicht seyn. Einmal wissen wir aus der Vernunft und Schrift von dergleichen Offenbarungen keinen Vermuthungs- und Erwartungsgrund; nirgend ein Versprechen derselben, eine Anweisung, wie wir uns dabei verhalten, keine, wie wir uns nach Maaßgabe derselben bestimmen sollen. Gott hat sich uns offenbart durch seine Werke, und durch die eingefuͤhrten Gesetze der physischen Natur; er hat sich offenbart durch die heil. Schrift. Jst er unveraͤnderlich, so bleibt er bei seiner einmal erklaͤrten Meinung und Anweisung, und kann sich durch neue Offenbarun-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/48
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/48>, abgerufen am 21.11.2024.