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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.

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mal erregten Lebhaftigkeit der Jdeen und Gefühle zu erhalten,
was so sichtbar in der Natur einer lebhaften Gemüthsart gegründet ist. Wenn die menschliche Seele einmal von starken, viel umfassenden und heftigen Vorstellungen in Schwung gebracht ist, wenn ihre Gefühle in einer schnellen Folge sich zu erzeugen und zu unterhalten angefangen haben; so kann sie nicht gleich in ein ruhiges Gleichgewicht ihrer Empfindungen zurück kehren, sondern pflegt alsdenn neue, obgleich oft mit den erstern Gegenständen heterogene Erschütterungen aufzusuchen, und es läßt sich vermöge dieser Analogie bey sehr lebhaften Leuten der Uebergang aus starken angestrengten Speculationen in starke sinnliche Jdeen und Empfindungen, so sehr beide von einander verschieden seyn mögen, leicht denken.

"Jch kenne in der Mischung dieses Lichts und Schattens", sagt er weiter, "meines Gleichen nicht. Vielleicht liegt eine natürliche Ursach darinnen, daß mich ein außerordentlich lebhafter Vater gezeugt, und eine meistentheils bis zum Wahnsinne melancholische Mutter geboren hat".

"Jn diesem Zustande kann ich nun schlechterdings nicht vorher errathen, wie viel oder wenig mir diene. Würkt ein unvermuthetes Erinnerungsmittel einer Kette von Ursachen des Grams, so scheint sich, wenn ich auch fernerhin Wasser trinke, (besonders wenn ich zum verdrüßlichen Reden veranlaßt werde,)


mal erregten Lebhaftigkeit der Jdeen und Gefuͤhle zu erhalten,
was so sichtbar in der Natur einer lebhaften Gemuͤthsart gegruͤndet ist. Wenn die menschliche Seele einmal von starken, viel umfassenden und heftigen Vorstellungen in Schwung gebracht ist, wenn ihre Gefuͤhle in einer schnellen Folge sich zu erzeugen und zu unterhalten angefangen haben; so kann sie nicht gleich in ein ruhiges Gleichgewicht ihrer Empfindungen zuruͤck kehren, sondern pflegt alsdenn neue, obgleich oft mit den erstern Gegenstaͤnden heterogene Erschuͤtterungen aufzusuchen, und es laͤßt sich vermoͤge dieser Analogie bey sehr lebhaften Leuten der Uebergang aus starken angestrengten Speculationen in starke sinnliche Jdeen und Empfindungen, so sehr beide von einander verschieden seyn moͤgen, leicht denken.

»Jch kenne in der Mischung dieses Lichts und Schattens«, sagt er weiter, »meines Gleichen nicht. Vielleicht liegt eine natuͤrliche Ursach darinnen, daß mich ein außerordentlich lebhafter Vater gezeugt, und eine meistentheils bis zum Wahnsinne melancholische Mutter geboren hat«.

»Jn diesem Zustande kann ich nun schlechterdings nicht vorher errathen, wie viel oder wenig mir diene. Wuͤrkt ein unvermuthetes Erinnerungsmittel einer Kette von Ursachen des Grams, so scheint sich, wenn ich auch fernerhin Wasser trinke, (besonders wenn ich zum verdruͤßlichen Reden veranlaßt werde,)

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[117/0117] mal erregten Lebhaftigkeit der Jdeen und Gefuͤhle zu erhalten, was so sichtbar in der Natur einer lebhaften Gemuͤthsart gegruͤndet ist. Wenn die menschliche Seele einmal von starken, viel umfassenden und heftigen Vorstellungen in Schwung gebracht ist, wenn ihre Gefuͤhle in einer schnellen Folge sich zu erzeugen und zu unterhalten angefangen haben; so kann sie nicht gleich in ein ruhiges Gleichgewicht ihrer Empfindungen zuruͤck kehren, sondern pflegt alsdenn neue, obgleich oft mit den erstern Gegenstaͤnden heterogene Erschuͤtterungen aufzusuchen, und es laͤßt sich vermoͤge dieser Analogie bey sehr lebhaften Leuten der Uebergang aus starken angestrengten Speculationen in starke sinnliche Jdeen und Empfindungen, so sehr beide von einander verschieden seyn moͤgen, leicht denken. »Jch kenne in der Mischung dieses Lichts und Schattens«, sagt er weiter, »meines Gleichen nicht. Vielleicht liegt eine natuͤrliche Ursach darinnen, daß mich ein außerordentlich lebhafter Vater gezeugt, und eine meistentheils bis zum Wahnsinne melancholische Mutter geboren hat«. »Jn diesem Zustande kann ich nun schlechterdings nicht vorher errathen, wie viel oder wenig mir diene. Wuͤrkt ein unvermuthetes Erinnerungsmittel einer Kette von Ursachen des Grams, so scheint sich, wenn ich auch fernerhin Wasser trinke, (besonders wenn ich zum verdruͤßlichen Reden veranlaßt werde,)

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787/117>, abgerufen am 04.05.2024.