Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite


Göttern, die jene alten Völker sich nach und nach erträumt hatten, gab es nach ihrer Meinung auch viele boshafte und neidische Gottheiten, die immer lauerten, wo sie den Menschen etwas zu leide thun konnten. Vermöge ihrer heimtückischen Natur suchten sie vornehmlich denjenigen zu schaden, die vor andern glücklich und geehrt waren. Man befürchtete daher, sie auf dasjenige aufmerksam zu machen, was man mit lauter Stimme rühmte, und um dem Dinge zuvorzukommen, bediente man sich denn eines besondern Ausdrucks, welcher dem Teutschen: Gott behüt es! nahe kam. Der Lateiner hatte sein Praefiscine! und der Grieche sein abanasos Hierzu kam nun noch der alte Volksglaube, daß nicht alle Stunden des Tages gleich wären; sondern daß verschiedene für den Menschen sehr gefährlich werden könnten, man wollte daher durch jene Ausdrücke zugleich sagen: Gott gebe, daß ich's zu einer guten Stunde geredet habe! Aller dergleichen Aberglaube ist zu den Christen bei ihrer Vermischung mit Römischen und Orientalischen Völkern übergegangen, und die Priester haben sonderlich in mittlern Zeiten alles gethan, um das Volk dabei zu erhalten, weil sie, wie bekannt, von der Blindheit desselben ihre Vortheile zogen.

Der Ursprung des Aberglaubens überhaupt, wir mögen ihn nun entweder bei ganzen Völkern, oder einzelnen Menschen betrachten, hat überall und allemal seine natürlichen Ursachen. Die mensch-


Goͤttern, die jene alten Voͤlker sich nach und nach ertraͤumt hatten, gab es nach ihrer Meinung auch viele boshafte und neidische Gottheiten, die immer lauerten, wo sie den Menschen etwas zu leide thun konnten. Vermoͤge ihrer heimtuͤckischen Natur suchten sie vornehmlich denjenigen zu schaden, die vor andern gluͤcklich und geehrt waren. Man befuͤrchtete daher, sie auf dasjenige aufmerksam zu machen, was man mit lauter Stimme ruͤhmte, und um dem Dinge zuvorzukommen, bediente man sich denn eines besondern Ausdrucks, welcher dem Teutschen: Gott behuͤt es! nahe kam. Der Lateiner hatte sein Praefiscine! und der Grieche sein αβαναςως Hierzu kam nun noch der alte Volksglaube, daß nicht alle Stunden des Tages gleich waͤren; sondern daß verschiedene fuͤr den Menschen sehr gefaͤhrlich werden koͤnnten, man wollte daher durch jene Ausdruͤcke zugleich sagen: Gott gebe, daß ich's zu einer guten Stunde geredet habe! Aller dergleichen Aberglaube ist zu den Christen bei ihrer Vermischung mit Roͤmischen und Orientalischen Voͤlkern uͤbergegangen, und die Priester haben sonderlich in mittlern Zeiten alles gethan, um das Volk dabei zu erhalten, weil sie, wie bekannt, von der Blindheit desselben ihre Vortheile zogen.

Der Ursprung des Aberglaubens uͤberhaupt, wir moͤgen ihn nun entweder bei ganzen Voͤlkern, oder einzelnen Menschen betrachten, hat uͤberall und allemal seine natuͤrlichen Ursachen. Die mensch-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0027" n="25"/><lb/>
Go&#x0364;ttern, die jene alten Vo&#x0364;lker sich nach und nach ertra&#x0364;umt                   hatten, gab es nach ihrer Meinung auch viele boshafte und neidische Gottheiten,                   die immer lauerten, wo sie den Menschen etwas zu leide thun konnten. Vermo&#x0364;ge ihrer                   heimtu&#x0364;ckischen Natur suchten sie vornehmlich denjenigen zu schaden, die vor andern                   glu&#x0364;cklich und geehrt waren. Man befu&#x0364;rchtete daher, sie auf dasjenige aufmerksam zu                   machen, was man mit lauter Stimme ru&#x0364;hmte, und um dem Dinge zuvorzukommen, bediente                   man sich denn eines besondern Ausdrucks, welcher dem Teutschen: <hi rendition="#b">Gott behu&#x0364;t es!</hi> nahe kam. Der Lateiner hatte sein <hi rendition="#aq">Praefiscine!</hi> und der Grieche sein &#x03B1;&#x03B2;&#x03B1;&#x03BD;&#x03B1;&#x03C2;&#x03C9;&#x03C2; Hierzu kam nun noch der alte                   Volksglaube, daß nicht alle Stunden des Tages gleich wa&#x0364;ren; sondern daß                   verschiedene fu&#x0364;r den Menschen sehr gefa&#x0364;hrlich werden ko&#x0364;nnten, man wollte daher                   durch jene Ausdru&#x0364;cke zugleich sagen: Gott gebe, daß ich's zu einer guten Stunde                   geredet habe! Aller dergleichen Aberglaube ist zu den Christen bei ihrer                   Vermischung mit Ro&#x0364;mischen und Orientalischen Vo&#x0364;lkern u&#x0364;bergegangen, und die                   Priester haben sonderlich in mittlern Zeiten alles gethan, um das Volk dabei zu                   erhalten, weil sie, wie bekannt, von der Blindheit desselben ihre Vortheile                   zogen.</p>
            <p>Der Ursprung des Aberglaubens u&#x0364;berhaupt, wir mo&#x0364;gen ihn nun entweder bei ganzen                   Vo&#x0364;lkern, oder einzelnen Menschen betrachten, hat u&#x0364;berall und allemal seine                   natu&#x0364;rlichen Ursachen. Die mensch-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0027] Goͤttern, die jene alten Voͤlker sich nach und nach ertraͤumt hatten, gab es nach ihrer Meinung auch viele boshafte und neidische Gottheiten, die immer lauerten, wo sie den Menschen etwas zu leide thun konnten. Vermoͤge ihrer heimtuͤckischen Natur suchten sie vornehmlich denjenigen zu schaden, die vor andern gluͤcklich und geehrt waren. Man befuͤrchtete daher, sie auf dasjenige aufmerksam zu machen, was man mit lauter Stimme ruͤhmte, und um dem Dinge zuvorzukommen, bediente man sich denn eines besondern Ausdrucks, welcher dem Teutschen: Gott behuͤt es! nahe kam. Der Lateiner hatte sein Praefiscine! und der Grieche sein αβαναςως Hierzu kam nun noch der alte Volksglaube, daß nicht alle Stunden des Tages gleich waͤren; sondern daß verschiedene fuͤr den Menschen sehr gefaͤhrlich werden koͤnnten, man wollte daher durch jene Ausdruͤcke zugleich sagen: Gott gebe, daß ich's zu einer guten Stunde geredet habe! Aller dergleichen Aberglaube ist zu den Christen bei ihrer Vermischung mit Roͤmischen und Orientalischen Voͤlkern uͤbergegangen, und die Priester haben sonderlich in mittlern Zeiten alles gethan, um das Volk dabei zu erhalten, weil sie, wie bekannt, von der Blindheit desselben ihre Vortheile zogen. Der Ursprung des Aberglaubens uͤberhaupt, wir moͤgen ihn nun entweder bei ganzen Voͤlkern, oder einzelnen Menschen betrachten, hat uͤberall und allemal seine natuͤrlichen Ursachen. Die mensch-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/27
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/27>, abgerufen am 24.04.2024.