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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

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ansehen, daß der Körper ohne Seele leben, oder die Seele ohne Körper bestehen und denken, oder Empfindungen auch von Glückseligkeit und dem Gegentheile haben kann. -- Wir wollen nun, sage ich, setzen, Castors Seele hätte sich während des Schlafs vom Leibe abgesondert, um für sich allein zu denken. Wir wollen auch setzen, sie wählte zum Schauplatz ihres Denkens den Körper eines andern Menschen, z.B. des Pollux, der ohne eine Seele schläft. Denn wenn des Castors Seele denken kann, indem er schläft, wovon er doch nie etwas weiß, so ist nichts daran gelegen, was für einen Ort zum Denken er sich wählt. Hier haben wir nun Körper zweier Menschen, die nur eine Seele unter sich gemein haben, und von denen wir annehmen wollen, daß einer um den andern schlafe und wache, und daß die Seele in dem wachenden Menschen immer denke, wovon aber der andere, welcher im Schlafe liegt, niemahls etwas wisse, nie die geringste Empfindung habe. Jch frage also: ob nicht Castor und Pollux, da sie nur eine Seele unter sich gemein haben, die in dem einen denkt und empfindet, davon der andere nichts weiß noch sich darum bekümmert, so wohl zwei unterschiedene Personen sind, als Castor und Hercules, oder als Socrates und Plato waren? -- Und ob der eine von ihnen nicht recht glücklich, der andere hingegen sehr unglücklich seyn kann. Eben so machen diejenigen aus eben der Ursache die Seele und den Menschen zu zwei Personen, welche vor-


ansehen, daß der Koͤrper ohne Seele leben, oder die Seele ohne Koͤrper bestehen und denken, oder Empfindungen auch von Gluͤckseligkeit und dem Gegentheile haben kann. — Wir wollen nun, sage ich, setzen, Castors Seele haͤtte sich waͤhrend des Schlafs vom Leibe abgesondert, um fuͤr sich allein zu denken. Wir wollen auch setzen, sie waͤhlte zum Schauplatz ihres Denkens den Koͤrper eines andern Menschen, z.B. des Pollux, der ohne eine Seele schlaͤft. Denn wenn des Castors Seele denken kann, indem er schlaͤft, wovon er doch nie etwas weiß, so ist nichts daran gelegen, was fuͤr einen Ort zum Denken er sich waͤhlt. Hier haben wir nun Koͤrper zweier Menschen, die nur eine Seele unter sich gemein haben, und von denen wir annehmen wollen, daß einer um den andern schlafe und wache, und daß die Seele in dem wachenden Menschen immer denke, wovon aber der andere, welcher im Schlafe liegt, niemahls etwas wisse, nie die geringste Empfindung habe. Jch frage also: ob nicht Castor und Pollux, da sie nur eine Seele unter sich gemein haben, die in dem einen denkt und empfindet, davon der andere nichts weiß noch sich darum bekuͤmmert, so wohl zwei unterschiedene Personen sind, als Castor und Hercules, oder als Socrates und Plato waren? — Und ob der eine von ihnen nicht recht gluͤcklich, der andere hingegen sehr ungluͤcklich seyn kann. Eben so machen diejenigen aus eben der Ursache die Seele und den Menschen zu zwei Personen, welche vor-

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[73/0073] ansehen, daß der Koͤrper ohne Seele leben, oder die Seele ohne Koͤrper bestehen und denken, oder Empfindungen auch von Gluͤckseligkeit und dem Gegentheile haben kann. — Wir wollen nun, sage ich, setzen, Castors Seele haͤtte sich waͤhrend des Schlafs vom Leibe abgesondert, um fuͤr sich allein zu denken. Wir wollen auch setzen, sie waͤhlte zum Schauplatz ihres Denkens den Koͤrper eines andern Menschen, z.B. des Pollux, der ohne eine Seele schlaͤft. Denn wenn des Castors Seele denken kann, indem er schlaͤft, wovon er doch nie etwas weiß, so ist nichts daran gelegen, was fuͤr einen Ort zum Denken er sich waͤhlt. Hier haben wir nun Koͤrper zweier Menschen, die nur eine Seele unter sich gemein haben, und von denen wir annehmen wollen, daß einer um den andern schlafe und wache, und daß die Seele in dem wachenden Menschen immer denke, wovon aber der andere, welcher im Schlafe liegt, niemahls etwas wisse, nie die geringste Empfindung habe. Jch frage also: ob nicht Castor und Pollux, da sie nur eine Seele unter sich gemein haben, die in dem einen denkt und empfindet, davon der andere nichts weiß noch sich darum bekuͤmmert, so wohl zwei unterschiedene Personen sind, als Castor und Hercules, oder als Socrates und Plato waren? — Und ob der eine von ihnen nicht recht gluͤcklich, der andere hingegen sehr ungluͤcklich seyn kann. Eben so machen diejenigen aus eben der Ursache die Seele und den Menschen zu zwei Personen, welche vor-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/73>, abgerufen am 22.11.2024.