Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite


mal erregten Lebhaftigkeit der Jdeen und Gefühle zu erhalten,
was so sichtbar in der Natur einer lebhaften Gemüthsart gegründet ist. Wenn die menschliche Seele einmal von starken, viel umfassenden und heftigen Vorstellungen in Schwung gebracht ist, wenn ihre Gefühle in einer schnellen Folge sich zu erzeugen und zu unterhalten angefangen haben; so kann sie nicht gleich in ein ruhiges Gleichgewicht ihrer Empfindungen zurück kehren, sondern pflegt alsdenn neue, obgleich oft mit den erstern Gegenständen heterogene Erschütterungen aufzusuchen, und es läßt sich vermöge dieser Analogie bey sehr lebhaften Leuten der Uebergang aus starken angestrengten Speculationen in starke sinnliche Jdeen und Empfindungen, so sehr beide von einander verschieden seyn mögen, leicht denken.

"Jch kenne in der Mischung dieses Lichts und Schattens", sagt er weiter, "meines Gleichen nicht. Vielleicht liegt eine natürliche Ursach darinnen, daß mich ein außerordentlich lebhafter Vater gezeugt, und eine meistentheils bis zum Wahnsinne melancholische Mutter geboren hat".

"Jn diesem Zustande kann ich nun schlechterdings nicht vorher errathen, wie viel oder wenig mir diene. Würkt ein unvermuthetes Erinnerungsmittel einer Kette von Ursachen des Grams, so scheint sich, wenn ich auch fernerhin Wasser trinke, (besonders wenn ich zum verdrüßlichen Reden veranlaßt werde,)


mal erregten Lebhaftigkeit der Jdeen und Gefuͤhle zu erhalten,
was so sichtbar in der Natur einer lebhaften Gemuͤthsart gegruͤndet ist. Wenn die menschliche Seele einmal von starken, viel umfassenden und heftigen Vorstellungen in Schwung gebracht ist, wenn ihre Gefuͤhle in einer schnellen Folge sich zu erzeugen und zu unterhalten angefangen haben; so kann sie nicht gleich in ein ruhiges Gleichgewicht ihrer Empfindungen zuruͤck kehren, sondern pflegt alsdenn neue, obgleich oft mit den erstern Gegenstaͤnden heterogene Erschuͤtterungen aufzusuchen, und es laͤßt sich vermoͤge dieser Analogie bey sehr lebhaften Leuten der Uebergang aus starken angestrengten Speculationen in starke sinnliche Jdeen und Empfindungen, so sehr beide von einander verschieden seyn moͤgen, leicht denken.

»Jch kenne in der Mischung dieses Lichts und Schattens«, sagt er weiter, »meines Gleichen nicht. Vielleicht liegt eine natuͤrliche Ursach darinnen, daß mich ein außerordentlich lebhafter Vater gezeugt, und eine meistentheils bis zum Wahnsinne melancholische Mutter geboren hat«.

»Jn diesem Zustande kann ich nun schlechterdings nicht vorher errathen, wie viel oder wenig mir diene. Wuͤrkt ein unvermuthetes Erinnerungsmittel einer Kette von Ursachen des Grams, so scheint sich, wenn ich auch fernerhin Wasser trinke, (besonders wenn ich zum verdruͤßlichen Reden veranlaßt werde,)

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><hi rendition="#b"><pb facs="#f0117" n="117"/><lb/>
mal erregten Lebhaftigkeit der Jdeen und Gefu&#x0364;hle zu erhalten,</hi> was so                   sichtbar in der Natur einer lebhaften Gemu&#x0364;thsart gegru&#x0364;ndet ist. Wenn die                   menschliche Seele einmal von starken, viel umfassenden und heftigen Vorstellungen                   in Schwung gebracht ist, wenn ihre Gefu&#x0364;hle in einer schnellen Folge sich zu                   erzeugen und zu unterhalten angefangen haben; so kann sie nicht gleich in ein                   ruhiges Gleichgewicht ihrer Empfindungen zuru&#x0364;ck kehren, sondern pflegt alsdenn                   neue, obgleich oft mit den erstern Gegensta&#x0364;nden heterogene Erschu&#x0364;tterungen                   aufzusuchen, und es la&#x0364;ßt sich vermo&#x0364;ge dieser Analogie bey sehr lebhaften Leuten                   der Uebergang aus starken angestrengten Speculationen in starke sinnliche Jdeen                   und Empfindungen, so sehr beide von einander verschieden seyn mo&#x0364;gen, leicht                   denken.</p>
          <p>»Jch kenne in der Mischung dieses Lichts und Schattens«, sagt er weiter, »meines                   Gleichen nicht. Vielleicht liegt eine natu&#x0364;rliche Ursach darinnen, daß mich ein                   außerordentlich lebhafter Vater gezeugt, und eine meistentheils bis zum Wahnsinne                   melancholische Mutter geboren hat«.</p>
          <p><choice><corr>»Jn</corr><sic>Jn</sic></choice> diesem Zustande kann                   ich nun schlechterdings nicht vorher errathen, wie viel oder wenig mir diene.                   Wu&#x0364;rkt ein unvermuthetes Erinnerungsmittel einer Kette von Ursachen des Grams, so                   scheint sich, wenn ich auch fernerhin Wasser trinke, (besonders wenn ich zum                   verdru&#x0364;ßlichen Reden veranlaßt werde,)<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0117] mal erregten Lebhaftigkeit der Jdeen und Gefuͤhle zu erhalten, was so sichtbar in der Natur einer lebhaften Gemuͤthsart gegruͤndet ist. Wenn die menschliche Seele einmal von starken, viel umfassenden und heftigen Vorstellungen in Schwung gebracht ist, wenn ihre Gefuͤhle in einer schnellen Folge sich zu erzeugen und zu unterhalten angefangen haben; so kann sie nicht gleich in ein ruhiges Gleichgewicht ihrer Empfindungen zuruͤck kehren, sondern pflegt alsdenn neue, obgleich oft mit den erstern Gegenstaͤnden heterogene Erschuͤtterungen aufzusuchen, und es laͤßt sich vermoͤge dieser Analogie bey sehr lebhaften Leuten der Uebergang aus starken angestrengten Speculationen in starke sinnliche Jdeen und Empfindungen, so sehr beide von einander verschieden seyn moͤgen, leicht denken. »Jch kenne in der Mischung dieses Lichts und Schattens«, sagt er weiter, »meines Gleichen nicht. Vielleicht liegt eine natuͤrliche Ursach darinnen, daß mich ein außerordentlich lebhafter Vater gezeugt, und eine meistentheils bis zum Wahnsinne melancholische Mutter geboren hat«. »Jn diesem Zustande kann ich nun schlechterdings nicht vorher errathen, wie viel oder wenig mir diene. Wuͤrkt ein unvermuthetes Erinnerungsmittel einer Kette von Ursachen des Grams, so scheint sich, wenn ich auch fernerhin Wasser trinke, (besonders wenn ich zum verdruͤßlichen Reden veranlaßt werde,)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787/117
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787/117>, abgerufen am 26.11.2024.