Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.Bestimmtere Züge, die entweder minder interessant und bemerkbar oder zu wenig ausdaurend waren, sind theils für ihre Darstellung zu verwirrt oder obliterirt, als daß ich sie hier anführen sollte. So war also ohngefähr mein Zustand, in dem immer eine Modification Ursach und Würkung war, die Zeit, als du bei mir warst, Bruder! und als N.. bei mir war, 5 Jahre durch; dein flüchtiger, leichtsinniger Character stimmte freilich nicht mit meinem schwermüthigen, trüben, leutscheuen Geiste so ganz überein; doch, wir waren 3 Jahre beisammen, und ich wünschte, daß wir uns nie hätten trennen dürfen; denn wir theilten mit warmem Herzen einander unser Leben und die frühen, harten Schicksale desselben; und als du mich verließest, um zu B. Philosophie zu studiren, da wie blos fühlte ich mich nun dem Wellenspiele überlassen! wie erfüllte dein Verlust meine Gedanken mit Wehmuth und mein Leben mit Ueberdruß! Obschon ich wieder unsern N.. zu mir bekam, so warst du mir doch schon so alles geworden; du kanntest mein Verhältniß, meine Bedürfnisse, und so innig war ich mit dir verbunden, daß ich in deinem Umgange von allem, was mich widriges umgab, die Hälfte nicht empfand; nun mußte ich allein die Bürde tragen, bis ich endlich nach B.. kam. Bestimmtere Zuͤge, die entweder minder interessant und bemerkbar oder zu wenig ausdaurend waren, sind theils fuͤr ihre Darstellung zu verwirrt oder obliterirt, als daß ich sie hier anfuͤhren sollte. So war also ohngefaͤhr mein Zustand, in dem immer eine Modification Ursach und Wuͤrkung war, die Zeit, als du bei mir warst, Bruder! und als N.. bei mir war, 5 Jahre durch; dein fluͤchtiger, leichtsinniger Character stimmte freilich nicht mit meinem schwermuͤthigen, truͤben, leutscheuen Geiste so ganz uͤberein; doch, wir waren 3 Jahre beisammen, und ich wuͤnschte, daß wir uns nie haͤtten trennen duͤrfen; denn wir theilten mit warmem Herzen einander unser Leben und die fruͤhen, harten Schicksale desselben; und als du mich verließest, um zu B. Philosophie zu studiren, da wie blos fuͤhlte ich mich nun dem Wellenspiele uͤberlassen! wie erfuͤllte dein Verlust meine Gedanken mit Wehmuth und mein Leben mit Ueberdruß! Obschon ich wieder unsern N.. zu mir bekam, so warst du mir doch schon so alles geworden; du kanntest mein Verhaͤltniß, meine Beduͤrfnisse, und so innig war ich mit dir verbunden, daß ich in deinem Umgange von allem, was mich widriges umgab, die Haͤlfte nicht empfand; nun mußte ich allein die Buͤrde tragen, bis ich endlich nach B.. kam. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0121" n="121"/><lb/> <p>Bestimmtere Zuͤge, die entweder minder interessant und bemerkbar oder zu wenig ausdaurend waren, sind theils fuͤr ihre Darstellung zu verwirrt oder obliterirt, als daß ich sie hier anfuͤhren sollte. So war also ohngefaͤhr mein Zustand, in dem immer eine Modification Ursach und Wuͤrkung war, die Zeit, als du bei mir warst, Bruder! und als N.. bei mir war, 5 Jahre durch; dein fluͤchtiger, leichtsinniger Character stimmte freilich nicht mit meinem schwermuͤthigen, truͤben, leutscheuen Geiste so ganz uͤberein; doch, wir waren 3 Jahre beisammen, und ich wuͤnschte, daß wir uns nie haͤtten trennen <choice><corr>duͤrfen;</corr><sic>doͤrfen;</sic></choice> denn wir theilten mit warmem Herzen einander unser Leben und die fruͤhen, harten Schicksale desselben; und als du mich verließest, um zu B. Philosophie zu studiren, da wie blos fuͤhlte ich mich nun dem Wellenspiele uͤberlassen! wie erfuͤllte dein Verlust meine Gedanken mit Wehmuth und mein Leben mit Ueberdruß! Obschon ich wieder unsern N.. zu mir bekam, so warst du mir doch schon so alles geworden; du kanntest mein Verhaͤltniß, meine Beduͤrfnisse, und so innig war ich mit dir verbunden, daß ich in deinem Umgange von allem, was mich widriges umgab, die Haͤlfte nicht empfand; nun mußte ich allein die Buͤrde tragen, bis ich endlich nach B.. kam.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [121/0121]
Bestimmtere Zuͤge, die entweder minder interessant und bemerkbar oder zu wenig ausdaurend waren, sind theils fuͤr ihre Darstellung zu verwirrt oder obliterirt, als daß ich sie hier anfuͤhren sollte. So war also ohngefaͤhr mein Zustand, in dem immer eine Modification Ursach und Wuͤrkung war, die Zeit, als du bei mir warst, Bruder! und als N.. bei mir war, 5 Jahre durch; dein fluͤchtiger, leichtsinniger Character stimmte freilich nicht mit meinem schwermuͤthigen, truͤben, leutscheuen Geiste so ganz uͤberein; doch, wir waren 3 Jahre beisammen, und ich wuͤnschte, daß wir uns nie haͤtten trennen duͤrfen; denn wir theilten mit warmem Herzen einander unser Leben und die fruͤhen, harten Schicksale desselben; und als du mich verließest, um zu B. Philosophie zu studiren, da wie blos fuͤhlte ich mich nun dem Wellenspiele uͤberlassen! wie erfuͤllte dein Verlust meine Gedanken mit Wehmuth und mein Leben mit Ueberdruß! Obschon ich wieder unsern N.. zu mir bekam, so warst du mir doch schon so alles geworden; du kanntest mein Verhaͤltniß, meine Beduͤrfnisse, und so innig war ich mit dir verbunden, daß ich in deinem Umgange von allem, was mich widriges umgab, die Haͤlfte nicht empfand; nun mußte ich allein die Buͤrde tragen, bis ich endlich nach B.. kam.
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/121>, abgerufen am 22.07.2024. |