Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.
Ein sehr sonderbares Beispiel von einem und zwar fürchterlichen Ahndungsvermögen, das sich
Ein sehr sonderbares Beispiel von einem und zwar fuͤrchterlichen Ahndungsvermoͤgen, das sich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0015" n="13"/><lb/> liebte auch wahrscheinlich seinen Bruder herzlich, und wuͤnschte, daß er ihn bald wieder sehen moͤchte. Aus diesen Vorstellungen und Empfindungen entstand sein angezeigter Traum auf die natuͤrlichste Weise; allein, wird man sagen, der Traum war nichts Sonderbares; aber das <hi rendition="#b">genaue Eintreffen</hi> desselben. Auch dieß nicht. Der junge Mensch hielt nun einmahl vermoͤge seines Traums seinen Tod fuͤr <hi rendition="#b">ein gewisses Ding,</hi> der Gedanke, daß er gewiß an dem und dem Tage sterben <hi rendition="#b">muͤsse,</hi> lag bestaͤndig in seiner Seele, er <choice><corr>aͤngstigte</corr><sic>aͤngsttigte</sic></choice> und beunruhigte sich daruͤber, sein Blut wurde erhizt und nach und nach durch seine aͤngstliche Phantasie seine Gesundheit <hi rendition="#b">untergraben.</hi> Seit einem halben Jahre hatte er schon von Kopfschmerzen gelitten. Er kommt an das Grab seines Bruders, nach seiner getraͤumten Rechnung hatte er nur <hi rendition="#b">noch acht Tage</hi> zu leben, dieß sezt seine Einbildungskraft vollends in die groͤßte Bewegung, die vielleicht noch entfernt liegende Krankheit seines Koͤrpers wird nun auf einmahl durch den Gang nach dem Kirchhofe <hi rendition="#b">beschleunigt,</hi> und er stirbt endlich wuͤrklich um die bestimmte Zeit, und an der nehmlichen Krankheit wie sein Bruder, – und wer weis denn endlich, wie viel andere <hi rendition="#b">Nebenumstaͤnde</hi> den Tod des Juͤnglings <hi rendition="#b">zufaͤllig befoͤrdern holfen?</hi></p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Ein sehr sonderbares Beispiel von einem und zwar fuͤrchterlichen Ahndungsvermoͤgen, das sich<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [13/0015]
liebte auch wahrscheinlich seinen Bruder herzlich, und wuͤnschte, daß er ihn bald wieder sehen moͤchte. Aus diesen Vorstellungen und Empfindungen entstand sein angezeigter Traum auf die natuͤrlichste Weise; allein, wird man sagen, der Traum war nichts Sonderbares; aber das genaue Eintreffen desselben. Auch dieß nicht. Der junge Mensch hielt nun einmahl vermoͤge seines Traums seinen Tod fuͤr ein gewisses Ding, der Gedanke, daß er gewiß an dem und dem Tage sterben muͤsse, lag bestaͤndig in seiner Seele, er aͤngstigte und beunruhigte sich daruͤber, sein Blut wurde erhizt und nach und nach durch seine aͤngstliche Phantasie seine Gesundheit untergraben. Seit einem halben Jahre hatte er schon von Kopfschmerzen gelitten. Er kommt an das Grab seines Bruders, nach seiner getraͤumten Rechnung hatte er nur noch acht Tage zu leben, dieß sezt seine Einbildungskraft vollends in die groͤßte Bewegung, die vielleicht noch entfernt liegende Krankheit seines Koͤrpers wird nun auf einmahl durch den Gang nach dem Kirchhofe beschleunigt, und er stirbt endlich wuͤrklich um die bestimmte Zeit, und an der nehmlichen Krankheit wie sein Bruder, – und wer weis denn endlich, wie viel andere Nebenumstaͤnde den Tod des Juͤnglings zufaͤllig befoͤrdern holfen?
Ein sehr sonderbares Beispiel von einem und zwar fuͤrchterlichen Ahndungsvermoͤgen, das sich
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