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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

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sicht, der hauptsächlichste Antrieb zu diesem Entschluß; es war mein größter Ernst, nicht eher nachzulassen, bis ich einmal Wunder würken könnte, mit denen Gott immer so freigebig war*) Jn dieser Absicht geiselte ich mich täglich dreimal, schlug mich bis aufs Blut; fastete strenge; vergoß ganze Thränenströme; seufzete unaufhörlich; betete Tag und Nacht auf der Straße und zu Hause; legte bei der Nacht Steine oder Bretter unter mein Haupt; schlief auch wohl auf der Erde; gab mir alle Mühe, auch andere zu einem eben so heiligen Lebenswandel zu bekehren u.s.f. Dies dauerte einige Wochen, bis der Eifer von selbst erkaltete.

Mit jenen Jdeen, einstens ein Wundersmann zu werden, verband sich als Folge, Stolz und Jntoleranz. Was kann man nicht alles aus einem jungen Herzen modeln! welche unseelige Verstimmungen und Zerrüttungen,die öfters so lange Zeit und durch so viele Mühe nicht können wieder gut gemacht werden, gründen Aberglauben und Vorurtheile! Für Religionsschwärmerei steht besonders das junge Herz offen, wie ich ebenfalls schon ein Beispiel im 1ten Stück des 4ten Bandes dieses Magazins geliefert habe.


*) freygebig gewesen seyn soll. Gott ist und kann nicht freigebig mit Begebenheiten seyn, die der ewigen Weisheit seiner Plane entgegen stehen. P.


sicht, der hauptsaͤchlichste Antrieb zu diesem Entschluß; es war mein groͤßter Ernst, nicht eher nachzulassen, bis ich einmal Wunder wuͤrken koͤnnte, mit denen Gott immer so freigebig war*) Jn dieser Absicht geiselte ich mich taͤglich dreimal, schlug mich bis aufs Blut; fastete strenge; vergoß ganze Thraͤnenstroͤme; seufzete unaufhoͤrlich; betete Tag und Nacht auf der Straße und zu Hause; legte bei der Nacht Steine oder Bretter unter mein Haupt; schlief auch wohl auf der Erde; gab mir alle Muͤhe, auch andere zu einem eben so heiligen Lebenswandel zu bekehren u.s.f. Dies dauerte einige Wochen, bis der Eifer von selbst erkaltete.

Mit jenen Jdeen, einstens ein Wundersmann zu werden, verband sich als Folge, Stolz und Jntoleranz. Was kann man nicht alles aus einem jungen Herzen modeln! welche unseelige Verstimmungen und Zerruͤttungen,die oͤfters so lange Zeit und durch so viele Muͤhe nicht koͤnnen wieder gut gemacht werden, gruͤnden Aberglauben und Vorurtheile! Fuͤr Religionsschwaͤrmerei steht besonders das junge Herz offen, wie ich ebenfalls schon ein Beispiel im 1ten Stuͤck des 4ten Bandes dieses Magazins geliefert habe.


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[120/0120] sicht, der hauptsaͤchlichste Antrieb zu diesem Entschluß; es war mein groͤßter Ernst, nicht eher nachzulassen, bis ich einmal Wunder wuͤrken koͤnnte, mit denen Gott immer so freigebig war*) Jn dieser Absicht geiselte ich mich taͤglich dreimal, schlug mich bis aufs Blut; fastete strenge; vergoß ganze Thraͤnenstroͤme; seufzete unaufhoͤrlich; betete Tag und Nacht auf der Straße und zu Hause; legte bei der Nacht Steine oder Bretter unter mein Haupt; schlief auch wohl auf der Erde; gab mir alle Muͤhe, auch andere zu einem eben so heiligen Lebenswandel zu bekehren u.s.f. Dies dauerte einige Wochen, bis der Eifer von selbst erkaltete. Mit jenen Jdeen, einstens ein Wundersmann zu werden, verband sich als Folge, Stolz und Jntoleranz. Was kann man nicht alles aus einem jungen Herzen modeln! welche unseelige Verstimmungen und Zerruͤttungen,die oͤfters so lange Zeit und durch so viele Muͤhe nicht koͤnnen wieder gut gemacht werden, gruͤnden Aberglauben und Vorurtheile! Fuͤr Religionsschwaͤrmerei steht besonders das junge Herz offen, wie ich ebenfalls schon ein Beispiel im 1ten Stuͤck des 4ten Bandes dieses Magazins geliefert habe. *) freygebig gewesen seyn soll. Gott ist und kann nicht freigebig mit Begebenheiten seyn, die der ewigen Weisheit seiner Plane entgegen stehen. P.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/120>, abgerufen am 24.11.2024.