räth dadurch sehr leicht in eine Unordnung, und stellt dem Hypochondristen alles in einem schwarzen Lichte vor, weil er einen beständigen dumpfen Schmerz in sich fühlt, den er zwar betäuben, aber nicht ganz unterdrücken kann. Der Hypochondrist thut daher beinahe nichts, wobei er nicht etwas Übels besorgen sollte, und seine Vermuthungen drängen sich ihm so stark auf, daß er oft das blos vermuthete Uebel für ein schon würkliches hält, und als ein schon würkliches empfindet. Eine Miene, eine halbgehörte Nachricht, ein leise gesprochenes Wort kann ihn schon in die größten Unruhen versetzen, und er wird sich aus Furchtsamkeit geneigt fühlen, Dinge für unglückliche Vorbedeutungen zu halten, die ganz natürlich zugehen, und deren natürlichen Zusammenhang er selbst weiß. Jn der That scheint mir fast ein jeder Hypochondrist an der Gränze der Verrücktheit zu stehen, und man hat Erfahrungen genug, daß der gänzliche Ueberschritt zur würklichen Verirrung des Verstandes sehr leicht geschehe.
Bei aller Furchtsamkeit und Angst bemerkt man doch auch oft an Hypochondristen eine unerwartete Kühnheit und Entschlossenheit der Seele, die man ihnen nicht zutrauen sollte. Nach langen traurigen Empfindungen hebt sich alsdann ihr Herz gleichsam durch einen eigenen elastischen Jnstinct empor und schüttelt das Joch einige Zeit von sich, wovon es vorher gedrückt wurde. Es ist aber nicht immer
raͤth dadurch sehr leicht in eine Unordnung, und stellt dem Hypochondristen alles in einem schwarzen Lichte vor, weil er einen bestaͤndigen dumpfen Schmerz in sich fuͤhlt, den er zwar betaͤuben, aber nicht ganz unterdruͤcken kann. Der Hypochondrist thut daher beinahe nichts, wobei er nicht etwas Übels besorgen sollte, und seine Vermuthungen draͤngen sich ihm so stark auf, daß er oft das blos vermuthete Uebel fuͤr ein schon wuͤrkliches haͤlt, und als ein schon wuͤrkliches empfindet. Eine Miene, eine halbgehoͤrte Nachricht, ein leise gesprochenes Wort kann ihn schon in die groͤßten Unruhen versetzen, und er wird sich aus Furchtsamkeit geneigt fuͤhlen, Dinge fuͤr ungluͤckliche Vorbedeutungen zu halten, die ganz natuͤrlich zugehen, und deren natuͤrlichen Zusammenhang er selbst weiß. Jn der That scheint mir fast ein jeder Hypochondrist an der Graͤnze der Verruͤcktheit zu stehen, und man hat Erfahrungen genug, daß der gaͤnzliche Ueberschritt zur wuͤrklichen Verirrung des Verstandes sehr leicht geschehe.
Bei aller Furchtsamkeit und Angst bemerkt man doch auch oft an Hypochondristen eine unerwartete Kuͤhnheit und Entschlossenheit der Seele, die man ihnen nicht zutrauen sollte. Nach langen traurigen Empfindungen hebt sich alsdann ihr Herz gleichsam durch einen eigenen elastischen Jnstinct empor und schuͤttelt das Joch einige Zeit von sich, wovon es vorher gedruͤckt wurde. Es ist aber nicht immer
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raͤth dadurch sehr leicht in eine Unordnung, und stellt dem Hypochondristen alles in einem schwarzen Lichte vor, weil er einen bestaͤndigen dumpfen Schmerz in sich fuͤhlt, den er zwar betaͤuben, aber nicht ganz unterdruͤcken kann. Der Hypochondrist thut daher beinahe nichts, wobei er nicht etwas <choice><corr>Übels</corr><sic>uͤbels</sic></choice> besorgen sollte, und seine Vermuthungen draͤngen sich ihm so stark auf, daß er oft das blos <hirendition="#b">vermuthete</hi> Uebel fuͤr ein <hirendition="#b">schon wuͤrkliches haͤlt,</hi> und als ein schon wuͤrkliches empfindet. Eine Miene, eine halbgehoͤrte Nachricht, ein leise gesprochenes Wort kann ihn schon in die groͤßten Unruhen versetzen, und er wird sich aus Furchtsamkeit geneigt fuͤhlen, Dinge fuͤr ungluͤckliche Vorbedeutungen zu halten, die ganz natuͤrlich zugehen, und deren natuͤrlichen Zusammenhang er selbst weiß. Jn der That scheint mir fast ein jeder Hypochondrist <hirendition="#b">an der Graͤnze</hi> der Verruͤcktheit zu stehen, und man hat Erfahrungen genug, daß der gaͤnzliche Ueberschritt zur wuͤrklichen Verirrung des Verstandes sehr leicht geschehe.</p><p>Bei aller Furchtsamkeit und Angst bemerkt man doch auch oft an Hypochondristen eine unerwartete Kuͤhnheit und Entschlossenheit der Seele, die man ihnen nicht zutrauen sollte. Nach langen traurigen Empfindungen hebt sich alsdann ihr Herz gleichsam durch einen eigenen elastischen Jnstinct empor und schuͤttelt das Joch einige Zeit von sich, wovon es vorher gedruͤckt wurde. Es ist aber nicht immer<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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raͤth dadurch sehr leicht in eine Unordnung, und stellt dem Hypochondristen alles in einem schwarzen Lichte vor, weil er einen bestaͤndigen dumpfen Schmerz in sich fuͤhlt, den er zwar betaͤuben, aber nicht ganz unterdruͤcken kann. Der Hypochondrist thut daher beinahe nichts, wobei er nicht etwas Übels besorgen sollte, und seine Vermuthungen draͤngen sich ihm so stark auf, daß er oft das blos vermuthete Uebel fuͤr ein schon wuͤrkliches haͤlt, und als ein schon wuͤrkliches empfindet. Eine Miene, eine halbgehoͤrte Nachricht, ein leise gesprochenes Wort kann ihn schon in die groͤßten Unruhen versetzen, und er wird sich aus Furchtsamkeit geneigt fuͤhlen, Dinge fuͤr ungluͤckliche Vorbedeutungen zu halten, die ganz natuͤrlich zugehen, und deren natuͤrlichen Zusammenhang er selbst weiß. Jn der That scheint mir fast ein jeder Hypochondrist an der Graͤnze der Verruͤcktheit zu stehen, und man hat Erfahrungen genug, daß der gaͤnzliche Ueberschritt zur wuͤrklichen Verirrung des Verstandes sehr leicht geschehe.
Bei aller Furchtsamkeit und Angst bemerkt man doch auch oft an Hypochondristen eine unerwartete Kuͤhnheit und Entschlossenheit der Seele, die man ihnen nicht zutrauen sollte. Nach langen traurigen Empfindungen hebt sich alsdann ihr Herz gleichsam durch einen eigenen elastischen Jnstinct empor und schuͤttelt das Joch einige Zeit von sich, wovon es vorher gedruͤckt wurde. Es ist aber nicht immer
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/38>, abgerufen am 22.07.2024.
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