Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite


stand beschreibt. "So geschickt ich nun auch sonst war ziemlich fertig zu reden, so oft ich docirte und Andere lehrte, so turbirten mich doch ungemein sehr die gewöhnlichen schrecklichen Gedanken, die mir mitten im Dociren einfielen, (er hatte ein Collegium hebraicum zu lesen angefangen) und die schier der Verzweiflung immer mehr den Weg bahnten. Sagte ich etwa im collegio hebraico und unter dem Dociren: diese Litera wird im Lesen absorbirt, gleich fiel mir auf die lebendigste Weise ein, wie du von der Hölle wirst absorbiret werden. Sprach ich: finale abjicitur, den Augenblick hörte ich, als ob es jemand anders als ich selbst in mir spräche: so wie du von Gott weggeworfen bist. Sprach ich: künftigen Montag wollen wir v.g. zum 6ten Capitel schreiten, den Augenblick fiel mir ein: ja den Montag wirst du schon in der Hölle seyn. Sagte ein Anderer: Uebermorgen wollen wir da und dorthin spatzieren gehen und den Herrn Magister abholen, gleich dachte ich: ja da werdet ihr mich in meinem Blute liegend antreffen".

"Mein höchst schwaches Haupt und Jmagination war auch Ursache, daß mir Bilder von andern Thaten und Werken einfielen, die ich mit gutem Gewissen nicht hätte thun können, auch zu thun keinen Vorsatz noch Lust, sondern den größten Abscheu davor hatte, so daß ich mich recht zwingen mußte, nicht nach dem deutlichen Bilde zu handeln, was mir vorkam. Wenn auch mein Zustand sonst leidlich war;


stand beschreibt. »So geschickt ich nun auch sonst war ziemlich fertig zu reden, so oft ich docirte und Andere lehrte, so turbirten mich doch ungemein sehr die gewoͤhnlichen schrecklichen Gedanken, die mir mitten im Dociren einfielen, (er hatte ein Collegium hebraicum zu lesen angefangen) und die schier der Verzweiflung immer mehr den Weg bahnten. Sagte ich etwa im collegio hebraico und unter dem Dociren: diese Litera wird im Lesen absorbirt, gleich fiel mir auf die lebendigste Weise ein, wie du von der Hoͤlle wirst absorbiret werden. Sprach ich: finale abjicitur, den Augenblick hoͤrte ich, als ob es jemand anders als ich selbst in mir spraͤche: so wie du von Gott weggeworfen bist. Sprach ich: kuͤnftigen Montag wollen wir v.g. zum 6ten Capitel schreiten, den Augenblick fiel mir ein: ja den Montag wirst du schon in der Hoͤlle seyn. Sagte ein Anderer: Uebermorgen wollen wir da und dorthin spatzieren gehen und den Herrn Magister abholen, gleich dachte ich: ja da werdet ihr mich in meinem Blute liegend antreffen«.

»Mein hoͤchst schwaches Haupt und Jmagination war auch Ursache, daß mir Bilder von andern Thaten und Werken einfielen, die ich mit gutem Gewissen nicht haͤtte thun koͤnnen, auch zu thun keinen Vorsatz noch Lust, sondern den groͤßten Abscheu davor hatte, so daß ich mich recht zwingen mußte, nicht nach dem deutlichen Bilde zu handeln, was mir vorkam. Wenn auch mein Zustand sonst leidlich war;

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0124" n="122"/><lb/>
stand beschreibt. <choice><corr>»So</corr><sic>So</sic></choice> geschickt ich nun auch sonst war                   ziemlich fertig zu reden, so oft ich docirte und Andere lehrte, so turbirten mich                   doch ungemein sehr die gewo&#x0364;hnlichen schrecklichen Gedanken, die mir mitten im                   Dociren einfielen, (er hatte ein <hi rendition="#aq">Collegium hebraicum</hi> zu lesen angefangen) und die schier der Verzweiflung immer mehr den Weg bahnten.                   Sagte ich etwa im <hi rendition="#aq">collegio hebraico</hi> und unter dem                   Dociren: diese <hi rendition="#aq">Litera</hi> wird im Lesen absorbirt, gleich                   fiel mir auf die lebendigste Weise ein, wie du von der Ho&#x0364;lle wirst absorbiret                   werden. Sprach ich: <hi rendition="#aq">finale abjicitur,</hi> den Augenblick                   ho&#x0364;rte ich, als ob es jemand anders als ich selbst in mir spra&#x0364;che: so wie du von                   Gott weggeworfen bist. Sprach ich: ku&#x0364;nftigen Montag wollen wir <hi rendition="#aq">v.g.</hi> zum 6ten Capitel schreiten, den Augenblick fiel mir                   ein: ja den Montag wirst du schon in der Ho&#x0364;lle seyn. Sagte ein Anderer:                   Uebermorgen wollen wir da und dorthin spatzieren gehen und den Herrn Magister                   abholen, gleich dachte ich: ja da werdet ihr mich in meinem Blute liegend                   antreffen«.</p>
            <p>»Mein ho&#x0364;chst schwaches Haupt und Jmagination war auch Ursache, daß mir Bilder von                   andern Thaten und Werken einfielen, die ich mit gutem Gewissen nicht ha&#x0364;tte thun                   ko&#x0364;nnen, auch zu thun keinen Vorsatz noch Lust, sondern den gro&#x0364;ßten Abscheu davor                   hatte, so daß ich mich recht zwingen mußte, nicht nach dem deutlichen Bilde zu                   handeln, was mir vorkam. Wenn auch mein Zustand sonst leidlich war;<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0124] stand beschreibt. »So geschickt ich nun auch sonst war ziemlich fertig zu reden, so oft ich docirte und Andere lehrte, so turbirten mich doch ungemein sehr die gewoͤhnlichen schrecklichen Gedanken, die mir mitten im Dociren einfielen, (er hatte ein Collegium hebraicum zu lesen angefangen) und die schier der Verzweiflung immer mehr den Weg bahnten. Sagte ich etwa im collegio hebraico und unter dem Dociren: diese Litera wird im Lesen absorbirt, gleich fiel mir auf die lebendigste Weise ein, wie du von der Hoͤlle wirst absorbiret werden. Sprach ich: finale abjicitur, den Augenblick hoͤrte ich, als ob es jemand anders als ich selbst in mir spraͤche: so wie du von Gott weggeworfen bist. Sprach ich: kuͤnftigen Montag wollen wir v.g. zum 6ten Capitel schreiten, den Augenblick fiel mir ein: ja den Montag wirst du schon in der Hoͤlle seyn. Sagte ein Anderer: Uebermorgen wollen wir da und dorthin spatzieren gehen und den Herrn Magister abholen, gleich dachte ich: ja da werdet ihr mich in meinem Blute liegend antreffen«. »Mein hoͤchst schwaches Haupt und Jmagination war auch Ursache, daß mir Bilder von andern Thaten und Werken einfielen, die ich mit gutem Gewissen nicht haͤtte thun koͤnnen, auch zu thun keinen Vorsatz noch Lust, sondern den groͤßten Abscheu davor hatte, so daß ich mich recht zwingen mußte, nicht nach dem deutlichen Bilde zu handeln, was mir vorkam. Wenn auch mein Zustand sonst leidlich war;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/124
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/124>, abgerufen am 27.11.2024.