Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.
"Als ich, sagt er, zu Pavia öffentliche Collegia las, hatte ich eine Magd, einen jungen Menschen, Hercules, zwei Knaben, und wo ich nicht irre, einen Bedienten im Hause. Der eine von den Knaben war mein Hauslaquai und ein Musikus, der andre wurde zum Ausschicken gebraucht. 1562 wollte ich von Pavia weggehn und meine Professur niederlegen. Der Senat nahm dies übel, und suchte mich beizubehalten. Nun waren aber noch zwei Doctoren in Pavia, - einer war sogar mein Schüler gewesen, ein erzlistiger Kerl; der andre lehrte die Arzneikunst, ein einfältiger und, wie ich glaube, nicht böser Mensch. Da beide meine Nebenbuhler waren, so thaten sie alles mögliche, daß ich die Stadt verlassen mögte; da dies aber der Senat nicht zugeben wollte, ob ich gleich um meinen Abschied anhielt: so beschlossen sie, mich heimlicher Weise zu ermorden, und legten ihren Plan auf mein Leben von weitem an. Zuvörderst schrieben sie im Namen meines Schwiegersohns und meiner Tochter einen äusserst schändlichen und schmutzigen Brief, daß sie sich nämlich im Namen des Se-
»Als ich, sagt er, zu Pavia oͤffentliche Collegia las, hatte ich eine Magd, einen jungen Menschen, Hercules, zwei Knaben, und wo ich nicht irre, einen Bedienten im Hause. Der eine von den Knaben war mein Hauslaquai und ein Musikus, der andre wurde zum Ausschicken gebraucht. 1562 wollte ich von Pavia weggehn und meine Professur niederlegen. Der Senat nahm dies uͤbel, und suchte mich beizubehalten. Nun waren aber noch zwei Doctoren in Pavia, – einer war sogar mein Schuͤler gewesen, ein erzlistiger Kerl; der andre lehrte die Arzneikunst, ein einfaͤltiger und, wie ich glaube, nicht boͤser Mensch. Da beide meine Nebenbuhler waren, so thaten sie alles moͤgliche, daß ich die Stadt verlassen moͤgte; da dies aber der Senat nicht zugeben wollte, ob ich gleich um meinen Abschied anhielt: so beschlossen sie, mich heimlicher Weise zu ermorden, und legten ihren Plan auf mein Leben von weitem an. Zuvoͤrderst schrieben sie im Namen meines Schwiegersohns und meiner Tochter einen aͤusserst schaͤndlichen und schmutzigen Brief, daß sie sich naͤmlich im Namen des Se- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0124" n="122"/><lb/> Hinrichtung seines Sohns; seine eigene Einkerkerung; die Gottlosigkeit seines dritten Sohns, und die Unfruchtbarkeit seinerTochter. Die Nachstellungen nach seinem Leben sind in der That aͤusserst merkwuͤrdig, und ein Beitrag zur Geschichte menschlicher versteckter Bosheit.</p> <p>»Als ich, sagt er, zu Pavia oͤffentliche Collegia las, hatte ich eine Magd, einen jungen Menschen, <hi rendition="#b">Hercules</hi>, zwei Knaben, und wo ich nicht irre, einen Bedienten im Hause. Der eine von den Knaben war mein Hauslaquai und ein Musikus, der andre wurde zum Ausschicken gebraucht. 1562 wollte ich von Pavia weggehn und meine Professur niederlegen. Der Senat nahm dies uͤbel, und suchte mich beizubehalten. Nun waren aber noch zwei Doctoren in Pavia, – einer war sogar mein Schuͤler gewesen, ein erzlistiger Kerl; der andre lehrte die Arzneikunst, ein einfaͤltiger und, wie ich glaube, nicht boͤser Mensch. Da beide meine Nebenbuhler waren, so thaten sie alles moͤgliche, daß ich die Stadt verlassen moͤgte; da dies aber der Senat nicht zugeben wollte, ob ich gleich um meinen Abschied anhielt: so beschlossen sie, mich heimlicher Weise zu <hi rendition="#b">ermorden,</hi> und legten ihren Plan auf mein Leben von weitem an. Zuvoͤrderst schrieben sie im Namen meines Schwiegersohns und meiner Tochter einen aͤusserst schaͤndlichen und schmutzigen Brief, daß sie sich naͤmlich im Namen des Se-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [122/0124]
Hinrichtung seines Sohns; seine eigene Einkerkerung; die Gottlosigkeit seines dritten Sohns, und die Unfruchtbarkeit seinerTochter. Die Nachstellungen nach seinem Leben sind in der That aͤusserst merkwuͤrdig, und ein Beitrag zur Geschichte menschlicher versteckter Bosheit.
»Als ich, sagt er, zu Pavia oͤffentliche Collegia las, hatte ich eine Magd, einen jungen Menschen, Hercules, zwei Knaben, und wo ich nicht irre, einen Bedienten im Hause. Der eine von den Knaben war mein Hauslaquai und ein Musikus, der andre wurde zum Ausschicken gebraucht. 1562 wollte ich von Pavia weggehn und meine Professur niederlegen. Der Senat nahm dies uͤbel, und suchte mich beizubehalten. Nun waren aber noch zwei Doctoren in Pavia, – einer war sogar mein Schuͤler gewesen, ein erzlistiger Kerl; der andre lehrte die Arzneikunst, ein einfaͤltiger und, wie ich glaube, nicht boͤser Mensch. Da beide meine Nebenbuhler waren, so thaten sie alles moͤgliche, daß ich die Stadt verlassen moͤgte; da dies aber der Senat nicht zugeben wollte, ob ich gleich um meinen Abschied anhielt: so beschlossen sie, mich heimlicher Weise zu ermorden, und legten ihren Plan auf mein Leben von weitem an. Zuvoͤrderst schrieben sie im Namen meines Schwiegersohns und meiner Tochter einen aͤusserst schaͤndlichen und schmutzigen Brief, daß sie sich naͤmlich im Namen des Se-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/124>, abgerufen am 27.07.2024. |