gebracht hatte, denn nun hatte ich nur noch einen Grad von Erboßtseyn bei ihr zu erreichen, wohin ichs bringen mußte, ehe ich ruhig werden konnte. Jch spitzte meine Pfeile noch feiner zu, -- sie hörte endlich auf mir zu antworten, und ein Thränenstrom stürzte aus ihren Augen. Jch kann es keiner menschlichen Seele beschreiben, wie mir dann zu Muthe ward, wenn ich meine innigst geliebte Freundinn weinen sah. Himmel und Erde lag nun auf mir; jedes meiner Worte kam mir als die ungerechteste Sünde vor, und ich hätte in meinem Gefühl, einem unschuldigen Weibe Unrecht gethan zu haben, vergehen mögen; -- -- was that ich nun? ich wurde der reuigste Sünder von der Welt, ich beschwur sie, mir zu vergeben, ich weinte selbst wie ein Kind, und küßte ihr die Thränen von den Wangen. Jn dem Augenblick hätte ich mein Leben für meine Freundinn lassen können, wenn ich ihr dadurch meine innigste Reue zu bezeugen im Stande gewesen wäre; zugleich empfand ich auch dabei eine solche seelige Wehmuth, wenn sie mir zu vergeben schien, und endlich würklich vergab, die ich mit keiner genossenen Glückseligkeit des Lebens vergleichen kann. Jch erinnere mich, daß ich mehreremahl diese sonderbare Rolle mit ihr gespielt habe, und ich spielte sie würklich einmahl blos deswegen mit ihr, um das wehmüthige Gefühl der Reue recht lebhaft zu empfinden und die Vergebung hinterher in ihrem Auge zu lesen.So ein widersprechendes
gebracht hatte, denn nun hatte ich nur noch einen Grad von Erboßtseyn bei ihr zu erreichen, wohin ichs bringen mußte, ehe ich ruhig werden konnte. Jch spitzte meine Pfeile noch feiner zu, — sie hoͤrte endlich auf mir zu antworten, und ein Thraͤnenstrom stuͤrzte aus ihren Augen. Jch kann es keiner menschlichen Seele beschreiben, wie mir dann zu Muthe ward, wenn ich meine innigst geliebte Freundinn weinen sah. Himmel und Erde lag nun auf mir; jedes meiner Worte kam mir als die ungerechteste Suͤnde vor, und ich haͤtte in meinem Gefuͤhl, einem unschuldigen Weibe Unrecht gethan zu haben, vergehen moͤgen; — — was that ich nun? ich wurde der reuigste Suͤnder von der Welt, ich beschwur sie, mir zu vergeben, ich weinte selbst wie ein Kind, und kuͤßte ihr die Thraͤnen von den Wangen. Jn dem Augenblick haͤtte ich mein Leben fuͤr meine Freundinn lassen koͤnnen, wenn ich ihr dadurch meine innigste Reue zu bezeugen im Stande gewesen waͤre; zugleich empfand ich auch dabei eine solche seelige Wehmuth, wenn sie mir zu vergeben schien, und endlich wuͤrklich vergab, die ich mit keiner genossenen Gluͤckseligkeit des Lebens vergleichen kann. Jch erinnere mich, daß ich mehreremahl diese sonderbare Rolle mit ihr gespielt habe, und ich spielte sie wuͤrklich einmahl blos deswegen mit ihr, um das wehmuͤthige Gefuͤhl der Reue recht lebhaft zu empfinden und die Vergebung hinterher in ihrem Auge zu lesen.So ein widersprechendes
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gebracht hatte, denn nun hatte ich nur noch einen Grad von Erboßtseyn bei ihr zu erreichen, wohin ichs bringen mußte, ehe ich ruhig werden konnte. Jch spitzte meine Pfeile noch feiner zu, — sie hoͤrte endlich auf mir zu antworten, und ein Thraͤnenstrom stuͤrzte aus ihren Augen. Jch kann es keiner menschlichen Seele beschreiben, wie mir dann zu Muthe ward, wenn ich meine innigst geliebte Freundinn <hirendition="#b">weinen</hi> sah. Himmel und Erde lag nun auf mir; jedes meiner Worte kam mir als die ungerechteste Suͤnde vor, und ich haͤtte in meinem Gefuͤhl, einem unschuldigen Weibe Unrecht gethan zu haben, vergehen moͤgen; —— was that ich nun? ich wurde der reuigste Suͤnder von der Welt, ich beschwur sie, mir zu vergeben, ich weinte selbst wie ein Kind, und kuͤßte ihr die Thraͤnen von den Wangen. Jn dem Augenblick haͤtte ich mein Leben fuͤr meine Freundinn lassen koͤnnen, wenn ich ihr dadurch meine innigste Reue zu bezeugen im Stande gewesen waͤre; zugleich empfand ich auch dabei eine solche seelige Wehmuth, wenn sie mir zu vergeben schien, und endlich wuͤrklich vergab, die ich mit keiner genossenen Gluͤckseligkeit des Lebens vergleichen kann. Jch erinnere mich, daß ich mehreremahl diese sonderbare Rolle mit ihr gespielt habe, und ich spielte sie wuͤrklich einmahl blos deswegen mit ihr, um <hirendition="#b">das wehmuͤthige Gefuͤhl der Reue </hi> recht lebhaft zu empfinden und die Vergebung hinterher in ihrem Auge zu lesen.So ein widersprechendes<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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gebracht hatte, denn nun hatte ich nur noch einen Grad von Erboßtseyn bei ihr zu erreichen, wohin ichs bringen mußte, ehe ich ruhig werden konnte. Jch spitzte meine Pfeile noch feiner zu, — sie hoͤrte endlich auf mir zu antworten, und ein Thraͤnenstrom stuͤrzte aus ihren Augen. Jch kann es keiner menschlichen Seele beschreiben, wie mir dann zu Muthe ward, wenn ich meine innigst geliebte Freundinn weinen sah. Himmel und Erde lag nun auf mir; jedes meiner Worte kam mir als die ungerechteste Suͤnde vor, und ich haͤtte in meinem Gefuͤhl, einem unschuldigen Weibe Unrecht gethan zu haben, vergehen moͤgen; — — was that ich nun? ich wurde der reuigste Suͤnder von der Welt, ich beschwur sie, mir zu vergeben, ich weinte selbst wie ein Kind, und kuͤßte ihr die Thraͤnen von den Wangen. Jn dem Augenblick haͤtte ich mein Leben fuͤr meine Freundinn lassen koͤnnen, wenn ich ihr dadurch meine innigste Reue zu bezeugen im Stande gewesen waͤre; zugleich empfand ich auch dabei eine solche seelige Wehmuth, wenn sie mir zu vergeben schien, und endlich wuͤrklich vergab, die ich mit keiner genossenen Gluͤckseligkeit des Lebens vergleichen kann. Jch erinnere mich, daß ich mehreremahl diese sonderbare Rolle mit ihr gespielt habe, und ich spielte sie wuͤrklich einmahl blos deswegen mit ihr, um das wehmuͤthige Gefuͤhl der Reue recht lebhaft zu empfinden und die Vergebung hinterher in ihrem Auge zu lesen.So ein widersprechendes
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/126>, abgerufen am 22.07.2024.
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