Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.
Eine andere Todesahndung steht im ersten Stücke des zweiten Bandes der Seelenkunde, S. 72. Den 13ten Junius 1773 starb zu Bleicherode in der Grafschaft Hohenstein ein junger Mensch von vier und zwanzig Jahren. Den lezten Sonntag vor seinem Ende geht er spazieren, er kommt auf den Kirchhof, geht bei seines Bruders Grab, welcher vor sieben Jahren an einem hitzigen Fieber gestorben war, und sagt zu seinen Freunden: "auf künftigen Sonntag könnt ihr mich auch hierher tragen". Nach seinem Tode, welcher um die vorhergesagte Zeit eintraf, hat man in einem Kleiderschrank von ihm eingeschrieben gefunden, daß ihm geträumt: er werde nach drei Jahren an eben dem Tage und um die Zeit sterben, da sein Bruder gestorben wäre. Ein solcher Traum, dünkt mich, konnte sehr natürlich entstehen. Seine Seele beschäftigte sich damahls gewiß mit dem Tode seines Bruders; der Tag, die Stunde seines Abscheidens und die Art seiner Krankheit schwebte ihm vor den Augen; er
Eine andere Todesahndung steht im ersten Stuͤcke des zweiten Bandes der Seelenkunde, S. 72. Den 13ten Junius 1773 starb zu Bleicherode in der Grafschaft Hohenstein ein junger Mensch von vier und zwanzig Jahren. Den lezten Sonntag vor seinem Ende geht er spazieren, er kommt auf den Kirchhof, geht bei seines Bruders Grab, welcher vor sieben Jahren an einem hitzigen Fieber gestorben war, und sagt zu seinen Freunden: »auf kuͤnftigen Sonntag koͤnnt ihr mich auch hierher tragen«. Nach seinem Tode, welcher um die vorhergesagte Zeit eintraf, hat man in einem Kleiderschrank von ihm eingeschrieben gefunden, daß ihm getraͤumt: er werde nach drei Jahren an eben dem Tage und um die Zeit sterben, da sein Bruder gestorben waͤre. Ein solcher Traum, duͤnkt mich, konnte sehr natuͤrlich entstehen. Seine Seele beschaͤftigte sich damahls gewiß mit dem Tode seines Bruders; der Tag, die Stunde seines Abscheidens und die Art seiner Krankheit schwebte ihm vor den Augen; er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0014" n="12"/><lb/><hi rendition="#b">zufaͤlligsten</hi> und <hi rendition="#b">unbedeutendsten</hi> Umstaͤnde in ihrer Meinung, sie traͤumen von allerlei Anzeichen und Ahndungen desselben, und man weiß von Gellert, daß er oft von seinen Freunden Abschied nahm, mit den Gedanken, in der naͤchsten Nacht zu sterben, sich ins Bette legte, und den andern Morgen – frisch und gesund wieder aufstand.</p> <p>Eine andere Todesahndung steht im ersten Stuͤcke des zweiten Bandes der Seelenkunde, S. 72.</p> <p>Den 13ten Junius 1773 starb zu Bleicherode in der Grafschaft Hohenstein ein junger Mensch von vier und zwanzig Jahren. Den lezten Sonntag vor seinem Ende geht er spazieren, er kommt auf den Kirchhof, geht bei seines Bruders Grab, welcher vor sieben Jahren an einem hitzigen Fieber gestorben war, und sagt zu seinen Freunden: »auf kuͤnftigen Sonntag koͤnnt ihr mich auch hierher <choice><corr>tragen«</corr><sic>tragen</sic></choice>. Nach seinem Tode, welcher um die vorhergesagte Zeit eintraf, hat man in einem Kleiderschrank von ihm eingeschrieben gefunden, daß ihm getraͤumt: er werde nach drei Jahren an eben dem Tage und um die Zeit sterben, da sein Bruder gestorben <choice><corr>waͤre</corr><sic>waͤre«</sic></choice>.</p> <p>Ein solcher Traum, duͤnkt mich, konnte sehr <hi rendition="#b">natuͤrlich</hi> entstehen. Seine Seele beschaͤftigte sich damahls gewiß mit dem Tode seines Bruders; der Tag, die Stunde seines Abscheidens und die Art seiner Krankheit schwebte ihm vor den Augen; er<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [12/0014]
zufaͤlligsten und unbedeutendsten Umstaͤnde in ihrer Meinung, sie traͤumen von allerlei Anzeichen und Ahndungen desselben, und man weiß von Gellert, daß er oft von seinen Freunden Abschied nahm, mit den Gedanken, in der naͤchsten Nacht zu sterben, sich ins Bette legte, und den andern Morgen – frisch und gesund wieder aufstand.
Eine andere Todesahndung steht im ersten Stuͤcke des zweiten Bandes der Seelenkunde, S. 72.
Den 13ten Junius 1773 starb zu Bleicherode in der Grafschaft Hohenstein ein junger Mensch von vier und zwanzig Jahren. Den lezten Sonntag vor seinem Ende geht er spazieren, er kommt auf den Kirchhof, geht bei seines Bruders Grab, welcher vor sieben Jahren an einem hitzigen Fieber gestorben war, und sagt zu seinen Freunden: »auf kuͤnftigen Sonntag koͤnnt ihr mich auch hierher tragen«. Nach seinem Tode, welcher um die vorhergesagte Zeit eintraf, hat man in einem Kleiderschrank von ihm eingeschrieben gefunden, daß ihm getraͤumt: er werde nach drei Jahren an eben dem Tage und um die Zeit sterben, da sein Bruder gestorben waͤre.
Ein solcher Traum, duͤnkt mich, konnte sehr natuͤrlich entstehen. Seine Seele beschaͤftigte sich damahls gewiß mit dem Tode seines Bruders; der Tag, die Stunde seines Abscheidens und die Art seiner Krankheit schwebte ihm vor den Augen; er
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