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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

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nicht angeben können, ob sie würklich angenehm oder unangenehm sind, weil wir sie noch nicht deutlich genug überschauen können. Wir dürfen nur auf uns selbst Acht geben, und wir werden fast jeden Augenblick überzeugt werden, daß uns unaufhörlich eine Menge von Jdeen zuströmen, die wir nur bemerken, ohne einen angenehmen oder unangenehmen Eindruck derselben auf uns wahrzunehmen. Daß wir also im Denken des Schlafs auch entweder uns glücklich oder unglücklich fühlen müßten, ist nicht psychologisch richtig. So wenig, wie überhaupt Locke im Folgenden wird erweislich machen können, daß wir im Schlafe nicht immer denken.)

Die Seele, sagen diese Leute, (nehmlich die Cartesianer) denkt, so lange der Mensch im tiefen Schlaf liegt. Jndem sie denkt und empfindet; so ist sie ohne Zweifel sowohl der Gefühle des Vergnügens oder Schmerzes, als einiger andern fähig, und sie muß sich dessen, was sie empfindet, nothwendig bewußt seyn. Hat sie aber alle diese Gefühle für sich besonders; so ist es klar, daß sich derselben ein Schlafender gar nicht bewußt ist. Wir wollen demnach setzen, es hätte sich die Seele des Castors im Schlaf aus seinem Körper entfernt. -- Dies, was wir hier setzen, kann denjenigen nicht unmöglich vorkommen, welche so freigebig sind, daß sie allen andern Thieren ein Leben ohne eine denkende Seele zugestehen. Diese Leute können es also nicht für etwas unmögliches oder sich widersprechendes


nicht angeben koͤnnen, ob sie wuͤrklich angenehm oder unangenehm sind, weil wir sie noch nicht deutlich genug uͤberschauen koͤnnen. Wir duͤrfen nur auf uns selbst Acht geben, und wir werden fast jeden Augenblick uͤberzeugt werden, daß uns unaufhoͤrlich eine Menge von Jdeen zustroͤmen, die wir nur bemerken, ohne einen angenehmen oder unangenehmen Eindruck derselben auf uns wahrzunehmen. Daß wir also im Denken des Schlafs auch entweder uns gluͤcklich oder ungluͤcklich fuͤhlen muͤßten, ist nicht psychologisch richtig. So wenig, wie uͤberhaupt Locke im Folgenden wird erweislich machen koͤnnen, daß wir im Schlafe nicht immer denken.)

Die Seele, sagen diese Leute, (nehmlich die Cartesianer) denkt, so lange der Mensch im tiefen Schlaf liegt. Jndem sie denkt und empfindet; so ist sie ohne Zweifel sowohl der Gefuͤhle des Vergnuͤgens oder Schmerzes, als einiger andern faͤhig, und sie muß sich dessen, was sie empfindet, nothwendig bewußt seyn. Hat sie aber alle diese Gefuͤhle fuͤr sich besonders; so ist es klar, daß sich derselben ein Schlafender gar nicht bewußt ist. Wir wollen demnach setzen, es haͤtte sich die Seele des Castors im Schlaf aus seinem Koͤrper entfernt. — Dies, was wir hier setzen, kann denjenigen nicht unmoͤglich vorkommen, welche so freigebig sind, daß sie allen andern Thieren ein Leben ohne eine denkende Seele zugestehen. Diese Leute koͤnnen es also nicht fuͤr etwas unmoͤgliches oder sich widersprechendes

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[72/0072] nicht angeben koͤnnen, ob sie wuͤrklich angenehm oder unangenehm sind, weil wir sie noch nicht deutlich genug uͤberschauen koͤnnen. Wir duͤrfen nur auf uns selbst Acht geben, und wir werden fast jeden Augenblick uͤberzeugt werden, daß uns unaufhoͤrlich eine Menge von Jdeen zustroͤmen, die wir nur bemerken, ohne einen angenehmen oder unangenehmen Eindruck derselben auf uns wahrzunehmen. Daß wir also im Denken des Schlafs auch entweder uns gluͤcklich oder ungluͤcklich fuͤhlen muͤßten, ist nicht psychologisch richtig. So wenig, wie uͤberhaupt Locke im Folgenden wird erweislich machen koͤnnen, daß wir im Schlafe nicht immer denken.) Die Seele, sagen diese Leute, (nehmlich die Cartesianer) denkt, so lange der Mensch im tiefen Schlaf liegt. Jndem sie denkt und empfindet; so ist sie ohne Zweifel sowohl der Gefuͤhle des Vergnuͤgens oder Schmerzes, als einiger andern faͤhig, und sie muß sich dessen, was sie empfindet, nothwendig bewußt seyn. Hat sie aber alle diese Gefuͤhle fuͤr sich besonders; so ist es klar, daß sich derselben ein Schlafender gar nicht bewußt ist. Wir wollen demnach setzen, es haͤtte sich die Seele des Castors im Schlaf aus seinem Koͤrper entfernt. — Dies, was wir hier setzen, kann denjenigen nicht unmoͤglich vorkommen, welche so freigebig sind, daß sie allen andern Thieren ein Leben ohne eine denkende Seele zugestehen. Diese Leute koͤnnen es also nicht fuͤr etwas unmoͤgliches oder sich widersprechendes

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/72>, abgerufen am 06.05.2024.