Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.Jch liebte eine meiner Freundinnen ganz ausserordentlich. Unausstehlich war mir daher jeder Gedanke an eine Untreue, die sie gegen mich begehen könnte. Sie war verheurathet, ihr Mann war mein Freund und kannte meine Liebe gegen seine Frau; verrieth auch deswegen nie einen Widerwillen gegen mich. Jch konnte es ruhig mit ansehen, wenn sie ihren Mann küßte; allein ich konnte es durchaus nicht vertragen, wenn ihr ein anderer Mann zu gefallen schien; und doch hatte es bisweilen das Ansehen so. Jch wurde wüthend; aber meine Wuth war nicht blos ein männlicher Sturm; ich suchte meine Freundinn für ihre Coquetterie zu bestrafen, und ich konnte dies nicht besser thun, als wenn ich ihr Bitterkeiten sagte, die ihr weiches Herz durchaus nicht vertragen konnte. Jch spornte meine üble Laune gleichsam an, um ihr Galle zu erregen; redete von Weibern, die ihre ganze Seeligkeit darin setzten, Männer an sich zu ziehen und ein Heer von Anbetern um sich zu haben; schilderte diese Weiber auf eine gehässige Art, satyrisirte aufs bitterste auf die Coquetterie verheuratheter Weiber. Meine Freundinn verantwortete sich anfangs mit lächelnder Miene; nach und nach wurde sie ernsthaft, endlich sehr ernsthaft, und zuletzt funkelte ihr Auge von Wuth, davor ich mich aber gar nicht furchte, vielmehr war mirs lieb, daß ich sie so weit Jch liebte eine meiner Freundinnen ganz ausserordentlich. Unausstehlich war mir daher jeder Gedanke an eine Untreue, die sie gegen mich begehen koͤnnte. Sie war verheurathet, ihr Mann war mein Freund und kannte meine Liebe gegen seine Frau; verrieth auch deswegen nie einen Widerwillen gegen mich. Jch konnte es ruhig mit ansehen, wenn sie ihren Mann kuͤßte; allein ich konnte es durchaus nicht vertragen, wenn ihr ein anderer Mann zu gefallen schien; und doch hatte es bisweilen das Ansehen so. Jch wurde wuͤthend; aber meine Wuth war nicht blos ein maͤnnlicher Sturm; ich suchte meine Freundinn fuͤr ihre Coquetterie zu bestrafen, und ich konnte dies nicht besser thun, als wenn ich ihr Bitterkeiten sagte, die ihr weiches Herz durchaus nicht vertragen konnte. Jch spornte meine uͤble Laune gleichsam an, um ihr Galle zu erregen; redete von Weibern, die ihre ganze Seeligkeit darin setzten, Maͤnner an sich zu ziehen und ein Heer von Anbetern um sich zu haben; schilderte diese Weiber auf eine gehaͤssige Art, satyrisirte aufs bitterste auf die Coquetterie verheuratheter Weiber. Meine Freundinn verantwortete sich anfangs mit laͤchelnder Miene; nach und nach wurde sie ernsthaft, endlich sehr ernsthaft, und zuletzt funkelte ihr Auge von Wuth, davor ich mich aber gar nicht furchte, vielmehr war mirs lieb, daß ich sie so weit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0125" n="125"/><lb/> <p>Jch liebte eine meiner Freundinnen ganz ausserordentlich. Unausstehlich war mir daher jeder Gedanke an eine Untreue, die sie gegen mich begehen koͤnnte. Sie war verheurathet, ihr Mann war mein Freund und kannte meine Liebe gegen seine Frau; verrieth auch deswegen nie einen Widerwillen gegen mich. Jch konnte es ruhig mit ansehen, wenn sie ihren Mann kuͤßte; allein ich konnte es durchaus nicht vertragen, wenn ihr ein anderer Mann zu gefallen schien; und doch hatte es bisweilen das Ansehen so.</p> <p>Jch wurde wuͤthend; aber meine Wuth war nicht blos ein maͤnnlicher Sturm; ich suchte meine Freundinn fuͤr ihre Coquetterie zu bestrafen, und ich konnte dies nicht besser thun, <hi rendition="#b">als wenn ich ihr Bitterkeiten sagte,</hi> die ihr weiches Herz durchaus nicht vertragen konnte. Jch spornte meine uͤble Laune gleichsam an, um ihr Galle zu erregen; redete von Weibern, die ihre ganze Seeligkeit darin setzten, Maͤnner an sich zu ziehen und ein Heer von Anbetern um sich zu haben; schilderte diese Weiber auf eine gehaͤssige Art, satyrisirte aufs bitterste auf die Coquetterie verheuratheter Weiber. Meine Freundinn verantwortete sich anfangs mit laͤchelnder Miene; nach und nach wurde sie ernsthaft, endlich sehr ernsthaft, und zuletzt funkelte ihr Auge von Wuth, davor ich mich aber gar nicht furchte, vielmehr war mirs lieb, daß ich sie so weit<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [125/0125]
Jch liebte eine meiner Freundinnen ganz ausserordentlich. Unausstehlich war mir daher jeder Gedanke an eine Untreue, die sie gegen mich begehen koͤnnte. Sie war verheurathet, ihr Mann war mein Freund und kannte meine Liebe gegen seine Frau; verrieth auch deswegen nie einen Widerwillen gegen mich. Jch konnte es ruhig mit ansehen, wenn sie ihren Mann kuͤßte; allein ich konnte es durchaus nicht vertragen, wenn ihr ein anderer Mann zu gefallen schien; und doch hatte es bisweilen das Ansehen so.
Jch wurde wuͤthend; aber meine Wuth war nicht blos ein maͤnnlicher Sturm; ich suchte meine Freundinn fuͤr ihre Coquetterie zu bestrafen, und ich konnte dies nicht besser thun, als wenn ich ihr Bitterkeiten sagte, die ihr weiches Herz durchaus nicht vertragen konnte. Jch spornte meine uͤble Laune gleichsam an, um ihr Galle zu erregen; redete von Weibern, die ihre ganze Seeligkeit darin setzten, Maͤnner an sich zu ziehen und ein Heer von Anbetern um sich zu haben; schilderte diese Weiber auf eine gehaͤssige Art, satyrisirte aufs bitterste auf die Coquetterie verheuratheter Weiber. Meine Freundinn verantwortete sich anfangs mit laͤchelnder Miene; nach und nach wurde sie ernsthaft, endlich sehr ernsthaft, und zuletzt funkelte ihr Auge von Wuth, davor ich mich aber gar nicht furchte, vielmehr war mirs lieb, daß ich sie so weit
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/125>, abgerufen am 22.07.2024. |