Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786.
Demohngeachtet maß seine Seele von seiner frühesten Kindheit an, trotz seinem Auge; und die Vorliebe zur Mathematik ist von seiner frühesten Kindheit an beständig bei ihm überwiegend geblieben. Unsre Sprache verläßt uns aber, sobald es nun auf die Entwickelung desjenigen ankömmt, was denn eigentlich unsre Jdeen fixirt? Wir müssen uns alsdann mit figürlichen oder ganz allgemeinen Ausdrücken behelfen. Jnnerste Anlage der Seelenkräfte z.B. Was heißt das, Anlage? Ein Grund, woran sich etwas legen kann, das die Gestalt von dem annimmt, woran es sich legt, oder wodurch die Unterlage gleichsam fortgesetzt wird, wie bei der Pflanze, und bei dem Thier. Die Anlage, dasjenige, woran sich fremde Theile legen können, um mit dem wachsenden Körper eins zu werden, ist da; aber wie legen sich diese Theile an?
Demohngeachtet maß seine Seele von seiner fruͤhesten Kindheit an, trotz seinem Auge; und die Vorliebe zur Mathematik ist von seiner fruͤhesten Kindheit an bestaͤndig bei ihm uͤberwiegend geblieben. Unsre Sprache verlaͤßt uns aber, sobald es nun auf die Entwickelung desjenigen ankoͤmmt, was denn eigentlich unsre Jdeen fixirt? Wir muͤssen uns alsdann mit figuͤrlichen oder ganz allgemeinen Ausdruͤcken behelfen. Jnnerste Anlage der Seelenkraͤfte z.B. Was heißt das, Anlage? Ein Grund, woran sich etwas legen kann, das die Gestalt von dem annimmt, woran es sich legt, oder wodurch die Unterlage gleichsam fortgesetzt wird, wie bei der Pflanze, und bei dem Thier. Die Anlage, dasjenige, woran sich fremde Theile legen koͤnnen, um mit dem wachsenden Koͤrper eins zu werden, ist da; aber wie legen sich diese Theile an? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0007" n="7"/><lb/> genehm, wenn man durch dergleichen Betrachtungen sich die persoͤnliche, von Zufaͤlligkeiten unabhaͤngige, und in sich selbst gegruͤndete Existenz seiner Seele gleichsam <hi rendition="#b">sichern</hi> kann.</p> <p><persName ref="#ref0103"><note type="editorial">Fischer, Ernst Gottfried</note>Herr F.</persName> sieht eine senkrecht vor ihm stehende Linie so undeutlich, daß sie fast einem Strich gleicht, den man mit sehr fluͤßiger Dinte auf Loͤschpapier macht, und er weiß aus Erfahrung, daß ihm die Breite der Gegenstaͤnde in Vergleichung mit ihrer Hoͤhe immer etwas zu groß erscheint.</p> <p>Demohngeachtet <hi rendition="#b">maß</hi> seine Seele von seiner fruͤhesten Kindheit an, <hi rendition="#b">trotz seinem Auge;</hi> und die Vorliebe zur Mathematik ist von seiner fruͤhesten Kindheit an bestaͤndig bei ihm uͤberwiegend geblieben.</p> <p>Unsre <hi rendition="#b">Sprache</hi> verlaͤßt uns aber, sobald es nun auf die <hi rendition="#b">Entwickelung</hi> desjenigen ankoͤmmt, <hi rendition="#b">was denn eigentlich unsre Jdeen fixirt?</hi> Wir muͤssen uns alsdann mit <hi rendition="#b">figuͤrlichen</hi> oder ganz <hi rendition="#b">allgemeinen</hi> Ausdruͤcken behelfen.</p> <p><hi rendition="#b">Jnnerste Anlage der Seelenkraͤfte z.B.</hi> Was heißt das, Anlage? Ein Grund, <hi rendition="#b">woran</hi> sich etwas <hi rendition="#b">legen</hi> kann, das die Gestalt von dem annimmt, woran es sich legt, oder wodurch die Unterlage gleichsam fortgesetzt wird, wie bei der <hi rendition="#b">Pflanze,</hi> und bei dem <hi rendition="#b">Thier.</hi> Die <hi rendition="#b">Anlage,</hi> dasjenige, woran sich fremde Theile legen koͤnnen, um mit dem <hi rendition="#b">wachsenden</hi> Koͤrper eins zu werden, ist da; aber wie legen sich diese Theile an?<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [7/0007]
genehm, wenn man durch dergleichen Betrachtungen sich die persoͤnliche, von Zufaͤlligkeiten unabhaͤngige, und in sich selbst gegruͤndete Existenz seiner Seele gleichsam sichern kann.
Herr F. sieht eine senkrecht vor ihm stehende Linie so undeutlich, daß sie fast einem Strich gleicht, den man mit sehr fluͤßiger Dinte auf Loͤschpapier macht, und er weiß aus Erfahrung, daß ihm die Breite der Gegenstaͤnde in Vergleichung mit ihrer Hoͤhe immer etwas zu groß erscheint.
Demohngeachtet maß seine Seele von seiner fruͤhesten Kindheit an, trotz seinem Auge; und die Vorliebe zur Mathematik ist von seiner fruͤhesten Kindheit an bestaͤndig bei ihm uͤberwiegend geblieben.
Unsre Sprache verlaͤßt uns aber, sobald es nun auf die Entwickelung desjenigen ankoͤmmt, was denn eigentlich unsre Jdeen fixirt? Wir muͤssen uns alsdann mit figuͤrlichen oder ganz allgemeinen Ausdruͤcken behelfen.
Jnnerste Anlage der Seelenkraͤfte z.B. Was heißt das, Anlage? Ein Grund, woran sich etwas legen kann, das die Gestalt von dem annimmt, woran es sich legt, oder wodurch die Unterlage gleichsam fortgesetzt wird, wie bei der Pflanze, und bei dem Thier. Die Anlage, dasjenige, woran sich fremde Theile legen koͤnnen, um mit dem wachsenden Koͤrper eins zu werden, ist da; aber wie legen sich diese Theile an?
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 3. Berlin, 1786, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0403_1786/7>, abgerufen am 16.07.2024. |