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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.

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gen und Listigkeit, -- aber desto mehr Liebe, Wahrheit und Offenheit unter den Menschen herrschen, wenn diese nicht -- oder nicht so mannichfaltig wäre. Doch labt sich unser Trieb nach Vervollkommung auch öfters an ihr: wir forschen nach dem Genius der Sprache: wir suchen daraus den Charakter der Nation annähernd zu bestimmen; wir sehen, wie weit die Denkart der Menschen von einander abgehet, oder sich vereinbart, und wo -- in welchen Abstuffungen -- nach welchen Gründen; da lernen wir kennen, in welchem Grad der Kultur und Vollkommenheit eine Nation steht; denn Verbesserung der Sprache ist eine Stufe der Landsaufklärung; dahin gehören auch die Bemühungen, eine Sprache Wortreich, Nachdruck- und Bedeutungsvoll -- angenehm, fließend und leicht zu machen, sie von Verunstaltungen und nichts bedeutenden oder inkonvenienten Ausdrücken zu säubern.

Die Sprache ist der Abdruck der Gedanken: die Zeichen der Gedanken können nun mittelst eines festgesetzten Tones, oder mittelst festgesetzter mit der Feder gemachten Züge (Schriftzeichen) andern verständlich gemacht werden. Die erste Art wird in der Leselehre abgehandelt; die zwote in der Rechtschreibungslehre, und so wären also die zwo Hauptabtheilungen einer allgemeinen Sprachlehre gemacht; um deutlich und zusammenhängend zu seyn, müßten dann die Gegenstände nach ihrem Ur-


gen und Listigkeit, — aber desto mehr Liebe, Wahrheit und Offenheit unter den Menschen herrschen, wenn diese nicht — oder nicht so mannichfaltig waͤre. Doch labt sich unser Trieb nach Vervollkommung auch oͤfters an ihr: wir forschen nach dem Genius der Sprache: wir suchen daraus den Charakter der Nation annaͤhernd zu bestimmen; wir sehen, wie weit die Denkart der Menschen von einander abgehet, oder sich vereinbart, und wo — in welchen Abstuffungen — nach welchen Gruͤnden; da lernen wir kennen, in welchem Grad der Kultur und Vollkommenheit eine Nation steht; denn Verbesserung der Sprache ist eine Stufe der Landsaufklaͤrung; dahin gehoͤren auch die Bemuͤhungen, eine Sprache Wortreich, Nachdruck- und Bedeutungsvoll — angenehm, fließend und leicht zu machen, sie von Verunstaltungen und nichts bedeutenden oder inkonvenienten Ausdruͤcken zu saͤubern.

Die Sprache ist der Abdruck der Gedanken: die Zeichen der Gedanken koͤnnen nun mittelst eines festgesetzten Tones, oder mittelst festgesetzter mit der Feder gemachten Zuͤge (Schriftzeichen) andern verstaͤndlich gemacht werden. Die erste Art wird in der Leselehre abgehandelt; die zwote in der Rechtschreibungslehre, und so waͤren also die zwo Hauptabtheilungen einer allgemeinen Sprachlehre gemacht; um deutlich und zusammenhaͤngend zu seyn, muͤßten dann die Gegenstaͤnde nach ihrem Ur-

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[84/0084] gen und Listigkeit, — aber desto mehr Liebe, Wahrheit und Offenheit unter den Menschen herrschen, wenn diese nicht — oder nicht so mannichfaltig waͤre. Doch labt sich unser Trieb nach Vervollkommung auch oͤfters an ihr: wir forschen nach dem Genius der Sprache: wir suchen daraus den Charakter der Nation annaͤhernd zu bestimmen; wir sehen, wie weit die Denkart der Menschen von einander abgehet, oder sich vereinbart, und wo — in welchen Abstuffungen — nach welchen Gruͤnden; da lernen wir kennen, in welchem Grad der Kultur und Vollkommenheit eine Nation steht; denn Verbesserung der Sprache ist eine Stufe der Landsaufklaͤrung; dahin gehoͤren auch die Bemuͤhungen, eine Sprache Wortreich, Nachdruck- und Bedeutungsvoll — angenehm, fließend und leicht zu machen, sie von Verunstaltungen und nichts bedeutenden oder inkonvenienten Ausdruͤcken zu saͤubern. Die Sprache ist der Abdruck der Gedanken: die Zeichen der Gedanken koͤnnen nun mittelst eines festgesetzten Tones, oder mittelst festgesetzter mit der Feder gemachten Zuͤge (Schriftzeichen) andern verstaͤndlich gemacht werden. Die erste Art wird in der Leselehre abgehandelt; die zwote in der Rechtschreibungslehre, und so waͤren also die zwo Hauptabtheilungen einer allgemeinen Sprachlehre gemacht; um deutlich und zusammenhaͤngend zu seyn, muͤßten dann die Gegenstaͤnde nach ihrem Ur-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787/84>, abgerufen am 28.04.2024.