und darauf die Einbildung und Furcht, das zu thun, wovor ich den größten Abscheu hatte. Die Einbildung war insonderheit gerichtet auf den zukünftigen Sonnabend, als den Sonnabend vor Palmarum, wenn ich Sonntags drauf würde predigen sollen. Diese Gedanken setzten mir heftig zu, und ließen mich die ganze Woche zu keiner Ruhe kommen. Die ersten Anfälle geschahen gleich Montags nach dem Sonntag Judica, denen ich zwar durch einen Spazirgang in freier Luft zu begegnen suchte; allein derselbe lief gar unglücklich für mich ab, so daß das Uebel dadurch mehr vergrößert, als vermindert wurde. Jch ging nach Linkel (ein Dorf bei Leipzig) früh um 9 Uhr, wo ich vor diesem mehrmahl gewesen war. Jn tiefen Gedanken nahm ich den Weg durch den Hof des Wirthshauses, indem ich aber aus Unachtsamkeit mich nicht nach dem Hunde im Hofe und dessen Hütte umsehe; so gehe ich, um den bösen Weg zu vermeiden, hart bei derselben vorbei, und werde unversehends vom Hunde, der aus der Hütten sprang, angefallen, daß ich nicht anders meinte, ich müßte vor Schrecken des Todes seyn. Alle Glieder im Leibe zitterten und bebten mir, und bekam noch ein neues Uebel dazu, mit welchem ich auch sonst öfters genug war geplagt worden, nehmlich Spasmos und innerliche Convulsionen, mit welchen ich den ganzen Tag und im Heimwege zu ringen hatte. Der Palmsonntag kam immer näher, auf welchem das Fest Mariä Verkündigung einfiel, just
und darauf die Einbildung und Furcht, das zu thun, wovor ich den groͤßten Abscheu hatte. Die Einbildung war insonderheit gerichtet auf den zukuͤnftigen Sonnabend, als den Sonnabend vor Palmarum, wenn ich Sonntags drauf wuͤrde predigen sollen. Diese Gedanken setzten mir heftig zu, und ließen mich die ganze Woche zu keiner Ruhe kommen. Die ersten Anfaͤlle geschahen gleich Montags nach dem Sonntag Judica, denen ich zwar durch einen Spazirgang in freier Luft zu begegnen suchte; allein derselbe lief gar ungluͤcklich fuͤr mich ab, so daß das Uebel dadurch mehr vergroͤßert, als vermindert wurde. Jch ging nach Linkel (ein Dorf bei Leipzig) fruͤh um 9 Uhr, wo ich vor diesem mehrmahl gewesen war. Jn tiefen Gedanken nahm ich den Weg durch den Hof des Wirthshauses, indem ich aber aus Unachtsamkeit mich nicht nach dem Hunde im Hofe und dessen Huͤtte umsehe; so gehe ich, um den boͤsen Weg zu vermeiden, hart bei derselben vorbei, und werde unversehends vom Hunde, der aus der Huͤtten sprang, angefallen, daß ich nicht anders meinte, ich muͤßte vor Schrecken des Todes seyn. Alle Glieder im Leibe zitterten und bebten mir, und bekam noch ein neues Uebel dazu, mit welchem ich auch sonst oͤfters genug war geplagt worden, nehmlich Spasmos und innerliche Convulsionen, mit welchen ich den ganzen Tag und im Heimwege zu ringen hatte. Der Palmsonntag kam immer naͤher, auf welchem das Fest Mariaͤ Verkuͤndigung einfiel, just
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und darauf die Einbildung und Furcht, das zu thun, wovor ich den groͤßten Abscheu hatte. Die Einbildung war insonderheit gerichtet auf den zukuͤnftigen Sonnabend, als den Sonnabend vor Palmarum, wenn ich Sonntags drauf wuͤrde predigen sollen. Diese Gedanken setzten mir heftig zu, und ließen mich die ganze Woche zu keiner Ruhe kommen. Die ersten Anfaͤlle geschahen gleich Montags nach dem Sonntag Judica, denen ich zwar durch einen Spazirgang in freier Luft zu begegnen suchte; allein derselbe lief gar ungluͤcklich fuͤr mich ab, so daß das Uebel dadurch mehr vergroͤßert, als vermindert wurde. Jch ging nach Linkel (ein Dorf bei Leipzig) fruͤh um 9 Uhr, wo ich vor diesem mehrmahl gewesen war. Jn tiefen Gedanken nahm ich den Weg durch den Hof des Wirthshauses, indem ich aber aus Unachtsamkeit mich nicht nach dem Hunde im Hofe und dessen Huͤtte umsehe; so gehe ich, um den boͤsen Weg zu vermeiden, hart bei derselben vorbei, und werde unversehends vom Hunde, der aus der Huͤtten sprang, angefallen, daß ich nicht anders meinte, ich muͤßte vor Schrecken des Todes seyn. Alle Glieder im Leibe zitterten und bebten mir, und bekam noch ein neues Uebel dazu, mit welchem ich auch sonst oͤfters genug war geplagt worden, nehmlich Spasmos und innerliche Convulsionen, mit welchen ich den ganzen Tag und im Heimwege zu ringen hatte. Der Palmsonntag kam immer naͤher, auf welchem das Fest Mariaͤ Verkuͤndigung einfiel, just<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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und darauf die Einbildung und Furcht, das zu thun, wovor ich den groͤßten Abscheu hatte. Die Einbildung war insonderheit gerichtet auf den zukuͤnftigen Sonnabend, als den Sonnabend vor Palmarum, wenn ich Sonntags drauf wuͤrde predigen sollen. Diese Gedanken setzten mir heftig zu, und ließen mich die ganze Woche zu keiner Ruhe kommen. Die ersten Anfaͤlle geschahen gleich Montags nach dem Sonntag Judica, denen ich zwar durch einen Spazirgang in freier Luft zu begegnen suchte; allein derselbe lief gar ungluͤcklich fuͤr mich ab, so daß das Uebel dadurch mehr vergroͤßert, als vermindert wurde. Jch ging nach Linkel (ein Dorf bei Leipzig) fruͤh um 9 Uhr, wo ich vor diesem mehrmahl gewesen war. Jn tiefen Gedanken nahm ich den Weg durch den Hof des Wirthshauses, indem ich aber aus Unachtsamkeit mich nicht nach dem Hunde im Hofe und dessen Huͤtte umsehe; so gehe ich, um den boͤsen Weg zu vermeiden, hart bei derselben vorbei, und werde unversehends vom Hunde, der aus der Huͤtten sprang, angefallen, daß ich nicht anders meinte, ich muͤßte vor Schrecken des Todes seyn. Alle Glieder im Leibe zitterten und bebten mir, und bekam noch ein neues Uebel dazu, mit welchem ich auch sonst oͤfters genug war geplagt worden, nehmlich Spasmos und innerliche Convulsionen, mit welchen ich den ganzen Tag und im Heimwege zu ringen hatte. Der Palmsonntag kam immer naͤher, auf welchem das Fest Mariaͤ Verkuͤndigung einfiel, just
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/27>, abgerufen am 03.07.2024.
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