Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.
Zweitens aber, posito: alles sey geschehen wie es erzählt ist, was ist von diesen Offenbarungen zu halten? Sind sie Wirkungen von aussen, oder Geschöpfe der Einbildungskraft und einer regelwidrigen Circulation? Sie sollen nach dem Vorgeben d. Fr. B. göttlich gewirkte Erscheinungen und Offenbarungen seyn. Das sind sie nicht, das können sie schlechterdings nicht seyn. Einmal wissen wir aus der Vernunft und Schrift von dergleichen Offenbarungen keinen Vermuthungs- und Erwartungsgrund; nirgend ein Versprechen derselben, eine Anweisung, wie wir uns dabei verhalten, keine, wie wir uns nach Maaßgabe derselben bestimmen sollen. Gott hat sich uns offenbart durch seine Werke, und durch die eingeführten Gesetze der physischen Natur; er hat sich offenbart durch die heil. Schrift. Jst er unveränderlich, so bleibt er bei seiner einmal erklärten Meinung und Anweisung, und kann sich durch neue Offenbarun-
Zweitens aber, posito: alles sey geschehen wie es erzaͤhlt ist, was ist von diesen Offenbarungen zu halten? Sind sie Wirkungen von aussen, oder Geschoͤpfe der Einbildungskraft und einer regelwidrigen Circulation? Sie sollen nach dem Vorgeben d. Fr. B. goͤttlich gewirkte Erscheinungen und Offenbarungen seyn. Das sind sie nicht, das koͤnnen sie schlechterdings nicht seyn. Einmal wissen wir aus der Vernunft und Schrift von dergleichen Offenbarungen keinen Vermuthungs- und Erwartungsgrund; nirgend ein Versprechen derselben, eine Anweisung, wie wir uns dabei verhalten, keine, wie wir uns nach Maaßgabe derselben bestimmen sollen. Gott hat sich uns offenbart durch seine Werke, und durch die eingefuͤhrten Gesetze der physischen Natur; er hat sich offenbart durch die heil. Schrift. Jst er unveraͤnderlich, so bleibt er bei seiner einmal erklaͤrten Meinung und Anweisung, und kann sich durch neue Offenbarun- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0048" n="46"/><lb/> chen einer tiefgewurzelten Rechthaberei. Ja sie ist geneigt, dergleichen Personen alle Gottseligkeit abzusprechen, ihnen Bosheit anzudichten: wie schlimm! Zu dem kommt, daß sie die Gelehrten nichts will wissen lassen – <hi rendition="#aq">ohe jam satis!</hi> Da waͤre also noch viel zu fragen, ob die Offenbarungen wirklich geschehen, oder erdichtet sind?</p> <p rend="indention4">Zweitens aber, <hi rendition="#aq">posito:</hi> <hi rendition="#b">alles sey geschehen wie es erzaͤhlt ist, was ist von diesen Offenbarungen zu halten? Sind sie Wirkungen von aussen, oder Geschoͤpfe der Einbildungskraft und einer regelwidrigen Circulation?</hi></p> <p>Sie sollen nach dem Vorgeben d. Fr. B. goͤttlich gewirkte Erscheinungen und Offenbarungen seyn. Das sind sie nicht, das koͤnnen sie schlechterdings nicht seyn. Einmal wissen wir aus der Vernunft und Schrift von dergleichen Offenbarungen keinen Vermuthungs- und Erwartungsgrund; nirgend ein Versprechen derselben, eine Anweisung, wie wir uns dabei verhalten, keine, wie wir uns nach Maaßgabe derselben bestimmen sollen. Gott hat sich uns offenbart durch seine Werke, und durch die eingefuͤhrten Gesetze der physischen Natur; er hat sich offenbart durch die heil. Schrift. Jst er unveraͤnderlich, so bleibt er bei seiner einmal erklaͤrten Meinung und Anweisung, und kann sich durch neue Offenbarun-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [46/0048]
chen einer tiefgewurzelten Rechthaberei. Ja sie ist geneigt, dergleichen Personen alle Gottseligkeit abzusprechen, ihnen Bosheit anzudichten: wie schlimm! Zu dem kommt, daß sie die Gelehrten nichts will wissen lassen – ohe jam satis! Da waͤre also noch viel zu fragen, ob die Offenbarungen wirklich geschehen, oder erdichtet sind?
Zweitens aber, posito: alles sey geschehen wie es erzaͤhlt ist, was ist von diesen Offenbarungen zu halten? Sind sie Wirkungen von aussen, oder Geschoͤpfe der Einbildungskraft und einer regelwidrigen Circulation?
Sie sollen nach dem Vorgeben d. Fr. B. goͤttlich gewirkte Erscheinungen und Offenbarungen seyn. Das sind sie nicht, das koͤnnen sie schlechterdings nicht seyn. Einmal wissen wir aus der Vernunft und Schrift von dergleichen Offenbarungen keinen Vermuthungs- und Erwartungsgrund; nirgend ein Versprechen derselben, eine Anweisung, wie wir uns dabei verhalten, keine, wie wir uns nach Maaßgabe derselben bestimmen sollen. Gott hat sich uns offenbart durch seine Werke, und durch die eingefuͤhrten Gesetze der physischen Natur; er hat sich offenbart durch die heil. Schrift. Jst er unveraͤnderlich, so bleibt er bei seiner einmal erklaͤrten Meinung und Anweisung, und kann sich durch neue Offenbarun-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/48>, abgerufen am 27.07.2024. |