Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787.
"Jch muß, (so ist meine Natur und Verwöhnung) wenn mir etwas gelingen soll, nicht anders arbeiten, als mit einer ausserordentlichen Anstrengung und Ausdaurung, welche zuweilen fast allen Schlaf hindert. Sonst verliehre ich gar leicht den Faden in dem Labyrinthe, in welches ich als ein Erfinder und Beurtheiler der Wahrheiten und vornehmlich der Methoden und Lehrmittel mich hinein begeben habe. Dadurch verfalle ich denn endlich in einen Zustand, daß ich eine Vernichtung aller Geisteskräfte, sogar der Vernunft, befürchten muß, wenn ich mich nicht auf eine Zeitlang gleichsam mit Gewalt losreisse und zerstreue, und gewisser Besorgnisse wegen zuweilen ausser Hauses. Eben die Würkung hat der Anfall des starken Grams. -- -- -- Trinke ich nun in einem solchen Zustande keinen Wein, oder höchst wenig; so werden meine entweder zu arbeitsamen oder zu kummervollen Grübeleyen nicht unterbrochen, und so bleibe ich in Gefahr, gänzlich zu erliegen, davon ich den Anfang sehr trauriger Würkungen zuweilen schon erlebt habe". Hiezu kommt, nach meiner Meinung, noch ein anderer psychologischer Grund, den Herr
»Jch muß, (so ist meine Natur und Verwoͤhnung) wenn mir etwas gelingen soll, nicht anders arbeiten, als mit einer ausserordentlichen Anstrengung und Ausdaurung, welche zuweilen fast allen Schlaf hindert. Sonst verliehre ich gar leicht den Faden in dem Labyrinthe, in welches ich als ein Erfinder und Beurtheiler der Wahrheiten und vornehmlich der Methoden und Lehrmittel mich hinein begeben habe. Dadurch verfalle ich denn endlich in einen Zustand, daß ich eine Vernichtung aller Geisteskraͤfte, sogar der Vernunft, befuͤrchten muß, wenn ich mich nicht auf eine Zeitlang gleichsam mit Gewalt losreisse und zerstreue, und gewisser Besorgnisse wegen zuweilen ausser Hauses. Eben die Wuͤrkung hat der Anfall des starken Grams. — — — Trinke ich nun in einem solchen Zustande keinen Wein, oder hoͤchst wenig; so werden meine entweder zu arbeitsamen oder zu kummervollen Gruͤbeleyen nicht unterbrochen, und so bleibe ich in Gefahr, gaͤnzlich zu erliegen, davon ich den Anfang sehr trauriger Wuͤrkungen zuweilen schon erlebt habe«. Hiezu kommt, nach meiner Meinung, noch ein anderer psychologischer Grund, den Herr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0116" n="116"/><lb/> Betragens veranlassen mußte, wenn die Staͤrke des Getraͤnks sein Blut in Bewegung setzte. Jn dieser letzten Absicht ist vornehmlich folgendes Bekenntniß sehr merkwuͤrdig.</p> <p>»Jch muß, (so ist meine Natur und Verwoͤhnung) wenn mir etwas gelingen soll, nicht anders arbeiten, als mit einer ausserordentlichen Anstrengung und Ausdaurung, welche zuweilen fast allen Schlaf hindert. Sonst verliehre ich gar leicht den Faden in dem Labyrinthe, in welches ich als ein Erfinder und Beurtheiler der Wahrheiten und vornehmlich der Methoden und Lehrmittel mich hinein begeben habe. Dadurch verfalle ich denn endlich in einen Zustand, daß ich eine Vernichtung aller Geisteskraͤfte, sogar der Vernunft, befuͤrchten muß, wenn ich mich nicht auf eine Zeitlang gleichsam mit Gewalt losreisse und zerstreue, und gewisser Besorgnisse wegen zuweilen ausser Hauses. Eben die Wuͤrkung hat der Anfall des starken Grams. — — — Trinke ich nun in einem solchen Zustande keinen Wein, oder hoͤchst wenig; so werden meine entweder zu arbeitsamen oder zu kummervollen Gruͤbeleyen nicht unterbrochen, und so bleibe ich in Gefahr, gaͤnzlich zu erliegen, davon ich den Anfang sehr trauriger Wuͤrkungen zuweilen schon erlebt habe«.</p> <p>Hiezu kommt, nach meiner Meinung, noch ein anderer psychologischer Grund, den Herr <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0108"><note type="editorial">Basedow, Johann Bernhard</note>Basedow</persName></hi> nicht mitangegeben hat, nehmlich <hi rendition="#b">sich in der ein-<lb/></hi></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [116/0116]
Betragens veranlassen mußte, wenn die Staͤrke des Getraͤnks sein Blut in Bewegung setzte. Jn dieser letzten Absicht ist vornehmlich folgendes Bekenntniß sehr merkwuͤrdig.
»Jch muß, (so ist meine Natur und Verwoͤhnung) wenn mir etwas gelingen soll, nicht anders arbeiten, als mit einer ausserordentlichen Anstrengung und Ausdaurung, welche zuweilen fast allen Schlaf hindert. Sonst verliehre ich gar leicht den Faden in dem Labyrinthe, in welches ich als ein Erfinder und Beurtheiler der Wahrheiten und vornehmlich der Methoden und Lehrmittel mich hinein begeben habe. Dadurch verfalle ich denn endlich in einen Zustand, daß ich eine Vernichtung aller Geisteskraͤfte, sogar der Vernunft, befuͤrchten muß, wenn ich mich nicht auf eine Zeitlang gleichsam mit Gewalt losreisse und zerstreue, und gewisser Besorgnisse wegen zuweilen ausser Hauses. Eben die Wuͤrkung hat der Anfall des starken Grams. — — — Trinke ich nun in einem solchen Zustande keinen Wein, oder hoͤchst wenig; so werden meine entweder zu arbeitsamen oder zu kummervollen Gruͤbeleyen nicht unterbrochen, und so bleibe ich in Gefahr, gaͤnzlich zu erliegen, davon ich den Anfang sehr trauriger Wuͤrkungen zuweilen schon erlebt habe«.
Hiezu kommt, nach meiner Meinung, noch ein anderer psychologischer Grund, den Herr Basedow nicht mitangegeben hat, nehmlich sich in der ein-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 3. Berlin, 1787, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0503_1787/116>, abgerufen am 15.08.2024. |