Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.
Aber gesetzt, wir wollten einmahl obigen unpsychologischen Satz von der Communication unsichtbarer Geister, welchen so viele gescheidte Köpfe, -- freilich zum Erstaunen des gesunden Menschenverstandes, -- geglaubt haben, annehmen; so entsteht hierbei wieder die sehr schwierig zu beantwortende Frage: wie können wir von höhern Geistern in blos zufälligen Begebenheiten unseres Lebens Unterricht erhalten, da sie zufällige Dinge, so wenig wie wir wissen können, oder wenn es überhaupt nichts Zufälliges giebt, wie
Aber gesetzt, wir wollten einmahl obigen unpsychologischen Satz von der Communication unsichtbarer Geister, welchen so viele gescheidte Koͤpfe, — freilich zum Erstaunen des gesunden Menschenverstandes, — geglaubt haben, annehmen; so entsteht hierbei wieder die sehr schwierig zu beantwortende Frage: wie koͤnnen wir von hoͤhern Geistern in blos zufaͤlligen Begebenheiten unseres Lebens Unterricht erhalten, da sie zufaͤllige Dinge, so wenig wie wir wissen koͤnnen, oder wenn es uͤberhaupt nichts Zufaͤlliges giebt, wie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0007" n="7"/><lb/> und die Anstrengung der Einbildungskraft genau kennt, wodurch jene Gedanken und Gefuͤhle erzeugt und beguͤnstigt werden. Man muß den Menschen, die Natur seiner Seele, die Art und Weise, <hi rendition="#b">wie</hi> sich in ihm Begriffe entwickeln und Gefuͤhle hervorbringen, gar nicht kennen, wenn man annehmen kann, daß irgend etwas Unnatuͤrliches darin vorgehen koͤnne. Die <hi rendition="#b">Unwissenheit</hi> und <hi rendition="#b">Schwaͤrmerei</hi> hat unendlich oft den seltsamsten Bizarrerien in Gedanken und Empfindungen den Namen goͤttlicher Wuͤrkungen gegeben, und die menschliche Eitelkeit, welche so gern einen hoͤhern Umgang mit unsichtbaren Geistern <hi rendition="#b">traͤumt;</hi> — oder ihn auch nur <hi rendition="#b">affectirt,</hi> hat diesen Traͤumereien ein widerrechtliches Privilegium der Wahrheit gegeben, ohne einen andern Richter dabei zu Rathe zu ziehen, welcher doch allein der Lehrer aller Wahrheit seyn muͤßte, — nehmlich die <hi rendition="#b">gesunde Vernunft.</hi></p> <p>Aber gesetzt, wir wollten einmahl obigen <hi rendition="#b">unpsychologischen</hi> Satz von der Communication unsichtbarer Geister, welchen so viele gescheidte Koͤpfe, — freilich zum Erstaunen des gesunden Menschenverstandes, — geglaubt haben, annehmen; so entsteht hierbei wieder die sehr schwierig zu beantwortende Frage: <hi rendition="#b">wie koͤnnen wir von hoͤhern Geistern in blos zufaͤlligen Begebenheiten unseres Lebens Unterricht erhalten, da sie zufaͤllige Dinge, so wenig wie wir wissen koͤnnen, oder wenn es uͤberhaupt nichts Zufaͤlliges giebt, wie<lb/></hi></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [7/0007]
und die Anstrengung der Einbildungskraft genau kennt, wodurch jene Gedanken und Gefuͤhle erzeugt und beguͤnstigt werden. Man muß den Menschen, die Natur seiner Seele, die Art und Weise, wie sich in ihm Begriffe entwickeln und Gefuͤhle hervorbringen, gar nicht kennen, wenn man annehmen kann, daß irgend etwas Unnatuͤrliches darin vorgehen koͤnne. Die Unwissenheit und Schwaͤrmerei hat unendlich oft den seltsamsten Bizarrerien in Gedanken und Empfindungen den Namen goͤttlicher Wuͤrkungen gegeben, und die menschliche Eitelkeit, welche so gern einen hoͤhern Umgang mit unsichtbaren Geistern traͤumt; — oder ihn auch nur affectirt, hat diesen Traͤumereien ein widerrechtliches Privilegium der Wahrheit gegeben, ohne einen andern Richter dabei zu Rathe zu ziehen, welcher doch allein der Lehrer aller Wahrheit seyn muͤßte, — nehmlich die gesunde Vernunft.
Aber gesetzt, wir wollten einmahl obigen unpsychologischen Satz von der Communication unsichtbarer Geister, welchen so viele gescheidte Koͤpfe, — freilich zum Erstaunen des gesunden Menschenverstandes, — geglaubt haben, annehmen; so entsteht hierbei wieder die sehr schwierig zu beantwortende Frage: wie koͤnnen wir von hoͤhern Geistern in blos zufaͤlligen Begebenheiten unseres Lebens Unterricht erhalten, da sie zufaͤllige Dinge, so wenig wie wir wissen koͤnnen, oder wenn es uͤberhaupt nichts Zufaͤlliges giebt, wie
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/7>, abgerufen am 22.07.2024. |