Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0111" n="109"/><lb/> sehr plagte, und den ich beinahe vor die erste schwere Anfechtung halten moͤchte. Es ist bekannt, was die Leute, so doch Christen heißen und seyn wollen, vor eine schaͤndliche Gewohnheit im gemeinen Leben an sich haben, daß sie, wenn sie nur das Maul aufthun, den Teufel im Munde haben, bei demselben, als ob er ihr Gott waͤre, schwoͤren, und sich erklaͤren, daß er sie hohlen solle, woferne sie nicht die Wahrheit reden! Jch erschrecke noch vor diesem Schwur, so oft ich ihn hoͤre, habe auch niemahls einen Wohlgefallen daran gehabt, auch mich dessen die Zeit meines Lebens, so viel ich weiß, niemahls bedient, noch solchen Schwur weder aͤußerlich mit dem Munde, noch innerlich in Gedanken gethan und ausgesprochen, – und dennoch ist mir solcher damahls wider meinen Willen eine Zeitlang bei allerhand Gelegenheit oͤfters eingefallen, doch ohne meine Zustimmung, und so, daß er mir zu einer rechten Qual und Marter worden. Nahm ich mir etwan was zu thun vor, mit dem Vorsatz, vor Abends, oder in zwei Stunden damit fertig zu werden; so fiel mir wie ein Pfeil so schnell und wider meinen Willen ein: <hi rendition="#b">und wenn ich nicht fertig werde, soll mich der Teufel hohlen!</hi> Sollte ich zu jemanden um diese oder jene Zeit kommen, und ich versprach solches, und sagte mit dem Munde ja! gleich war der innere Gedanke dabei: und wenn ich nicht komme, will ich des Teufels seyn! <hi rendition="#aq">In Summa</hi> bei allem, was ich beschloß, oder vor-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [109/0111]
sehr plagte, und den ich beinahe vor die erste schwere Anfechtung halten moͤchte. Es ist bekannt, was die Leute, so doch Christen heißen und seyn wollen, vor eine schaͤndliche Gewohnheit im gemeinen Leben an sich haben, daß sie, wenn sie nur das Maul aufthun, den Teufel im Munde haben, bei demselben, als ob er ihr Gott waͤre, schwoͤren, und sich erklaͤren, daß er sie hohlen solle, woferne sie nicht die Wahrheit reden! Jch erschrecke noch vor diesem Schwur, so oft ich ihn hoͤre, habe auch niemahls einen Wohlgefallen daran gehabt, auch mich dessen die Zeit meines Lebens, so viel ich weiß, niemahls bedient, noch solchen Schwur weder aͤußerlich mit dem Munde, noch innerlich in Gedanken gethan und ausgesprochen, – und dennoch ist mir solcher damahls wider meinen Willen eine Zeitlang bei allerhand Gelegenheit oͤfters eingefallen, doch ohne meine Zustimmung, und so, daß er mir zu einer rechten Qual und Marter worden. Nahm ich mir etwan was zu thun vor, mit dem Vorsatz, vor Abends, oder in zwei Stunden damit fertig zu werden; so fiel mir wie ein Pfeil so schnell und wider meinen Willen ein: und wenn ich nicht fertig werde, soll mich der Teufel hohlen! Sollte ich zu jemanden um diese oder jene Zeit kommen, und ich versprach solches, und sagte mit dem Munde ja! gleich war der innere Gedanke dabei: und wenn ich nicht komme, will ich des Teufels seyn! In Summa bei allem, was ich beschloß, oder vor-
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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