neuen Angst zu steuren, welche sich die vorige Nacht, da ich vom Schlafe erwacht, bei mir wieder eingefunden. Allein der Spazirgang war nicht viel anders, nur daß die Angst nicht so groß, wie zu Hause war. Auf dem Wege nach Wahren war mein Leib und Haupt so schwach, daß mich ein Becker, der mit Getreide in die Mühle fuhr, aufladen und mitnehmen mußte. Der Fuhrmann war weit genug von dem Flusse entfernt, und doch durfte ich den Fluß nicht mit meinen Augen ansehen, denn das Bild von Ersäufen war so lebendig in mir, und so groß, daß mir von wegen der lebendigen Vorstellung, die wider meinen Willen und mit Gewalt in mir entstand, im Leibe übel wurde, dahero ich meistens den Kopf zur rechten Seite halten und ins freie Feld hinaussehen mußte; ob ich gleich wenig Lust zum Wasser hatte, und dasselbe so sehr als eine Katze scheuete. -- -- -- Am grünen Donnerstage hatte ich anno 1704 durch eine Predigt einigen Trost und Stärkung ins Herz bekommen, und der gegenwärtige grüne Donnerstag war auch schier so beschaffen. Als ich nach der Kirche nach Hause kam, von Angst und Furcht ganz ausgemergelt, warf ich mich auf die Knie und dachte: ich will nicht eher aufstehen, bis mich Gott erhört. Jch redete mit Gott und schüttete mein ganzes Herz aus. -- -- Vertrauen und Hoffnung wuchs zugleich im Gebet, und die Furcht wich großentheils aus dem Herzen. Jch stand aber doch zu bald vom Beten auf, denn
neuen Angst zu steuren, welche sich die vorige Nacht, da ich vom Schlafe erwacht, bei mir wieder eingefunden. Allein der Spazirgang war nicht viel anders, nur daß die Angst nicht so groß, wie zu Hause war. Auf dem Wege nach Wahren war mein Leib und Haupt so schwach, daß mich ein Becker, der mit Getreide in die Muͤhle fuhr, aufladen und mitnehmen mußte. Der Fuhrmann war weit genug von dem Flusse entfernt, und doch durfte ich den Fluß nicht mit meinen Augen ansehen, denn das Bild von Ersaͤufen war so lebendig in mir, und so groß, daß mir von wegen der lebendigen Vorstellung, die wider meinen Willen und mit Gewalt in mir entstand, im Leibe uͤbel wurde, dahero ich meistens den Kopf zur rechten Seite halten und ins freie Feld hinaussehen mußte; ob ich gleich wenig Lust zum Wasser hatte, und dasselbe so sehr als eine Katze scheuete. — — — Am gruͤnen Donnerstage hatte ich anno 1704 durch eine Predigt einigen Trost und Staͤrkung ins Herz bekommen, und der gegenwaͤrtige gruͤne Donnerstag war auch schier so beschaffen. Als ich nach der Kirche nach Hause kam, von Angst und Furcht ganz ausgemergelt, warf ich mich auf die Knie und dachte: ich will nicht eher aufstehen, bis mich Gott erhoͤrt. Jch redete mit Gott und schuͤttete mein ganzes Herz aus. — — Vertrauen und Hoffnung wuchs zugleich im Gebet, und die Furcht wich großentheils aus dem Herzen. Jch stand aber doch zu bald vom Beten auf, denn
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neuen Angst zu steuren, welche sich die vorige Nacht, da ich vom Schlafe erwacht, bei mir wieder eingefunden. Allein der Spazirgang war nicht viel anders, nur daß die Angst nicht so groß, wie zu Hause war. Auf dem Wege nach Wahren war mein Leib und Haupt so schwach, daß mich ein Becker, der mit Getreide in die Muͤhle fuhr, aufladen und mitnehmen mußte. Der Fuhrmann war weit genug von dem Flusse entfernt, und doch durfte ich den Fluß nicht mit meinen Augen ansehen, denn das Bild von <hirendition="#b">Ersaͤufen</hi> war so lebendig in mir, und so groß, daß mir von wegen der lebendigen Vorstellung, die wider meinen Willen und mit Gewalt in mir entstand, im Leibe uͤbel wurde, dahero ich meistens den Kopf zur rechten Seite halten und ins freie Feld hinaussehen mußte; ob ich gleich wenig Lust zum Wasser hatte, und dasselbe so sehr als eine Katze scheuete. ——— Am gruͤnen Donnerstage hatte ich <hirendition="#aq">anno</hi> 1704 durch eine Predigt einigen Trost und Staͤrkung ins Herz bekommen, und der gegenwaͤrtige gruͤne Donnerstag war auch schier so beschaffen. Als ich nach der Kirche nach Hause kam, von Angst und Furcht ganz ausgemergelt, warf ich mich auf die Knie und dachte: ich will nicht eher aufstehen, bis mich Gott erhoͤrt. Jch redete mit Gott und schuͤttete mein ganzes Herz aus. —— Vertrauen und Hoffnung wuchs zugleich im Gebet, und die Furcht wich großentheils aus dem Herzen. Jch stand aber doch zu bald vom Beten auf, denn<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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neuen Angst zu steuren, welche sich die vorige Nacht, da ich vom Schlafe erwacht, bei mir wieder eingefunden. Allein der Spazirgang war nicht viel anders, nur daß die Angst nicht so groß, wie zu Hause war. Auf dem Wege nach Wahren war mein Leib und Haupt so schwach, daß mich ein Becker, der mit Getreide in die Muͤhle fuhr, aufladen und mitnehmen mußte. Der Fuhrmann war weit genug von dem Flusse entfernt, und doch durfte ich den Fluß nicht mit meinen Augen ansehen, denn das Bild von Ersaͤufen war so lebendig in mir, und so groß, daß mir von wegen der lebendigen Vorstellung, die wider meinen Willen und mit Gewalt in mir entstand, im Leibe uͤbel wurde, dahero ich meistens den Kopf zur rechten Seite halten und ins freie Feld hinaussehen mußte; ob ich gleich wenig Lust zum Wasser hatte, und dasselbe so sehr als eine Katze scheuete. — — — Am gruͤnen Donnerstage hatte ich anno 1704 durch eine Predigt einigen Trost und Staͤrkung ins Herz bekommen, und der gegenwaͤrtige gruͤne Donnerstag war auch schier so beschaffen. Als ich nach der Kirche nach Hause kam, von Angst und Furcht ganz ausgemergelt, warf ich mich auf die Knie und dachte: ich will nicht eher aufstehen, bis mich Gott erhoͤrt. Jch redete mit Gott und schuͤttete mein ganzes Herz aus. — — Vertrauen und Hoffnung wuchs zugleich im Gebet, und die Furcht wich großentheils aus dem Herzen. Jch stand aber doch zu bald vom Beten auf, denn
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/29>, abgerufen am 03.07.2024.
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