Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.
"Auf die selbstmörderischen Gedanken, oder auch zu denselben kamen nun auch die abscheulichsten und unflätigsten Gedanken, so von natürlichen Dingen und Excrementis hergenommen, und, welches erschrecklich zu sagen, auf göttliche Dinge im Gemüthe schnell applicirt wurden. Jch mag sie nicht specificiren, um keines Menschen Jmagination dadurch zu vergiften und etwa anzustecken. Die, so mit dergleichen Plagen behaftet, werden schon wissen, wie diese garstigen und abscheulichsten Gedanken, vor welchen das ganze Herz erschrickt, und schon bebet, wenn man sie auch nur von Ferne sieht aufsteigen und anmarschieret kommen, beschaffen gewesen. Es fallen mir auch zuweilen noch jetzt dergleichen Gedanken, Kraft der Jmagination bei gewissen Gelegenheiten, insonderheit wegen schwächlicher Disposition meines Kopfs wieder ein, nur daß ich es nicht mehr achte, noch wie dazumahl davor erschrecke". Der Verfasser suchte sich nun allerlei Zerstreuungen zu machen, um seine finstern Grillen zu bekriegen; aber alles war vergeblich; seine Phantasie war einmahl im höchsten Grade erhitzt. Man höre nur, wie der arme Mensch seinen ferner Gemüthszu-
»Auf die selbstmoͤrderischen Gedanken, oder auch zu denselben kamen nun auch die abscheulichsten und unflaͤtigsten Gedanken, so von natuͤrlichen Dingen und Excrementis hergenommen, und, welches erschrecklich zu sagen, auf goͤttliche Dinge im Gemuͤthe schnell applicirt wurden. Jch mag sie nicht specificiren, um keines Menschen Jmagination dadurch zu vergiften und etwa anzustecken. Die, so mit dergleichen Plagen behaftet, werden schon wissen, wie diese garstigen und abscheulichsten Gedanken, vor welchen das ganze Herz erschrickt, und schon bebet, wenn man sie auch nur von Ferne sieht aufsteigen und anmarschieret kommen, beschaffen gewesen. Es fallen mir auch zuweilen noch jetzt dergleichen Gedanken, Kraft der Jmagination bei gewissen Gelegenheiten, insonderheit wegen schwaͤchlicher Disposition meines Kopfs wieder ein, nur daß ich es nicht mehr achte, noch wie dazumahl davor erschrecke«. Der Verfasser suchte sich nun allerlei Zerstreuungen zu machen, um seine finstern Grillen zu bekriegen; aber alles war vergeblich; seine Phantasie war einmahl im hoͤchsten Grade erhitzt. Man hoͤre nur, wie der arme Mensch seinen ferner Gemuͤthszu- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><hi rendition="#b"><pb facs="#f0123" n="121"/><lb/> den ich nahe zum Munde brachte,</hi> setzte ich mir durch einen schnellen Gedanken, der schneller als ein Pfeil entstand, an den Hals. Des Nachts deuchte mich oft halb wachend und halb schlafend, als ob die Kammer ganz voller Messer waͤre, und als ob ich sie klitschen hoͤrte«. – – –</p> <p>»Auf die selbstmoͤrderischen Gedanken, oder auch zu denselben kamen nun auch die abscheulichsten und unflaͤtigsten Gedanken, so von natuͤrlichen Dingen und Excrementis hergenommen, und, welches erschrecklich zu sagen, auf goͤttliche Dinge im Gemuͤthe schnell applicirt wurden. Jch mag sie nicht specificiren, um keines Menschen Jmagination dadurch zu vergiften und etwa anzustecken. Die, so mit dergleichen Plagen behaftet, werden schon wissen, wie diese garstigen und abscheulichsten Gedanken, vor welchen das ganze Herz erschrickt, und schon bebet, wenn man sie auch nur von Ferne sieht aufsteigen und anmarschieret kommen, beschaffen gewesen. Es fallen mir auch zuweilen noch jetzt dergleichen Gedanken, Kraft der Jmagination bei gewissen Gelegenheiten, insonderheit wegen schwaͤchlicher Disposition meines Kopfs wieder ein, nur daß ich es nicht mehr achte, noch wie dazumahl davor erschrecke«.</p> <p>Der Verfasser suchte sich nun allerlei Zerstreuungen zu machen, um seine finstern Grillen zu bekriegen; aber alles war vergeblich; seine Phantasie war einmahl im hoͤchsten Grade erhitzt. Man hoͤre nur, wie der arme Mensch seinen ferner Gemuͤthszu-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [121/0123]
den ich nahe zum Munde brachte, setzte ich mir durch einen schnellen Gedanken, der schneller als ein Pfeil entstand, an den Hals. Des Nachts deuchte mich oft halb wachend und halb schlafend, als ob die Kammer ganz voller Messer waͤre, und als ob ich sie klitschen hoͤrte«. – – –
»Auf die selbstmoͤrderischen Gedanken, oder auch zu denselben kamen nun auch die abscheulichsten und unflaͤtigsten Gedanken, so von natuͤrlichen Dingen und Excrementis hergenommen, und, welches erschrecklich zu sagen, auf goͤttliche Dinge im Gemuͤthe schnell applicirt wurden. Jch mag sie nicht specificiren, um keines Menschen Jmagination dadurch zu vergiften und etwa anzustecken. Die, so mit dergleichen Plagen behaftet, werden schon wissen, wie diese garstigen und abscheulichsten Gedanken, vor welchen das ganze Herz erschrickt, und schon bebet, wenn man sie auch nur von Ferne sieht aufsteigen und anmarschieret kommen, beschaffen gewesen. Es fallen mir auch zuweilen noch jetzt dergleichen Gedanken, Kraft der Jmagination bei gewissen Gelegenheiten, insonderheit wegen schwaͤchlicher Disposition meines Kopfs wieder ein, nur daß ich es nicht mehr achte, noch wie dazumahl davor erschrecke«.
Der Verfasser suchte sich nun allerlei Zerstreuungen zu machen, um seine finstern Grillen zu bekriegen; aber alles war vergeblich; seine Phantasie war einmahl im hoͤchsten Grade erhitzt. Man hoͤre nur, wie der arme Mensch seinen ferner Gemuͤthszu-
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/123>, abgerufen am 16.07.2024. |