Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite


wir ganz übergehn können, weil es nichts merkwürdiges für den Psychologen enthält, und weil viel wichtigere Dinge in jener Biographie vorkommen. Das zweite Kapitel handelt von seiner Geburt; und hier lernt man schon einigermaßen den Mann nach seinen astrologischen Grillen, welche in damaligen Zeiten einen Theil der mathematischen und physischen gelehrten Kenntnisse ausmachten, kennen. Er findet in der Constellation der Gestirne, daß er gar leicht als ein Monstrum hätte geboren werden können, welches aber dadurch verhütet worden sey, weil bei seiner Geburt grade die Sonne, Venus und Mercur in menschlichen Zeichen gestanden hätten. Da, fährt er fort, der Jupiter im Aufsteigen, und Venus die Beherrscherinn des ganzen Zeichens war: so wurde ich bloß in Absicht meiner männlichen Glieder verwahrlost, so daß ich von meinem 21ten bis in's 31ste Jahr meines Lebens zum ehelichen Umgange untauglich war, mein Schicksal oft beweinte, und andere, die glücklicher als ich waren, beneidete. Aus eben jener Constellation der Himmelszeichen leitet er seinen niedrigen Stand, seine lispelnde Sprache, seine schnelle und überraschende Divinationskraft und andre Prophezeihungsgaben her. Nach jener Constellation, obgleich aus mir hätte etwas werden können, heißt es ferner, blieb mir nichts als eine gewisse Verschlagenheit und Sklaverei des Gemüths übrig, ward ich ein Mann, der nach abgebrochenen und unerlaubten Entschlüssen han-


wir ganz uͤbergehn koͤnnen, weil es nichts merkwuͤrdiges fuͤr den Psychologen enthaͤlt, und weil viel wichtigere Dinge in jener Biographie vorkommen. Das zweite Kapitel handelt von seiner Geburt; und hier lernt man schon einigermaßen den Mann nach seinen astrologischen Grillen, welche in damaligen Zeiten einen Theil der mathematischen und physischen gelehrten Kenntnisse ausmachten, kennen. Er findet in der Constellation der Gestirne, daß er gar leicht als ein Monstrum haͤtte geboren werden koͤnnen, welches aber dadurch verhuͤtet worden sey, weil bei seiner Geburt grade die Sonne, Venus und Mercur in menschlichen Zeichen gestanden haͤtten. Da, faͤhrt er fort, der Jupiter im Aufsteigen, und Venus die Beherrscherinn des ganzen Zeichens war: so wurde ich bloß in Absicht meiner maͤnnlichen Glieder verwahrlost, so daß ich von meinem 21ten bis in's 31ste Jahr meines Lebens zum ehelichen Umgange untauglich war, mein Schicksal oft beweinte, und andere, die gluͤcklicher als ich waren, beneidete. Aus eben jener Constellation der Himmelszeichen leitet er seinen niedrigen Stand, seine lispelnde Sprache, seine schnelle und uͤberraschende Divinationskraft und andre Prophezeihungsgaben her. Nach jener Constellation, obgleich aus mir haͤtte etwas werden koͤnnen, heißt es ferner, blieb mir nichts als eine gewisse Verschlagenheit und Sklaverei des Gemuͤths uͤbrig, ward ich ein Mann, der nach abgebrochenen und unerlaubten Entschluͤssen han-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0106" n="104"/><lb/>
wir ganz u&#x0364;bergehn ko&#x0364;nnen, weil es nichts                   merkwu&#x0364;rdiges fu&#x0364;r den Psychologen entha&#x0364;lt, und weil viel wichtigere Dinge in jener                   Biographie vorkommen. Das zweite Kapitel handelt von seiner Geburt; und hier lernt                   man schon einigermaßen den Mann nach seinen astrologischen Grillen, welche in                   damaligen Zeiten einen Theil der mathematischen und physischen gelehrten                   Kenntnisse ausmachten, kennen. Er findet in der Constellation der Gestirne, daß er                   gar leicht als ein <hi rendition="#b">Monstrum</hi> ha&#x0364;tte geboren werden ko&#x0364;nnen,                   welches aber dadurch verhu&#x0364;tet worden sey, weil bei seiner Geburt grade die Sonne,                   Venus und Mercur in menschlichen Zeichen gestanden ha&#x0364;tten. Da, fa&#x0364;hrt er fort, der                   Jupiter im Aufsteigen, und Venus die Beherrscherinn des ganzen Zeichens war: so                   wurde ich bloß in Absicht meiner ma&#x0364;nnlichen Glieder verwahrlost, so daß ich von                   meinem 21ten bis in's 31ste Jahr meines Lebens zum ehelichen Umgange untauglich                   war, mein Schicksal oft beweinte, und andere, die glu&#x0364;cklicher als ich waren,                   beneidete. Aus eben jener Constellation der Himmelszeichen leitet er seinen                   niedrigen Stand, seine lispelnde Sprache, seine schnelle und u&#x0364;berraschende                   Divinationskraft und andre Prophezeihungsgaben her. Nach jener Constellation,                   obgleich aus mir ha&#x0364;tte etwas werden ko&#x0364;nnen, heißt es ferner, blieb mir nichts als                   eine gewisse Verschlagenheit und Sklaverei des Gemu&#x0364;ths u&#x0364;brig, ward ich ein Mann,                   der nach abgebrochenen und unerlaubten Entschlu&#x0364;ssen han-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[104/0106] wir ganz uͤbergehn koͤnnen, weil es nichts merkwuͤrdiges fuͤr den Psychologen enthaͤlt, und weil viel wichtigere Dinge in jener Biographie vorkommen. Das zweite Kapitel handelt von seiner Geburt; und hier lernt man schon einigermaßen den Mann nach seinen astrologischen Grillen, welche in damaligen Zeiten einen Theil der mathematischen und physischen gelehrten Kenntnisse ausmachten, kennen. Er findet in der Constellation der Gestirne, daß er gar leicht als ein Monstrum haͤtte geboren werden koͤnnen, welches aber dadurch verhuͤtet worden sey, weil bei seiner Geburt grade die Sonne, Venus und Mercur in menschlichen Zeichen gestanden haͤtten. Da, faͤhrt er fort, der Jupiter im Aufsteigen, und Venus die Beherrscherinn des ganzen Zeichens war: so wurde ich bloß in Absicht meiner maͤnnlichen Glieder verwahrlost, so daß ich von meinem 21ten bis in's 31ste Jahr meines Lebens zum ehelichen Umgange untauglich war, mein Schicksal oft beweinte, und andere, die gluͤcklicher als ich waren, beneidete. Aus eben jener Constellation der Himmelszeichen leitet er seinen niedrigen Stand, seine lispelnde Sprache, seine schnelle und uͤberraschende Divinationskraft und andre Prophezeihungsgaben her. Nach jener Constellation, obgleich aus mir haͤtte etwas werden koͤnnen, heißt es ferner, blieb mir nichts als eine gewisse Verschlagenheit und Sklaverei des Gemuͤths uͤbrig, ward ich ein Mann, der nach abgebrochenen und unerlaubten Entschluͤssen han-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/106
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 1. Berlin, 1788, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0601_1788/106>, abgerufen am 28.04.2024.